Das Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum: Testlauf mit Sternen und Karawane
Aus dem Dahlemer Schattendasein nach Mitte: Die Sammlung erhält 3800 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Ein Rundgang durch die neuen Säle.
Gerade ist wieder viel von den Benin- Bronzen und Restitution die Rede. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat Anfang vergangener Woche in einer Gesprächsrunde mit deutschen Mitgliedsmuseen der Benin Dialogue Group, den zuständigen Kulturministeri:nnen der Länder sowie Vertretern des Auswärtigen Amts einen Durchbruch erzielt – endlich. Ab 2022 sollen erste Stücke nach Nigeria zurückgegeben werden. Höchste Zeit für einen Fahrplan, denn im Spätsommer soll das Humboldt Forum eröffnen, das Ethnologische Museum braucht dringend eine Perspektive für die Präsentation seiner umstrittenen Stücke.
Im Windschatten der teils heftig geführten Auseinandersetzungen befindet sich das Museum für Asiatische Kunst, das ebenfalls aus Dahlem ins Humboldt Forum zieht, aber anders als das Ethnologische Museum mit seiner Sammlung bislang keine Restitutionsdebatten ausgelöst hat. Noch nicht, könnte man sagen, aber vielleicht in absehbarer Zeit. Sollten sich nämlich in Indien die nationalistischen Stimmen mehren oder sich Chinas Haltung zum Boxeraufstand ändern, bei dem sich westliche Kolonialmächte ihre Besitzstände brutal sicherten.
Glanzvoller Auftritt für das Museum für Asiatische Kunst
Dass sie unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit fliegen, hat für die Macher des Museums für Asiatische Kunst durchaus Vorteile. So können sie im rekonstruierten Stadtschloss ungestört ihre Räume einrichten. Andere ärgern sich wiederum, wird doch die bedeutende Institution in der allgemeinen Wahrnehmung immer wieder mit dem Ethnologischen Museum zusammengeworfen, zumal unter dem Dach der Stiftung Humboldt-Forum.
Formen der Kooperation müssen sich erst noch finden, unter anderem mit den von der Humboldt-Stiftung berufenen Gastkuratoren. Diese dürfen sich für ihre Sonderausstellungen in den Scharnierräumen zwischen den Sälen der Staatlichen Museen aus deren eigenen Beständen bedienen. Konflikte um die inhaltliche Hoheit zwischen den Museumsleuten und freien Ausstellungsmachern sind programmiert.
Mehr lässt sich Raffael Gadebusch, Leiter des Museums für Asiatische Kunst, nicht entlocken. Nur so viel, dass die Interventionen von Neil MacGregor, einem der drei Gründungsintendanten des Humboldt-Forums, manch zuvor ausgearbeitetes Raumkonzept zunichtegemacht hätten. Nun müsse man damit klarkommen.
Zusammen mit Chefrestaurator Toralf Gabsch, der für die Umzugslogistik des seit 2017 endgültig geschlossenen Museums verantwortlich ist, führt Gadebusch durch die noch so gut wie leeren Ausstellungssäle im dritten Obergeschoss der sogenannten „Westspange“. Müsste das alles nicht viel weiter fortgeschritten sein? Allerdings. Nicht nur Corona hat einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aus Polen anreisende Bauarbeiter wurden abgehalten, Anlieferungen verzögerten sich, so dass der minutiöse Aufbauplan durcheinandergeriet.
Erst Verzögerungen durch Corona, dann Ärger mit dem Klima
Wo ursprünglich für Restaurierungsmaßnahmen frei gehaltener Platz sein sollte, war plötzlich keiner mehr. Erschwerend kamen bis in den Februar hinein Probleme mit der Klimaanlage hinzu, empfindliche Objekte aus Papier, Textilien oder Elfenbein mussten zurückgehalten werden. Und dann traten auch noch Schadstoffe in einem der Säle aus. Das gab der einstigen Planung den Rest.
„Doch jetzt hat der Aufbau Fahrt aufgenommen“, so Gadebusch. „Wir sind inzwischen permanent vor Ort.“ Toralf Grabsch, der seit der ersten Planungssitzung 2009 beteiligt ist, erhebt seinen Bass: Eigentlich würden sie den Umzug trotzdem in Rekordzeit schaffen, das wäre noch keinem Museum mit 20 000 Objekten zuvor gelungen.
Die beiden strahlen Enthusiasmus aus. Statt 2200 Quadratmetern in Dahlem stehen ihnen nun 3800 Quadratmeter für die Ausstellung zur Verfügung. Mit einer gewissen Genugtuung verweist Grabsch darauf, dass die Staatlichen Museen im Humboldt-Forum mehr Ausstellungsfläche besäßen als die Alte Nationalgalerie, Neues und Altes Museum zusammen auf der Museumsinsel. Die Präsentation wird sehr viel verdichteter sein, die Studiensammlungen sind nun anders als in Dahlem begehbar. Das Museum für Asiatische Kunst kann hier bis zu 85 Prozent seiner Bestände zeigen. So steht mitten in der Ostasienabteilung elegant abgetrennt eine riesige deckenhohe Vitrine für Keramiken aus China und Korea.
Erste Schalen stehen bereits gut ausgeleuchtet auf den gläsernen Regalen. Im Saal mit buddhistischer Kunst Südasiens sind in einer kreisrunden Vitrine diverse Buddhaköpfe bereits platziert, durch ihre Häufung geben sie eine Ahnung der Vielfalt.
