Porträtkonzert Jörg Widmann: Teufels Details
Das Musikfest Berlin widmet dem Komponisten Jörg Widmann ein Porträtkonzert. Zu Gast in der Philharmonie: das Cleveland Orchestra.
Ja, es stimmt: Beim Musikfest gibt es Programme zu hören, die so nur dort aufgeführt werden. Das Cleveland Orchestra etwa tourt gerade unter seinem Chefdirigenten Franz Welser-Möst durch Europa. Man will sich als der europäischste Spitzenklangkörper der USA mit Brahms präsentieren – und füllt die Abende mit jeweils einer Komposition von Jörg Widmann auf. Der deutsche Klarinettist und Komponist war zwei Jahre lang composer in residence am Eriesee. Und unterhaltsam sind seine Werke dazu.
Für ihren Berliner Auftritt haben die Musiker aus Cleveland auf Brahms verzichtet und damit gewiss auch auf Zuhörer. Widmann pur liegt auf den Pulten, ein Porträtabend für den 41-jährigen Komponisten, dessen Neugier und Anspielbarkeit ihm Respekt bei Musikern und Kollegen eingetragen haben. Wolfgang Rihm sitzt in der Philharmonie, Aribert Reimann, der für den Solisten Widmann komponierte, auch. Generationenübergreifend klopft man sich auf die Schultern. Auch dafür gibt das Musikfest Raum.
Franz Welser-Möst ist seit 2002 music director in Cleveland, einer schrumpfenden Ex-Industriestadt in der Größe Bochums, deren fragile Identität das Orchester nach Kräften mitzuprägen sucht. Der Chef aus Österreich setzt dabei nicht auf simplifizierte Klassiker, sondern auf Qualität und unaufgeregtes Engagement. Dies prägt auch seinen konzentrierten Auftritt fern jeglichen Anflugs von gewinnendem Charme oder gar Glamour. Man muss auch kein Simon Rattle sein, um Widmann zu dirigieren, der Humor ist hier einkomponiert, eigentlich.
Im eröffnenden „Lied“ kann man die leisesten Horneinsätze der Musikgeschichte hören, dazu scheppernde Harfensaiten, die der Komponist überall unterbringt. Ein hymnischer Orchestergesang hebt an, der immer kurz, aber nie ganz gebrochen wird. Mit „Flute en suite“ hat Widmann ein quecksilbriges Vehikel für Soloflötist Joshua Smith geschaffen, samt himmlischem Gekicher, ätzenden Blecheinwürfen und einem Kehraus mit Bach-Übermalung. In direkten Vergleich begeben sich Welser-Möst und seine sonoren Musiker bei „Teufel Amor“. Dessen Berliner Premiere hatte vor zehn Monaten Daniel Barenboim mit seiner Staatskapelle besorgt. Da duftete und stank es heftiger. Vielleicht waren es diesmal über den Abend hinweg einfach ein paar lose Harfensaiten zu viel.
Ulrich Amling