Verein der Freunde der Nationalgalerie: Teuer und treu
Ohne die Freunde der Nationalgalerie wäre das Berliner Museum um vieles ärmer. Ein Gespräch mit dem Gründer Peter Raue und der Vorsitzenden Gabriele Quandt zum 40. Geburtstag des Vereins.
Herr Raue, zur Gründung des Vereins vor 40 Jahren verlangten Sie stolze tausend Mark von den Mitgliedern – jährlich!
PETER RAUE: Ich glaube, wir waren der teuerste Freundesverein in Deutschland. Viele Berliner hielten uns damals für verrückt, doch wir wollten lieber 100 Mitglieder, die 1000 Mark zahlen als umgekehrt. Unser Traum waren 100 Freunde und 100 000 Mark im Jahr – die im Kunstbetrieb einen ganz anderen Wert besaßen als heute. Unsere erste Erwerbung: ein Bild von Max Liebermann für 120 000 Mark
Ging es um Exklusivität, oder dachten Sie, Berlin hätte nicht mehr Förderer?
RAUE: 100 war die magische Zahl. Wir wussten, dass manche mitmachen wollten, es sich aber nicht leisten konnten.
Es war Ihnen klar?
RAUE: Natürlich. 1000 Mark waren auch für einen jungen Anwalt wie mich viel Geld. Aber wir wollten einen substanziellen Beitrag leisten. Mit Reisen und anderen exklusiven Veranstaltungen haben wir uns um neue Mitglieder bemüht.
Das Geld dafür kam aus den Beiträgen?
GABRIELE QUANDT: Nein, die Mitgliedsbeiträge dienten allein dem Vereinszweck.
War die Nationalgalerie so arm, dass Sie ihr unter die Arme greifen mussten?
RAUE: Der Impetus war ein anderer. Konkret ging es um ein Bild von Barnett Newman, das der damalige Direktor Dieter Honisch erwerben wollte. In der Ankaufssitzung des Preußischen Kulturbesitzes wurde ihm der Ankauf verweigert. Das ärgerte Honisch, er rief ein paar Kunstinteressierte zusammen und meinte, wir müssten etwas tun. Es hatte schon 1929 einen Freundeskreis gegeben, der gegen den Zeitgeist Bilder gekauft, aber die Nazizeit nicht überlebt hat. Die Liste seiner Mitglieder war beeindruckend – fast die gesamte jüdische Hochfinanz in Berlin gehörte zu den Förderern. An diese Tradition und die „zerstörte Vielfalt“ wollten wir anknüpfen.
Der Verein ist aus der Opposition geboren?
RAUE: Ein bisschen.
Hat sich dieser Geist gehalten oder wurde man schnell zum freundlichen Begleiter der Nationalgalerie?
RAUE: Nur freundlicher Begleiter – ganz bestimmt nicht. Über Erwerbungen entscheidet der Vorstand nach Anhörung des Kuratoriums, es gibt keine Mitgliederbefragung. Ich werde nie vergessen, wie 1982 die Bombe wegen eines anderen Bildes von Newman platzte. „Who's Afraid of Red, Yellow and Blue IV“ kostete damals 1,2 Millionen Dollar. Wir haben das Werk erworben, ohne die Mitglieder zu fragen. Hätten wir es getan, wäre das Gemälde nicht in Berlin. Diese tollkühne Entscheidung wurde zu einer Zerreißprobe für den Verein.
QUANDT: Ich bin dem Verein 1979 beigetreten, als ich Berlin aus beruflichen Gründen verlassen musste. Früher kannten sich die Mitstreiter mehr oder weniger persönlich. Heute trifft man nicht mehr automatisch aufeinander, wenn der Verein zur Vorbesichtigung einer Ausstellung lädt.
Steht bei den Mitgliedern noch die mäzenatische Idee im Vordergrund oder doch eher das gesellschaftliche Netzwerk?
RAUE: Beides kann durchaus Hand in Hand gehen – Kontakte knüpfen und die Neugier auf Kunst. Viele, die vollkommen kunstfremd eingetreten sind, wurden allmählich begeisterte Sammler.
Gibt es eine Obergrenze bei der Zahl der Mitglieder? Eine Warteliste?
