„Peanuts“-Zeichnerin Vicki Scott im Interview: Snoopy startet durch
Die Amerikanerin Vicki Scott haucht den „Peanuts“ neues Leben ein. Nicht jedem gefällt das. Jetzt war die Zeichnerin zu Besuch in Deutschland und sprach über ihre Arbeit und ihren Umgang mit kritischen Rückmeldungen.
Was hat sie sich nicht alles für Vorwürfe anhören müssen. Sie vergehe sich mit ihrem Team an amerikanischem Kulturgut. Sie ignoriere den Wunsch des „Peanuts“- Schöpfers Charles M. Schulz, nach seinem Tode keine neuen Geschichten mit Snoopy, Charlie Brown und ihren Freunden zu veröffentlichen. Die inzwischen fünf Bücher von Vicki Scott und ihrem Team, in denen ebendiese Comicfiguren in neuen Episoden fröhlich über die Seiten hüpfen, seien ein Sakrileg.
„Jaja, das höre ich immer wieder“, sagt die 52-jährige Amerikanerin und lacht, wie noch oft während des Gesprächs. Und dann beteuert sie, wie sehr sie die Figuren liebt, wie sehr sie die Arbeit des vor 15 Jahren gestorbenen Schulz respektiert und wie sie ihre Zeichnungen nach seinem Vorbild zu formen versucht. Und außerdem habe Schulz ja nur verfügt, dass der Peanuts-Zeitungsstrip mit seinem Tod enden möge. „Aber wir machen Bücher“, sagt Scott, „die Zeitungsstrips sind heiliges Schulz-Territorium.“ So erklärt sie es bei fast jedem öffentlichen Auftritt immer wieder aufs Neue – und hat dabei schon so manchen Kritiker milde gestimmt hat, wie sie sagt.
„Das Schwierigste sind die Augen“
Jetzt war die jugendlich wirkende Zeichnerin mit den schulterlangen blonden Haaren und den vielen Sommersprossen in Deutschland zu Besuch. Auf dem Comicfestival München, das am Sonntag endete, präsentiert sie ihre Arbeiten in einer kleinen Ausstellung – und gab Workshops. Da lernen Gruppen von jungen und auch ein paar älteren Zeichnern, dass der Kopf des Hundes Snoopy tatsächlich am Anfang eine Peanut ist, eine Erdnuss, zumindest wenn man ihn in der Frontalansicht zeigt. „Von der Seite muss man ihn eher wie eine Achterbahn zeichnen“, erklärt Scott, während sie mit einem dicken Edding den Comic-Beagle auf eine Flipchart-Tafel zeichnet.
Das Schwierigste an den Figuren? „Bei Charlie Brown ist das die Platzierung der Augen im Gesicht – und drum herum die richtigen Freiräume zu lassen.“ Und dann wirft sie mit wenigen Punkten und Strichen ein Porträt des ewigen Pechvogels aufs Papier: Traurig, ernsthaft und fragend schaut er drein, als habe ihm die temperamentvolle Lucy gerade ein weiteres Mal den Football weggenommen, bevor er ihn treten konnte.
Wilde Verfolgungsszene von Snoopy und Linus
„Diese Figuren waren in meiner Kindheit wie Brüder und Schwestern für mich“, erzählt Vicki Scott. Täglich las sie die Strips in der Zeitung, in vielen Episoden habe sie sich wiedererkannt. Später machte sie dann eine Ausbildung als Animationsfilmerin und arbeitete einige Jahre als Werbezeichnerin für „Garfield“-Erfinder Jim Davis. Als sie und ihr ebenfalls als Zeichner und Animationsfilmer arbeitender Mann Bob vor ein paar Jahren von den Peanuts-Rechteverwaltern den Auftrag bekamen, ein Comicbuch zu dem neuen Peanuts-Zeichentrickfilm „Happiness Is a Warm Blanket, Charlie Brown“ zu machen, ging für Vicki Scott ein Traum in Erfüllung, wie sie sagt. „Seine Figuren haben so viel Charakter, dass es eine Freude ist, sie in die Gegenwart zu holen.“
Dass Scott und ihr insgesamt neunköpfiges Team zumindest zeichnerisch tatsächlich bemerkenswert nah am Original sind, kann man im kürzlich im Verlag Cross Cult auf Deutsch veröffentlichten dritten Buch der neuen Peanuts-Reihe, „Beste Freunde“, besonders gut sehen: Da stehen alte Schulz-Strips neben neuen Kurzgeschichten, die vom Strich her am ehesten mit Schulz’ Arbeiten aus den 1960er und 70er Jahren vergleichbar sind und dadurch eine leicht nostalgische Note erhalten. Inhaltlich sind die neuen Geschichten allerdings oft weniger pointiert und tiefgründig als die Originale.
