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Die Mitglieder von N.W.A. und die Polizei.
© Universal

Hip-Hop-Film "Straight Outta Compton": Der Funk der Gangster

Die Stadt, der Sound und die Polizei: der Hip-Hop-Film „Straight Outta Compton“ erzählt vom Aufstieg und Fall der Band N.W.A und dem Leben ihrer Mitglieder Eazy E, Dr. Dre und Ice Cube.

Als vor knapp drei Jahren der junge, in Compton, L.A. geborene Rapper Kendrick Lamar sein Debütalbum „Good Kid, m. A. A. d. City“ veröffentlichte, erinnerte er damit an einen der problematischsten, verrufensten, von Bandenkriegen heimgesuchten Bezirke von Los Angeles – und wie schwer es ist, diesem als junger Schwarzer unbeschadet zu entkommen. Er sang zudem jedoch heroisierende Zeilen wie „Compton, ain’t no city quite like mine“ und stellte sich musikalisch in die Tradition der goldenen Ära des Westküsten–Hip-Hops mit Musikern und Rappern wie Dr. Dre oder Snoop Dogg, 2Pac oder The Game. Compton mag zwar nach wie vor ein Problembezirk mit hoher Kriminalitätsrate sein, einer, in dem im Übrigen inzwischen viel mehr Latinos und Hispanics als Afroamerikaner wohnen. Der Bezirk ist aber auch ein Pop-Mythos, versehen mit dem Glamour des Kaputten.

Kendrick Lamars Album kann man insofern als Teil einer popkulturellen Historisierung verstehen, die dieser Tage intensiv vorangetrieben wird. Zum einen mit dem dritten offiziellen Album von Kendrick Lamars Mentor, dem WestcoastHip-Hop-Großproduzenten Dr. Dre, schlicht und zielsicher „Compton“ betitelt. Und zum anderen mit dem von Dr. Dre mitproduzierten Film „Straight Outta Compton“, der Dre entscheidend zu seinem Album inspirierte. Allerdings ist dieses eine zum Teil öde Leistungs- und Werkschau, mit Auftritten vieler einstiger und aktueller Westcoast-Größen.

„Straight Outta Compton“ handelt davon, wie Compton zur Hip-Hop-Hauptstadt, der Bezirk zum Mythos wurde. Der Film erzählt die Geschichte einer Band, der Hip-Hop-Crew N.W.A. (abgekürzt für "Niggaz Wit Attitude"), von ihrer Gründung über den Aufstieg bis zu ihrem Auseinanderbrechen. Dabei stehen natürlich die drei prominentesten N.W.A.-Mitglieder im Zentrum des Geschehens: Eazy-E, der 1995 an den Folgen einer HIV-Infektion starb, Ice Cube, der heutzutage vor allem als Schauspieler arbeitet. Und besagter Dr. Dre, seit dem Verkauf seiner Kopfhörer-Marke Beats an Apple neben Jay-Z der erfolgreichste Hip–Hop-Geschäftsmann aller Zeiten.

"Fuck the Police" war die Hymne von N.W.A. - und stand auf dem Index

Zweieinhalb Stunden ist der von F. Gary Gray inszenierte Film lang, unter anderem mit Ice Cubes Sohn O’Shea Jackson als junger Ice Cube sowie Corey Hawkins als Dr. Dre und Jason Mitchell als Eazy-E. Erstaunlicherweise hat man nie den Eindruck, dass diese zweieinhalb Stunden zu lang sind. Was wohl auch daran liegt, dass N.W.A. nicht einfach nur eine Band waren, sondern ein Politikum. Wie ihr Kollege Chuck D. von der New Yorker Hip-Hop-Band Public Enemy verstanden sie ihre Musik als „CNN der Schwarzen“. „Fuck The Police“ hieß das Stück, mit dem sie auch das FBI auf den Plan riefen, mit der Folge, dass weder dieses Stück noch ihr Album „Straight Outta Compton“ von den Radiostationen oder von MTV gespielt wurde, was wiederum Album und Band noch größer und erfolgreicher werden ließ.

