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Von Schulfreunden zu Weltstars. Jamie Smith, Romy Madley Croft und Oliver Sim (von links) gründeten ihre Band The XX 2005 in London.
© Laura Coulson

Neues Album von the XX: Tanzen statt Trauern

Pop muss schweben: The XX werden mit ihrem dritten Album „I See You“ erwachsen.

Sie waren Teenager, als sie ihr Debütalbum veröffentlichten, aber ihre Musik klang bereits ziemlich erwachsen. Kein Ton zu viel, alles in der richtigen Balance, dieses erste Album von The XX aus London kommt einem heute noch wie ein kleines Wunder vor. Die Band hätte sich gleich nach dieser Platte auflösen können, und doch hätte man sich in 20 Jahren noch an sie erinnert. Erstaunlich ist auch, in wie vielen Fernsehserien und TV-Werbespots ihre Songs auftauchten. Dabei war das doch nur zarter, melancholischer Pop und nichts, wovon anzunehmen war, dass es Massen erreichen könnte.

Das Märchen geht weiter

Am Freitag kommt das dritte Album von The XX heraus, und das Interesse an ihnen ist immer noch riesig. Das Märchen von den drei Freunden, die gemeinsam zur Schule gegangen waren, bevor sie über Nacht zusammen als Band weltberühmt wurden, ist noch nicht zu Ende. Über „Coexist“, ihr zweites Album, das relativ kurz nach dem ersten erschien, zappt man am besten schnell hinweg. Fans und Plattenfirma wollten schnell mehr von diesen magisch schwebenden Popminiaturen des Debüts, in denen Sänger Oliver Sim sich mit Sängerin Romy Madley Croft zu spärlich gesetzten Bassläufen und dezenten Synthiefanfaren am Mikro abwechselt. Die Platte war absolut in Ordnung, nur fiel sie gegenüber dem meisterhaften Debüt doch ziemlich ab.

Nach „Coexist“ zerstreute sich die Band in alle Winde. Vielleicht, weil sie alles gesagt hatten, was zu sagen war. Außerdem mussten drei immer noch sagenhaft junge Menschen ihren gigantischen Erfolg erst einmal verarbeiten. Oliver Sim, der große Blonde mit dem stets perfekt sitzenden Seitenscheitel, arbeitete als Model und lebte weiter in London, Romy Madley Croft machte dies und das in Los Angeles, während Jamie Smith, der schüchterne Blasse, der am liebsten die Kapuze seines Hoodies ganz tief übers Gesicht zieht, als Jamie XX zum superangesagten Dance-Produzenten aufstieg. Er veröffentlichte eine gefeierte Soloplatte, die die Geister der britischen Ravekultur der Neunziger beschwor, die er selbst, 1988 geboren und daher zu jung, nicht erlebt hatte.

Oliver Sim beschreibt die Zeit, in der er und seine beiden Freunde sich von der Band emanzipierten, als nicht einfach. „Es gab Momente, in denen ich dachte, wir fallen auseinander“, erzählt er beim Gespräch im Berliner Soho House. „Im Rückblick macht es mich nicht gerade froh, dass wir uns über eine so lange Zeit hinweg so sehr auseinandergelebt haben. Ich zumindest habe mich ohne meine Freunde ein wenig verloren gefühlt. Aber dann trafen wir uns wieder, arbeiteten zusammen und stellten fest, dass sich nichts zwischen uns geändert hat.“

In Island, New York, Los Angeles, einem Kaff in Texas und in London ist das Album entstanden. „Es war eine bewusste Entscheidung, an verschiedenen Orten aufzunehmen“, sagt Jamie Smith. „Unsere ersten beiden Alben sind isoliert in einem Studio in London entstanden. Das wollten wir diesmal anders machen. Wir wollten raus aus unserer Komfortzone. Wir lebten auch zusammen an den Orten, an denen wir aufnahmen, hörten zusammen jede Menge Musik, betrachteten die herrliche Landschaft. Durch all das waren wir unglaublich inspiriert.“

Zur Politik wollen sie nichts sagen

Als die Band vor zwei Jahren mit der Arbeit an „I See You“ begann, konnte sie noch nichts vom Brexit ahnen. Trotzdem will nun jeder von den drei Musikern hören, was das für sie bedeutete, dieser Weg raus aus dem Brexit-England, rein in die große Weite, um dann am Ende große Teile des neuen Albums im Trump-Amerika aufzunehmen. An dieser Art von Popdiskurs wollen sie sich nicht so recht beteiligen.

„Musik ist für uns das wichtigste auf der Welt“, sagt Jamie Smith. „Musik kann uns einen Moment lang aus der Welt herauskatapultieren. Zur Zeit passiert jede Menge dummes Zeug, davon Abstand zu gewinnen, ist auch etwas wert. Wenn das unseren Hörern dank unserer Musik so gelingt wie uns, ist das wunderbar.“ „I See You“ ist also nicht die Platte gegen den Brexit und Donald Trump, sondern die Musik, um beidem zu trotzen. Als Anleitung zum Eskapismus funktioniert sie hervorragend. Aus der Indiepopband The XX wird mit „I See You“ eine Dancepopband, die Handschrift des DJs und Elektroniktüftlers Jamie XX ist weit deutlicher erkennbar als bei den beiden ersten Alben. Probleme wegzutanzen, das ist jetzt weit eher das Credo von the XX als der Wunsch, länger darüber nachzugrübeln.

Arbeit an der Selbstbefreiung

„Wir hören mehr Musik als je zuvor, vor allem: eine größere Bandbreite an Musik“, erklärt Jamie Smith diesen Wandlungsprozess. „Wir haben die Fesseln, die wir uns selbst angelegt hatten, abgelegt. Beispielsweise hatten wir immer den Anspruch, unsere Musik live so spielen zu können, wie sie auf Platte zu hören ist. Und so zu klingen, wie die Leute denken, dass The XX zu klingen haben. Das ist jetzt vorbei.“ Eine Band findet und erfindet sich neu, das ist auf „I See You“ zu spüren. Toll. Jamie Smith hat jedoch auch recht, wenn er relativierend sagt: „Es ist aber auch ganz normal, dass man jetzt im Alter von 27 Jahren einfach eine andere Musik macht als noch mit 19.“

"I See You" von the XX erscheint am Freitag, 13. Januar, bei Beggars

Andreas Hartmann

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