„Wir halten uns so nah wie möglich an Schulz’ Vorbild – aber durch die Arbeit wird mir noch mal klarer, was für ein genialer Erzähler Schulz war“, sagt Scott selbstkritisch. „Er schafft es, so viel Humor und Bedeutung in nur vier Bildern zu vermitteln, wir brauchen dafür viel länger.“ Die größten Freiheiten nimmt sich Scott bei der Aufteilung der Seiten: Da das Buchformat ihr erlaubt, sich von Schulz’ strenger Panelstruktur zu lösen, fliegen Figuren da in der 100-Seiten-Erzählung „Auf zu den Sternen, Charlie Brown!“ schon mal auf ganzseitigen Bildern durchs All, und in „Beste Freunde“ gibt es eine wilde Verfolgungsszene von Snoopy und Linus, die sich gleich über mehrere Seiten erstreckt.
„Ich hätte Angst, er könnte es nicht mögen, was wir hier tun.“
Inhaltlich gibt es allerdings klare Regeln der Schulz-Erbverwalter: Scott und ihr Team dürfen keine neue Figuren erfinden, sie dürfen keine Erwachsenen zeigen – und Charlie Brown wird es auch unter Vicki Scott niemals schaffen, endlich den Football zu treten. Ansonsten gewähren die Nachlassverwalter ihr aber inzwischen weitgehend freie Hand, erzählt die Zeichnerin. „Die sagen mir meist nach dem Erscheinen eines neuen Buches, was ihnen gefallen hat und was nicht – sie sind schon genug mit ihren anderen Projekten beschäftigt.“
Die größte Aufmerksamkeit dürfte den Comicfiguren in diesem Dezember beschert werden: Da soll ein 3-D-Animationsfilm mit den Peanuts ins Kino kommen, was vielen Anhängern der klassischen Strips noch mehr Sorgen macht als die Comic-Fortsetzung. „Ja, da gibt es bei den eingeschworenen Fans viele Ängste“, sagt Scott. Sie selbst sei vor allem gespannt, mehr als ein paar Werbebilder habe sie allerdings bislang auch nicht gesehen. Und das, obwohl sie selbst gerade an einem Buch zeichnet, das zeitgleich zum Film erscheinen soll und in dem Snoopy – wie offenbar auch im Film – einen großen Auftritt als Flieger-As des Ersten Weltkriegs hat. Dafür hat Scott nur wenige Wochen Zeit, deswegen hat sie ihren Zeichenblock mit nach Deutschland genommen: Im Flugzeug hat sie auf dem Weg von Los Angeles nach München viele Seiten skizziert, ganz klassisch mit Bleistift und nicht auf dem Grafiktablett am Computer, wie viele jüngere Kollegen es bevorzugen. In ihrem Münchener Hotelzimmer arbeitete sie dann jeden Abend an den Feinheiten.
Charles M. Schulz selbst ist sie zu seinen Lebzeiten übrigens nie begegnet. „Ich würde ihn auch nicht treffen wollen“, sagt sie. Wieso das? „Ich hätte Angst, er könnte es nicht mögen, was wir hier tun.“
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