Immer wieder sieht man in dem Film, zunächst arg plakativ, wie die Bandmitglieder polizeilicher Willkür ausgesetzt sind. „Fuck The Police“ entsteht nach einer Polizeimaßnahme vor dem Studio der Band, die der Film bewusst quälend lang in Szene setzt, auch ein schwarzer Polizist ist dabei. Und danach sieht man, wie N.W.A. das Stück trotz Verbots auf Konzerten spielen und sie, bei aller künstlerischen Entwicklung, bei aller Gier nach Geld und Ruhm, politisch zunehmend sendungsbewusster werden.

Dies wird unterstrichen mit realen Fernsehbildern von der Festnahme Rodney Kings. Der junge Schwarze war 1991 nach einer wilden Verfolgungsjagd durch L.A. von drei weißen Polizisten brutal zusammengeschlagen. worden. Deren Freispruch löste ein Jahr später schwere Rassenunruhen aus, was hier ebenfalls mit einfließt. Obwohl „Straight Outta Compton“ ein klassisches Biopic ist, das sich letztendlich nur einem Ausschnitt der Popgeschichte widmet, schlägt es so natürlich einen Bogen in die Gegenwart von Detroit bis Ferguson und beansprucht eine gewisse Aktualität.

Der Film schlägt einen Bogen in die Gegenwart, man denke nur an Ferguson

Die große tragische Figur des Ganzen ist Eazy-E, nicht nur wegen seines frühen Todes, auf den der Film mitunter tränenselig hin erzählt wird. Während erst Ice Cube und schließlich Dr. Dre die Band verlassen, weil sie sich von Eazy-E und vor allem dem weißen Manager von N.W.A., Jerry Heller, finanziell übervorteilt fühlen, glaubt Eazy-E viel zu lange an die ehrlichen Absichten Hellers und später an eine Reunion mit den alten Weggefährten, die schon erfolgreiche Unternehmer in eigener Sache sind. Geschickt bleibt Regisseur Gray bezüglich des Endes der Band und den Gründen dafür im Vagen. Auch Heller (Paul Giamatti) ist eine ambivalente, nicht durch und durch böse Figur, im Gegensatz zum späteren Kompagnon von Dr. Dre, dem Death-Row-Labelgründer Suge Knight (der heute tatsächlich im Gefängnis sitzt, weil er am Set von „Straight Outta Compton“ zwei Menschen über den Haufen gefahren hat, einen tödlich).

Es ist überhaupt ein Vorzug dieses Films, dass er Zwischentöne zu setzen weiß, er Ambivalenzen zulässt: Der Goldkettenschwachsinn, die Waffennarreteien, das Gangster-Getue, alles drin. Und dass seine Protagonisten keine Feministen sind, wer hätte das gedacht?, wird auch deutlich. Frauen sind hier Party-Accessoires, und später, als die Helden einigermaßen bürgerlich werden, die braven Gefährtinnen an der Seite ihrer Männer.

Ohne dass übertrieben ins Detail gegangen wird, überstrahlt gegen Ende hin Dr. Dres erstes Soloalbum „The Chronic“ alles andere, haben plötzlich auch Snoop Doggy Dog und Tupac Shakur ihre ersten Auftritte im Umfeld und Studio von Dre. Gerade das Erscheinen dieser beiden Rapper verweist darauf, dass mit dem Auseinanderbrechen von N.W.A und dem Tod von Eazy-E (dem der Film gewidmet ist) die Erfolgsgeschichte des Westcoast-HipHop eigentlich erst richtig beginnt. Und es in Folge weitere schlimme dramaturgische Höhepunkte gab: Tupac Shakur alias 2Pac kam im September 1996 bei einem Drive-By-Shooting zu Tode, genauso wie ein paar Monate später sein vermeintlich ärgster Widersacher von der Ostküste der USA, der schwergewichtige Rapper Notorious B.I.G.

Die Geschichte des Gangster-Raps, seiner Inszenierung in der Kunst, seines Widerhalls im wahren Leben („Keep it real“ war so ein gängiger Ausdruck), sie ist jedenfalls noch nicht zu Ende erzählt. „Straight Outta Compton“ dürfte da nur den Anfang gemacht haben.

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