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Altersweise. Dirigent Christoph Eschenbach gibt sein Wissen weiter.
© Eric Brissaud

Schleswig-Holstein bei Young Euro Classic: Tiefen, die andere ewig suchen

Differenziert und ausdrucksstark: Das Schleswig-Holstein Festival Orchester lässt bei Young Euro Classic unter der Leitung von Christoph Eschenbach zauberhafte Bilder voller Poesie entstehen.

Der Begriff „Jugendorchester“ ist weit gefasst: Spielen in dem einen jugendliche Schüler um der Sache willen, sind es bei den akademischen Kaderschmieden bereits kurz vorm Examen stehende Studiosi. Ginge es beim Young Euro Classic Festival (YECL) um so etwas wie einen Wettbewerb, wäre das Schleswig-Holstein Festival Orchester also von vornherein im Vorteil: Das Auswahlverfahren der studentischen Bewerber in der von Leonard Bernstein gegründeten Akademie ist unglaublich hart, die Musiker gehören zu den besten aus 25 Nationen. Und mit dem notwendigen Quäntchen Glück stehen ihre Chancen gut, irgendwo als Profis zu landen.

Nun sind bei YECL schon viele gute Orchester aufgetreten. Das Konzert mit den Schleswig-Holsteinern indes ist mehr als der Auftritt eines guten Jugendorchesters. Mit Haydns 104. und Bruckners 9. Sinfonie setzen sie einen Meilenstein der Festivalgeschichte – so differenziert, so präzise, so ausdrucksstark spielen diese jungen, motivierten Musiker diese auf sehr unterschiedliche Weise schwierige, von Altersweisheit durchleuchtete Musik. Gerade Letzteres ist wohl nur durch die kongeniale Führung eines so erfahrenen Orchesterleiters wie Christoph Eschenbach möglich, der auf wundersame Weise aus dem notwendigen technischen Raffinement zauberhafte Bilder voller Poesie entstehen lässt, manche Brüche überzeichnend und unter einem großen Bogen doch logisch.

Die große Freude an dem, was sie da tun, ist sichtbar und spürbar

Die Farben, die das Schleswig-Holstein Festival Orchester zur Verfügung stellt, machen es Eschenbach gleichwohl leicht, zwischen minimalen Schattierungen und gewittrigen Kontrasten zartfließend auszuwählen. Ob in den wunderbar homogenen und bestens intonierenden Streichern, im exzellenten Blech oder im herzerwärmend sanften Holz – das Orchester ist in jeder Hinsicht hervorragend präpariert. So werden Tiefen durchmessen, die manche Profiensembles ewig suchen. Es ist paradox, aber manchmal schmerzt diese frühreife orchestrale Klasse wegen des Zusammenspiels von Qualität und Motivation. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Routine des regelmäßigen beruflichen Konzertierens irgendwann die innere Begeisterung dieser Musiker mal mehr, mal weniger abschleifen. Ihre große Freude an dem, was sie da tun, ist jetzt noch sichtbar, spürbar, ob sie nun spielen oder pausieren. Sie empfinden die Werke als ihr gemeinsames Projekt, als ernste Sache, an deren Ende ein künstlerischer Triumph steht. Und der wird beim Auftritt des Schleswig-Holstein Festival Orchester vor stehendem Publikum verdient belohnt.

Christian Schmidt

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