In Europa waren Chinoiserien beliebt, in China die europäische Malerei
Im nächsten Saal, wo der Pritzker- Preisträger Wang Shu als aufregende Ausstellungsarchitektur eine Art Pagodendach aus 15 000 einzelnen Pappelhölzern unter der Decke angebracht hat, sollen einmal der chinesische Kaiserthron und dazugehörige Paravent stehen. Doch dafür müssen erst die Bodenplatten aus schwarzem Naturstein verlegt werden.
Im darauffolgenden Saal sieht es schon besser aus. Sämtliche Vitrinen stehen bereits, ebenso der zentrale Schaukasten, in dem der Grundriss des Taj Mahal liegen soll. Aus restauratorischen Gründen wird er für das Publikum immer nur zehn Minuten stündlich sichtbar sein, wenn sich eine Verdeckung automatisch zurückzieht. Raffael Gadebusch ist hier in seinem Element, er hat die „Erzählung“ des Raums entwickelt, in der auch die Begegnung von Europa und Asien Thema sein wird. Während es in Europa die Chinoiserie-Mode gab, begeisterte man sich am chinesischen Hof durch den Einfluss eingewanderter Jesuiten für die europäische Kunst des 18. Jahrhunderts.
Die Einrichtung der Turfan-Sammlung dauert bis Jahresende
Ein großer Moment im Kuppelsaal. Gerade gibt es einen Testlauf mit der Deckenprojektion: Sternenbilder scheinen auf, Karawanen ziehen vorüber, um auf den Kulturaustausch zu verweisen, Motive aus der Höhlenmalerei kommen ins Bild. Hier muss an der Einrichtung der Turfan-Sammlung noch bis Jahresende gearbeitet werden, bis alles endgültig steht. Die Politik mache zwar Druck, dass das Humboldt Forum endlich übergeben wird, berichtet Gadebusch, doch wenn das Prestigeobjekt im Spätsommer tatsächlich eröffnet, werden Teilbereiche der Ausstellungseinrichtung wie Studiensammlung Zentralasien und die Tibet-Nepal-Galerie immer noch nicht zugänglich sein. Ein Kompromiss, der sich nach all den Verzögerungen bei der Eröffnung verschmerzen lässt.
Auch Martina Stoye, zuständig für die Kunst Süd- und Südostasiens am Museum, fiebert dem Moment der Eröffnung entgegen. Sie wurde 2008 ans Haus geholt, als man noch optimistisch an eine Eröffnung vier Jahre später glaubte. Wie ihre Kollegen sieht sie den neuen Standort als Chance, um endlich ein breites Publikum zu erreichen. In Dahlem richtete sich die Ausstellung eher an Kenner, Informationen gab es kaum, wer mehr wissen wollte, musste im Katalog nachlesen. Nun besteht für die Kuratoren die Herausforderung darin, in 500-Zeichen-Texten die einzelnen Module zu erklären, auf wenigen Zeilen allgemeine Kontexte – Architektur-, Ritual-, Forschungsgeschichte – zu vermitteln.
Das Narrativ des Museums hat sich vollkommen geändert, erklärt Martina Stoye. War der Parcours früher nach Kunstschulen aufgebaut und sorgte bei Besuchern häufig für Verwirrung, wenn die verschiedenen Religionen durcheinandergerieten, so wird jetzt zugunsten einer besseren Vermittlung etwa die Kunst des Buddhismus als Einheit vorgegestellt. Ein Prachtexemplar in Stoyes Abteilung ist ein zehn Meter hohes altindisches buddhistisches Tor, ein Abguss, der in Dahlem noch vor dem Bornemann-Bau stand.
Im Humboldt Forum knüpft es an die Tradition des Pergamonmuseums mit seiner Monumentalarchitektur an, um einen besonderen Erlebnischarakter zu schaffen. Als Abguss darf das Tor angefasst werden, auch das ein Schritt auf die Besucher zu. Die einstige Wiederentdeckung des Monuments durch europäische Archäologen, die in den Kolonialländern nach ältesten Zeugnissen suchten, hat eine neue buddhistische Pilgerbewegung zur Ausgrabungsstätte in Indien ausgelöst. Auch davon soll in der Ausstellung die Rede sein, in Form eines Videos, das die Gegenwart vor Ort hereinholt.
Die Kuratoren wünschen sich auch nach Eröffnung Raum für Experimente
Auch wenn das Museum dann wohl einmal wie aus einem Guss erscheint, so hofft Martina Stoye, dass sich der Geist des Dahlemer Humboldt-Labs bewahrt, bei dem die Kuratoren nach ihren Visionen befragt wurden und out of the box denken mussten. Damals entwickelte sie zusammen mit einem hinduistischen Tempelpriester aus Britz eine Ritualinstallation, um die religiöse Nutzung der Exponate zu verdeutlichen.
Im Museum für Asiatische Kunst ist Aufbruchstimmung zu spüren. Auch bei Raffael Gadebusch, der gern noch mehr mit zeitgenössischen Interventionen gearbeitet hätte: „Wir stehen in der Tradition des 19. Jahrhunderts und müssen umdenken lernen. Die Zusammenarbeit mit den Ländern, aus denen unsere Objekte kommen, muss sich intensivieren.“ Das Ethnologische Museum hat mit seinen Benin-Bronzen und einer erhitzten Debatte um den rechtmäßigen Besitz seine Versäumnisse deutlich zu spüren bekommen.
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