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Conchita Wurst im Berliner Admiralspalast.
© Eventpress Hoensch

Conchita Wurst live in Berlin: Plaudern und powern

Vor dem Eurovision Song Contest: Conchita Wurst gab im Berliner Admiralspalast das Abschlusskonzert ihrer Tournee.

Der Eurovision Songcontest ist der größte Gesangswettbewerb der Welt. Trotzdem bedeutet ein Sieg nicht automatisch eine große Karriere. An viele Gewinner kann sich schon nach einem Jahr kaum noch jemand erinnern, und selbst eine einst irre populäre Sängerin wie Lena Meyer-Landrut hat mittlerweile den Anschluss ans aktuelle Popgeschehen verloren.

Conchita Wurst hingegen scheint ihren Sieg von 2014 in dauerhaften Erfolg ummünzen zu können. Sie hat seither ein Buch und ein beachtliches Debütalbum veröffentlicht, bei Madame Tussaud steht ihre Wachsfigur und gerade hat sie eine kleine Tour ausverkauft. Zu deren Abschluss ist sie zu Gast im Berliner Admiralspalast, allerdings nicht im schönen Haupthaus, sondern im schnöden Saal unterm Dach des Seitenflügels. Hier gibt es keine Bühne, kaum Light-Show, aber dafür Studiobühnencharme. Auch dass die vier Bandmitglieder mit ihren Bärten und schwarzen Shirts eher wie eine Indierock-Kapelle aussehen (und manchmal auch so klingen), deutet auf einen eher unglamourösen Abend.

Im Powerballaden-Fach ist Conchita Wurst eine Meisterin

Doch dann schreitet die 27-jährige Diva auf hohen Pfennigabsätzen herein und lässt den Laden aufleuchten. Wobei die paillettenbesetzte Jacke, die sie über dem weit geöffneten weißen Hemd trägt, sie nach Kräften unterstützt. Conchita Wurst beginnt mit der unter anderem von Shirley Bassey populär gemachten Ballade „Where Do I Begin“ und lässt mit „Goldfinger“ gleich einen weiteren Hit der britischen Soul-Sängerin folgen. Beide Stücke meistert Conchita Wurst mit großer Leichtigkeit.

Es irritiert ein wenig, dass sie sich offenbar noch nicht zutraut, ein Konzert mit einem eigenen Stück zu eröffnen, obwohl sich in ihrem Repertoire genügend starke Nummern wie „You Are Unstoppable“ und „Heroes“ befinden, die sich perfekt als Auftakt eignen würden. Diese werden in den zweiten Teil verbannt, in dem sie allerdings wunderbar glänzen und die Österreicherin ihre ganze Powerballaden-Meisterschaft ausspielt.

Conchita Wurst redet viel zwischen den Liedern. So erzählt sie, wie Ricky Martin sie an einem Wochenende gleich zwei Mal kontaktierte und sie schon dachte, er wolle sie heiraten. Oder wie Cher ihre Twitter-Gratulation zum ESC-Sieg mit einer blöden Bemerkung („Die Perücke hätte besser sein können“) ruinierte. Das ist amüsant und selbstironisch, wobei man sich fragt, ob die vielen finnischen, polnischen, russischen, englischen und spanischen Fans unter den 455 Gästen, zu denen auch reichlich Berliner Dragqueen-Prominenz zählt, die Pointen alle mitbekommen. Als die Wurst später durch die Reihen geht, um Fragen zu beantworten und sich fotografieren zu lassen, kommen jedenfalls keine Klagen.

Eine größere Band und mehr Glam ständen ihr gut

Es ist sympathisch, dass sich die Sängerin so nahbar gibt, und auch ihre Dankbarkeit für das zahlreiche Erscheinen nimmt man ihr ab. Vielleicht ermutigt sie der Zuspruch ja, in Zukunft ein bisschen mehr zu wagen. Größere Säle, eine größere Band, mehr Kostüme! Das alles stände ihr gut. Auch als Sängerin kann sie sich ruhig noch ernster nehmen. Ihre tremoloverliebte Version von Céline Dions „My Heart Will Go On“ ist zwar ebenso beeindruckend wie ihre nur vom Klavier begleitete Interpretation von Chers „Believe“. Doch mehr eigene Lieder könnten ihr Profil weiter schärfen. Sie hat ja bereits tolles Material, darunter die prima House-Pop-Nummer „Firestorm“ und das zum Grand Finale gespielte, immer noch fantastische „Rise Like A Phoenix“. Wenn sie im Sommer tatsächlich „zwölf neue Welthits“ schreibt, wie sie zum Abschied sagt, sollte bei der nächsten Tour ein komplettes Wurst-Programm drin sein.

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