Die Garnisonkirche: Potsdams doppelte Wunde
Der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche ist kein glanzvolles Tourismusprojekt - er zeigt, wie die deutsche Geschichte Potsdam gezeichnet hat. Ein Kommentar.
Mit einem Open-Air-Gottesdienst geht’s los. Am heutigen Sonntag beginnt der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche, so etwa nach Art von Kirchentagen. Aber als sichtbare Mahnung zum Frieden, nach all dem früheren Unheil. Altbischof Huber spendet den Segen. Den seiner Redekunst.
Was er sagen wird, kommt dem Schwierigkeitsgrad bundespräsidialer Ansprachen zum Jahrestag des 8. Mai 1945 nahe. Beide Ereignisse haben miteinander zu tun, mehr, als Verfechtern wie Verächtern des Wiederaufbaus lieb ist. Denn Potsdam hat sich ansonsten mit der Rekonstruktion seiner historischen Bauten abgefunden, besänftigt durch den hellen Glanz des Museums Barberini, das Tag für Tag zahllose Besucher anlockt.
Bei der Garnisonkirche liegen die Dinge anders. Da reißen nicht nur die alten Wunden der Rekonstruktionsfreunde und -gegner wieder auf. Da kommt die ganze deutsche Geschichte hoch. Wenn erst einmal vom Kirchturm das Glockenspiel ertönt und „Üb’ immer Treu und Redlichkeit“ intoniert, wird jedem Potsdamer klar sein, dass seine Stadt nicht wie andere Städte ist. Sondern ganz und gar von der deutschen Geschichte gezeichnet. Versehrt in jeglichem Sinne.
Die zuständige Kirchengemeinde braucht die Garnisonkirche nicht. Erst recht gibt es keine „Militärgemeinde“ mehr, zu deren Nutz’ und Frommen der Bau errichtet wurde. Weder das preußische Militär noch der preußische Militarismus sind mehr vorhanden, und die Gespenster des Nazi-Regimes, das sich der Garnisonkirche beim „Tag von Potsdam“ im März 1933 bedient hatte, sind aufs Gründlichste vertrieben worden. Eben deswegen ließ die SED 1968 die Ruine sprengen, die inmitten einer am Kriegsende total zerstörten Stadt aufragte.
Kaiser Wilhelm, Hindenburg und Hitler
Das Foto des Handschlags von Hindenburg und Hitler ist so wenig aus der Welt zu schaffen wie das braune Brimborium von 1933. Aber es ist nicht die ganze Geschichte. Auch, dass Kaiser Wilhelm II. die anfangs preußisch-karge Kirche prächtig ausstaffierte, ist nicht die ganze Geschichte. Es sind Teile der Geschichte, die mit dem „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. beginnt. Und es ist vor allem die Geschichte dieser Residenz- und Garnisonsstadt, später Beamten- und Pensionärsstadt Potsdam, die sich ausgerechnet in dieser Kirche, ihrem 90 Meter hohen Turm und der malerischen Lage an der Kreuzung von Straße und Stadtkanal zum symbolischen Bild verdichtete.
Militär, Bomben und Untergang
Dieses Potsdam ging in der Bombennacht des 14. April 1945 unter – tragisch, denn der Krieg war längst entschieden. Tragik war es indessen nicht, sondern zielgerichtete Politik, dass sich Potsdam nach 1949 grundlegend wandelte. Die SED wollte eine „sozialistische Stadt“ schaffen. An die Stelle der Beamtenkaste trat die Arbeiterklasse; das Erscheinungsbild der Stadt wurde modernisiert. Am Ort der Garnisonkirche entstand ein „Rechenzentrum“. Preußenhass und Kybernetik gingen bei Ulbricht Hand in Hand.
Nun bekommt Potsdam ein Wahrzeichen zurück. Es hat nicht die Prägekraft der Frauenkirche in Dresden. Es ist auch nicht bloße Stadtbildverschönerung wie der Wiederaufbau des Frankfurter Römerbergs. Es ist ein Wiederaufbau, an dem die deutsche Geschichte ein weiteres Mal ins Gedächtnis rückt. Die ganze Geschichte. An sie erinnert die Garnisonkirche, gewiss – aber nunmehr als Zeichen des Friedens, des Friedenswillens. Das ist wahrlich nicht das Schlechteste.