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Gückliches Trio. Die Leipzig-Preisträger Jan Wagner (links), Mirjam Presseler und Philipp Ther.
© Hendrik Schmidt/dpa

Die Preise der Leipziger Buchmesse: Sieg für das Gedicht

Premiere: Erstmals geht der Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse an einen Lyriker. Jan Wagner wird für seinen Gedichtband "Regentonnenvariationen" geehrt. Philipp Ther erhält für "Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent" den Preis für das beste Sachbuch.

Man müsste jetzt eigentlich von einer Überraschung sprechen: Der Lyriker Jan Wagner gewinnt den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik für seinen Gedichtband „Regentonnenvariationen“ . Ein Novum in der inzwischen elfjährigen Geschichte dieses Preises. Doch eine gewisse Verblüffung hatte es vorher schon gegeben, eben weil der 1971 geborene und in Berlin lebende Wagner als Lyriker überhaupt nominiert worden war. Weil eine Jury auf den Gedanken gekommen war, der ja schon lange ins Auge stechenden Ausgrenzung der Lyrik bei diesem Preis ein Ende zu bereiten und ihr eine größere Aufmerksamkeit zu verschaffen. (Andererseits, was man im Vorfeld gehört hatte: Wagner war überhaupt der einzige Autor, der von den Verlagen mit einem Gedichtband eingereicht worden war).
Und so ist es dann nur konsequent, dass die Jury ihn schlussendlich auch ausgezeichnet hat, denn was hätte diese ungewöhnliche Nominierung sonst für einen Sinn gehabt? Nur mal so ein bisschen Aufmerksamkeit für die oft im Aufmerksamkeitsdefizit siedelnde Lyrik ist zu wenig: wenn schon, denn schon. So bedauerlich das gerade für den Prosaschriftsteller – und auch Lyriker – Norbert Scheuer ist, der mit seinem wunderbar poetischen Vogel- und Afghanistankriegs-Roman „Die Sprache der Vögel“ eigentlich mal dran gewesen wäre, einen solch großen Preis zu gewinnen. Schon 2009 hatte er mit seinem Roman „Überm Rauschen“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises gestanden und gar als Geheimfavorit gegolten, war dann aber leer ausgegangen.

Zugänglich und raffiniert

Mit Jan Wagner trifft es freilich einen der talentiertesten Lyriker des Landes, einen, der in seinen Gedichten genauso zugänglich ist, wie er sich auf Sprachvielfalt und Raffinesse versteht. Er ist ein Virtuose der Form, der sich selbst am Ton des Mittelalterlichen elegant erprobt und dem es schon gelungen ist, an Idole wie Dylan Thomas und Elizabeth Bishop sprachlich anzuknüpfen. Und: Jan Wagner schreibt im wahren Sinn des Wortes schöne Gedichte, manchmal fast zu schöne. In jedem Fall kann sein bisheriges Werk als guter Einstieg in die Lyrik überhaupt gelten – zumal nun, wie Wagner in seiner kurzen Dankesrede die Hoffnung zum Ausdruck brachte, durch diesen Preis „mehr Licht auf die in der Tat reichhaltige Lyrikszene“ in Deutschland fallen sollte. Die „Regentonnenvariationen“ passen da bestens auch zur Logik dieses Preises, der ja nicht zuletzt Bekanntes noch bekannter machen möchte. Und auch das Paria-Dasein gegenüber den Prosa schreibenden Kollegen dürfte nach dieser Verleihung vielen Lyrikern zumindest nicht mehr ganz so übel aufstoßen.

Überraschungsarm die weiteren Preise

Wie die Wahl von Jan Wagner also fast etwas Erwartbares hatte, waren die Verleihungen in den Kategorien Übersetzung und Sachbuch/Essayistik ebenso konsequent und überraschungsfrei. Malen nach Zahlen auf der Leipziger Buchmesse gewissermaßen, Preise, die in die Zeit und zur Messe passen, womöglich gar aus Gründen der politischen Korrektheit vergeben wurden. Denn natürlich ist es gerade Philipp Thers Buch „Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europas“, das man jetzt lesen sollte, mit dem Krieg in der Ostukraine und Russlands Old-School-Geopolitik und imperialem Machtstreben im Hintergrund sowie dessen Auswirkungen für Westeuropa. Ther, der mehrere Jahre in Tschechien, Polen und der Ukraine lebte, hat mit seiner Studie eine umfassende und gut zu lesende zeithistorische Analyse der Zeit seit 1989 vorgelegt. In seinem Fokus stehen dabei insbesondere die neoliberalen Umwälzungen in den osteuropäischen Ländern; die allumfassende Privatisierung und Liberalisierung, die dort alles andere als sanft, sondern meist holterdipolter stattfand – und die Frage, wie dieser Prozess sich nicht zuletzt auf die Okönomien in Westeuropa ausgewirkt hat.

Im Fall des Übersetzungspreises trägt die Verleihung an Mirjam Pressler für ihre Übertragung von Amos Oz‘ großartigem, den ewigen Nahostkonflikt genauso exakt bezeichnenden wie die Geschichte und die Missverständnisse zwischen Christen- und Judentum auf den Punkt bringenden Roman „Judas“ fast die Züge einer Choreografie: Israels Literatur, die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel bilden den aktuellen Messeschwerpunkt in Leipzig, aus Anlass der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland vor genau 50 Jahren. So geht der Romancier Amos Oz schließlich gemeinsam mit Pressler auf die Bühne, um die Preisurkunde für sie mit in Empfang zu nehmen. Er sagt, Übersetzungen seien wie ein Violinkonzert auf dem Piano zu spielen, und bittet deshalb um erneuten Applaus für die „Pianistin“ Mirjam Pressler (für die diese Auszeichnung eine Art Würdigung für das Lebenswerk bedeuten dürfte). Die Jury hatte diese Schwierigkeiten wohl nicht, schließlich begnügte sie sich in diesem Jahr damit, mit den Fingern auf einer vorgegebenen Klaviatur zu spielen. Und daran ist ja auch nichts Ehrenrühriges.

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