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Fragiles Trio. Lena Paugam, Stanislas Merhar und Clothilde Courau (von links).
©  Schwarzweiss Filmverleih

Als wär's die Nouvelle Vague: "Im Schatten der Frauen": Statt der Liebe

Ein Kino-Juwel in Schwarzweiß: „Im Schatten der Frauen“ von Philippe Garrel ist eindeutig von heute - und zugleich ganz Nouvelle Vague.

Wie wunderbar wahnsinnig altmodisch das alles. Gedreht in Schwarz-Weiß, 35 Millimeter und Cinemascope! Inneneinrichtungen wie in Studentenbuden aus dem mittelspäten 20. Jahrhundert, Klamotten wie aus einer anonym konventionellen, sehr vergangenen Moderne! Dann die Fixierung auf Liebesangelegenheitskomplikationen mit Drei- oder allenfalls Vierecksgeschichten wie beim mittleren Rohmer, dazu ein Paris fast wie beim früheren Truffaut! Wenn da, geparkt an schmalen Straßenrändern, die verdammt neuzeitlichen Autos nicht wären.

Tatsächlich lädt Philippe Garrels „Im Schatten der Frauen“, 73 Minuten kurz und schön konzis, zur Zeitreise, ein gefühltes halbes Jahrhundert zurück. Seit Ende der sechziger Jahre dreht der 1948 geborene Außenseiter des französischen Kinos alle paar Jahre einen neuen Film, aber zu Kinostarts hat es in Deutschland seit Menschengedenken nicht mehr gereicht. Nun aber macht ein couragierter Verleih einen neuen Versuch, den zuletzt immer wieder von Top-Festivals wie Cannes und Venedig hofierten Nachläufer der Nouvelle Vague auch hierzulande bekannt zu machen – und immerhin ist „Im Schatten der Frauen“ alles andere als spröde, was man durchaus nicht von jedem Garrel-Film sagen kann.

Manon liebt Pierre ist verliebt in Elisabeth

Pierre (Stanislas Merhar), ein nicht mehr ganz junger, noch nicht recht entdeckter Dokumentarfilmer, lebt mit seiner Frau Manon (Clotilde Courau) in prekären Verhältnissen. Sie begleitet ihn bei Rechercheinterviews und arbeitet als Cutterin an seinen Projekten, leidet aber an seiner wachsenden Lust zur Isolation. Eines Tages lernt Pierre die Studentin Elisabeth (Lena Paugam) kennen, die als Praktikantin in einem Filmarchiv arbeitet, und stürzt sich in eine monatelange, seinerseits ganz auf die Sexualität fixierte Affäre. In dieser Zeit beginnt auch Manon, eher trostweise, ein Verhältnis, beendet es aber sofort, als Pierre davon erfährt und ihr, ganz betrogener Ehemann, prompt eine Szene macht.

Das groteske Missverhältnis zwischen der Wahrnehmung eigenen und fremden Verschuldens: Natürlich hat es, zumindest für den unbeteiligten Betrachter, massiv komisches Potenzial. Zumal Pierre die Untreue des Mannes offenbar als naturgegeben betrachtet, wie ein von Louis Garrel, dem Schauspieler und Sohn des Regisseurs, gesprochener Off-Kommentar suggeriert. Auch dass er Manon sein eigenes Fremdgehen eingestehen muss, ändert daran nichts. Bei solchem Stand der Persönlichkeitsentwicklung bleibt Pierre wohl nichts anderes, als die Ehe erst mal kindisch aufzukündigen.

Schöner Beziehungsschlamassel

Philippe Garrel, der die Grundidee zu „Im Schatten der Frauen“ mit den Autorinnen Arlette Langmann und Caroline Deruas entwarf und die Ausarbeitung des Drehbuchs Jean-Claude Carrière anvertraute, will ausdrücklich einen Film gedreht haben, der „die weibliche Figur gegen die männliche Figur verteidigt“. Dafür spricht manches – bis an die Grenze der Idealisierung. Pierre ist ein zwar gutaussehender, aber vollversteinerter Typ, dessen Verhalten nicht gerade geeignet ist, irgendjemandes Liebe zu entzünden. Beide Frauenfiguren dagegen, hinreißend bei ihren Darstellerinnen aufgehoben, verhalten sich offen, direkt, in jeder Situation klar, leidenschaftlich, verletzlich. Zwei kaum halbminutenlange Szenen, in denen die Kamera auf Couraus und Paugams ungemein wandlungsfähigen Gesichtern verharrt, belegen das auf atemberaubende Weise.

Allerdings macht der Regisseur, wie er in einem dem Pressematerial beigegebenen Interview bekundet, aus seiner letztlich männlichen Perspektive keinen Hehl. Die dramaturgische Lösung jedenfalls, die der Film nach allem Beziehungsschlamassel anbietet, ist eher frühmittleres 20. Jahrhundert. Am besten, man findet sie charmant.

In Berlin im Filmtheater am Friedrichshain, Passage und Yorck; OmU im Cinema Paris, City Kino Wedding und fsk am Oranienplatz

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