QUANDT: Wir nehmen nicht unbedingt jeden, der sich bewirbt, sondern sprechen über die Bewerber und fragen nach Bürgen. Unsere Mitglieder sollen langfristig bleiben und nicht nur eintreten, um mit ihrem Ausweis an der Besucherschlange im Museum vorbeizukommen. Tatsächlich steigen die Anfragen bei Ausstellungen mit langen Wartezeiten. Aktuell haben wir etwas über 1400 Mitglieder und sind sehr glücklich mit dieser Zahl.
RAUE: Der Verein ist vom Segelboot zu einer Hochseeyacht mutiert mit einem eigenen Büro und mehreren Mitarbeitern. Die Nationalgalerie wäre ohne den Verein eine lame duck. Die meisten Ausstellungen der vergangenen Jahre hat der Verein finanziert und realisiert. Mithilfe einer Stiftung, die mit den Erlösen der „MoMA“-Ausstellung von 2004 gegründet wurde, kaufen wir ausschließlich aktuelle Kunst an ...
QUANDT: … um die Sammlung der Nationalgalerie lebendig zu halten.
RAUE: Was der Verein in der Vergangenheit an Werken von Emil Nolde, Ernst-Ludwig Kirchner oder Max Pechstein, aber auch Gotthard Graubner, Georg Baselitz, Rebecca Horn und Thomas Demand erworben hat, hätte das Haus bei immer schmalerem Etat nie stemmen können. Der Ausstellungsbetrieb der Nationalgalerie läge ohne den Verein brach.
Und was sagen die "Freunde" zur langen Schließung der Nationalgalerie?
Gab es auch Flops?
RAUE: Der größte war unsere erste Ausstellung zu Gerhard Richter vor über 30 Jahren. Da kamen in drei Monaten so viele Besucher wie zu Richters Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie 2012 in einer Woche. Wir konnten die Kosten nicht wieder einspielen. Und doch war es richtig, diesen Künstler so früh zu zeigen.
Wer entscheidet über das Ausstellungsprogramm der Freunde der Nationalgalerie?
QUANDT: Alle Ideen kommen vom Direktor, also aktuell von Udo Kittelmann. Über die Unterstützung entscheidet der Vorstand. Es wird nichts gegen den Willen des Direktors angekauft oder ausgestellt. Aber wir können auch nicht alles stemmen, was er sich erträumt.
RAUE: Wir stoßen Initiativen an wie den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst, der nun zum neunten Mal vergeben wird. Ohne die Zustimmung des Direktors wird aber keine Initiative durchgesetzt.
Haben Sie in ihrer langen Vorstandszeit mal gedacht: Es reicht, ich werfe hin?
RAUE: Keine Sekunde. Meine Tätigkeit als Vorsitzender war eigentlich eine anwachsende Lust, deshalb hat mich nach Abgabe des Amtes nur überrascht, dass ich keine Phantomschmerzen bekam. Dabei hat es während der 30 Jahre meiner Tätigkeit im Verein immer wieder gekracht, es knallten Türen – nur am Ende waren wir immer wieder vereint.
Frau Quandt, Sie sind seit 2014 Vorsitzende und halten einen Verein zusammen, der sich gerade mit einer Baustelle identifizieren muss. Die Neue Nationalgalerie bleibt mindestens bis 2019 geschlossen.
QUANDT: Das ist in der Tat traurig und wirkt sich auf die Mitglieder aus, von denen einige während der Sanierung austreten wollten. Wir alle empfinden das Gebäude von Mies van der Rohe als unseren Tempel. Aber wir haben trotzdem mehr zu bieten als eine Baustelle. Im Hamburger Bahnhof finden spannende Ausstellungen statt, das Programm dort ist eine großartige Alternative. Die Neue Nationalgalerie fehlt uns, ich bin aber fest entschlossen, mindestens so lange Vorsitzende zu bleiben, bis sie wieder aufmacht. Oder bis wir den fantastischen Erweiterungsbau bekommen. Sie sehen, es gibt immer Dinge, auf die ich mich freuen kann.
Welche Akzente setzen Sie nun?
QUANDT: Eine Aufgabe sehe ich in der erfolgreichen Verjüngung von Vorstand und Kuratorium, eine andere in der Pflege der Mitglieder. Meine Lockinstrumente sind beschränkt, ich finde das aber auch nicht so wichtig. Generell müssen wir immer mal wieder darüber sprechen, dass wir Mäzene sind und die 600 Euro Jahresbeitrag der Nationalgalerie schenken. Man kann dann nicht sofort mit der anderen Seite des Kopfes fragen: Und was bekomme ich dafür?
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