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Der große Zampano. Hugh Jackman prägt als Zirkuspionier Barnum das Showbusiness.
© 20th Century Fox

Im Kino: Hugh Jackman in "Greatest Showman": Tanz den Tausendsassa

Freaks in der Manege: Das Musical „Greatest Showman“ mit Hugh Jackman erzählt vom Leben des Impresarios P. T. Barnum.

Frauen, zeigt eure Bärte. Schwarze, seid stolz auf eure dunkle Haut. Zwerge, schämt euch nicht eurer Körper. Auch ihr könnt Stars sein. Zumindest hier im Zirkus, wo Sensation nach Sägespänen riecht und die Schaulust und das Staunen zu Hause sind. Da, wo es sich auszahlt, ein Exot, ein Hingucker zu sein und kein stinknormaler Jedermann.

Und weil wir uns im 21. und nicht mehr im muffigen 19. Jahrhundert befinden, hat Regisseur Michael Gracey sein sehr frei das Leben des Schaustellers und Zirkuspioniers P. T. Barnum erzählendes Musical „Greatest Showman" als eine Hymne der Diversität und Selbstermächtigung inszeniert. Songs wie die von einem stampfenden, marschierenden Rhythmus getragene Powerballade „This Is Me“ zielen musikalisch, textlich und choreografisch voll auf die Zwölf. Mit der Version, die Conchita, geborene Wurst, bei der Berliner Silvesterfeier am Brandenburger Tor intoniert hat, feilte 20th Century Fox zum Kinostart am Hitpotenzial der Nummer, das irgendwo hinter „I Am What I Am“ aus „Ein Käfig voller Narren“ liegt. Die stimmgewaltigere Bartfrau ist jedoch Keala Settle in „Greatest Showman“.

Das so schmissige wie schmonzettige Biopic idealisiert den 1810 in Connecticut geborenen Tausendsassa Phineas Taylor Barnum, der mit seinen Methoden als Schausteller und Wanderzirkusdirektor als „Prinz Humbug“ das Showgeschäft und die Werbung revolutionierte – und bis zu seinem Ableben 1891 zur Berühmtheit avancierte, ein Abbild des uramerikanischen Traums.

Vom Schneiderjungen zum Erfolgsimpresario

Die Filmfigur bringt es, als Rückblende inklusive allfälliger Rückschläge zwecks moralischer Läuterung erzählt, vom verwaisten Schneiderjungen zum Erfolgsimpresario, der ein hingebungsvoller Vater, Ehemann und philanthropisch gesinnter Unterstützer der von ihm ausgestellten Ersatzfamilie ist. Das ist nett anzusehen, gerät aber angesichts der windig schillernden Originalfigur und der thematischen Vorläufer wie Tod Brownings Zirkushorrorfilm „Freaks“ oder der HBO-Serie „Carnivàle“ unterm Strich etwas bieder, woran auch der wohlfeile Diversity-Furor nichts ändern kann. Immerhin: Hugh Jackman versteht es, seinem Barnum trotz des holzschnittartigen Drehbuchs Funken von Furcht einzupflanzen. Beispielsweise, wenn ihm im Moment größten Jubels der in Slowmotion gefilmte Horror vacui des Aufsteigers befällt.

So ist auch die knackige Eröffnungssequenz gebaut, in der sich Jackman in Frack und Zylinder im Gegenlicht singend und tanzend seinen Weg von unter der Tribüne bis in die Mitte der Manege bahnt. Ganz bewusst kontrastiert die Regie den von dynamischer Kamera und schnellen Schnitten geprägten Look und den von Michael Jackson, Céline Dion und Bon Jovi inspirierten Allerweltspop des Eröffnungssongs „One Million Dreams“ mit den historischen Kostümen von Zirkusdirektor und Publikum. „Greatest Showman“ will trotz der historischen Kulisse auf Teufel komm raus ein Filmmusical von heute und keineswegs eins von gestern sein. Dass allerdings hat in Baz Luhrmanns hinreißendem Melodram „Moulin Rouge“ besser funktioniert. Da hat Luhrmann in der farblichen Überzeichnung der wie gemalt wirkenden Kulissen deutliche prächtigere Panoramen gefunden als nun Michael Gracey mit P. T. Barnums New York. Auch bei den Ensembleszenen mit reichlich choreografischem Gewimmel bleiben die Räume merkwürdig eng.

Die visuelle Kraft klassischer Filmmusicals

Dass das auch anders geht, zeigen zwei hinreißende Tanzszenen, die ausgerechnet den Zauber und die visuelle Kraft klassischer Filmmusicals beschwören. Die eine ist ein romantischer pas de deux, den der Held und seine von Michelle Williams gespielte Ehefrau Charity als junges, noch in kleinen Verhältnissen lebendes Ehepaar zwischen Wäscheleinen auf dem Hausdach vollführen. Und das andere ist die staunenswert smart in Musik und Tanz überführte Barszene, in der der ausgebuffte Barnum mit Sätzen wie „Zeig mir, wie ich die Intellektuellen kriege“ einen versnobten Theatermacher aus nobler Familie als Juniorpartner anwirbt. Das ist elegant, präzise, doll. Die Tatsache, dass Zac Efron als männlicher Co-Star fungiert, zeigt allerdings, dass den Machern eins klar war: Hugh Jackman, der als Tony-Award-prämierter Musicaldarsteller hier wie 2012 auch in der Kinoversion von „Les Misérables“ in jeder Sekunde überzeugt, ist – verdammt – für den Aufsteigerpart zu alt.

Das scheint auch für Barnums Unterhaltungsform des Wanderzirkusses mit Elefanten zu gelten. Im Mai 2017 brach sein ehedem mit den Ringling Brothers fusionierter Zirkus Barnum and Bailey nach 146 Jahren ein allerletztes Mal die Zeltbahnen ab. Der Grund: Tierschützer-Proteste und sinkende Besucherzahlen. Barnums im Abspann eingeblendetes Credo „Die erhabenste Kunst ist die, andere Menschen glücklich zu machen“ lebt nun im Hollywood-Musical weiter.

Originalfassung: Neukölln Arcaden, Zoo Palast, Original mit Untertiteln: Delphi Lux, Kino in der Kulturbrauerei, Rollberg

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