Ausstellung im Bröhan-Museum: Sieben Designer sollt ihr sein
Anpfiff für die angewandten Künste: Das Bröhan-Museum zeigt das Spiel „Deutschland gegen Frankreich – im Kampf um den Stil 1900–1930“.
Kaum ein Berliner Museum hat sich in den letzten Jahren so grundlegend verwandelt wie das Bröhan-Museum. Mit seinem frischen Programm reizt der Direktor Tobias Hoffmann die Bezeichnung seines Hauses – Landesmuseum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus – voll aus. Er erweitert gezielt die Sammlung und wird dabei offenbar von einem aktiven Freundeskreis unterstützt. Die Organisationsform als Stiftung erlaubt es, aus den Einnahmen neue Objekte anzukaufen, sodass hier zunehmend ein lebendiger Ort für das an Design interessierte Publikum entstanden ist.
Die amüsante Ausstellung „Deutschland gegen Frankreich – Der Kampf um den Stil 1900–1930“ bietet jetzt den Besuchern die Gelegenheit, die Neuerwerbungen zu bewundern. Zugleich profitiert die Schau davon, dass der Namensgeber des Museum, der Mäzen Karl H. Bröhan, grenzübergreifend sammelte. Ein Drittel der Schau stammt aus den Beständen, ein Drittel von Leihgebern und ein weiteres Drittel sind Neuerwerbungen der vergangenen zwei Jahre.
„Deutschland gegen Frankreich“ geht spielerisch mit dem Wettbewerb der Gestalter um. Die Designszenen reagierten zu einer Zeit aufeinander, als sich die beiden Länder spinnefeind waren. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, als Elsass und Lothringen ans Deutsche Reich fielen, flohen etliche Kunsthandwerker über die neue Grenze nach Frankreich, ließen sich in Nancy nieder und gründeten 1901 die Ecole de Nancy. Eine Vitrine mit bunt verzierten Vasen präsentiert diesen floralen Stil der lothringischen Glaskünstler wie ein Blumenfeld. Auch an den Möbeln ranken sich Pflanzen die Kanten entlang, Blüten schmücken die Ecken.
Zentrum und Peripherie in Paris und Berlin
Die Unterschiede zwischen deutschen und französischen Entwürfen klingen wie ein Klischee. Während die französischen Designer ihre Objekte mit vegetabilem Dekor verschnörkeln, legen ihre deutschen Kollegen die technische Herstellung offen. Hector Guimard entlehnt die Formen für die Pariser U-Bahn den Parks und Gärten der Stadt. In Berlin orientieren sich die Architekten Alfred Grenander und Bruno Möhring an der Ästhetik des Stahlwerks. Träger und Nieten sind deutlich zu sehen. Möhring lässt bei den Möbeln in seinem Arbeitszimmer sogar das Holz bronzefarben lasieren.
Berlin war zu dieser Zeit künstlerische Peripherie, Paris das Zentrum der Moderne. Diese Vorrangstellung wurde noch gefestigt durch die Weltausstellung 1900. Deutsche Gestalter wie Hans Christiansen pilgerten in die französische Hauptstadt und kamen inspiriert zurück. Eine der schönsten Neuerwerbungen ist Christiansens Spiegelvitrine aus einem Damenzimmer. Die Formen sind klar und geradlinig, dabei aber zierlich. Die Spiegel unterstreichen die elegante Leichtfüßigkeit des Objekts.
Zwischen Luxusvorstellungen und Massenproduktion
Hans Christiansen gehörte zu den Mitgliedern der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt. Schon 1901 forderten die sieben Designer dort unter Leitung des Wiener Architekten Joseph Maria Olbrich mit der Schau „Ein Dokument Deutscher Kunst“ die Grande Nation heraus. Während in Darmstadt der Jugendstil weihevoll aufgeladen wurde, verstand sich die Art Nouveau in Frankreich rein ästhetisch. Und noch ein weiterer Unterschied zieht sich durch die Epoche: in Frankreich orientieren sich die Entwürfe an den Luxusvorstellungen des Großbürgertums. In Deutschland experimentieren die Künstler früh mit Möbeln für die Massenproduktion.
Der Zufall bescherte dem Bröhan-Museum als schönes Beispiel ein ganzes Ensemble von August Endell. Der Architekt, der am Bau der Hackeschen Höfe beteiligt war, entwarf um 1900 die Innenausstattung für das reformmedizinische Sanatorium in Wyk auf der Nordseeinsel Föhr. Schrank, Waschtisch, Kleiderständer wurden von den Dresdner Werkstätten gefertigt. Schlicht, aber schwungvoll variieren die Fronten das Wellenmotiv. Erst jüngst wurden die Möbel auf dem Speicher des Landratsamtes Husum wiederentdeckt. Jetzt steht die Gruppe als Schenkung der Stiftung Nordfriesland in Charlottenburg.
In Berlin dachte Bruno Paul über Typenmöbel nach, Peter Behrens erfand für die AEG eigene Formen für neue Geräte. Ein noch ziemlich ungelenk anmutender Heizstrahler lässt die tastende Suche nach einem geeigneten Design für Elektro-Technik erahnen.
Die Deutschen verpassten die Geburtsstunde des Art Déco
Besonders ernst nahmen die Franzosen die nüchterne Industrieoptik der Deutschen zunächst nicht. Erst die Münchner Ausstellung 1908 brachte Zunder in den Wettkampf. Pariser Kritiker klagten über das „kommerzielle Sedan“, als sie die Produkte der Münchner Werkstätten sahen. Zwei Jahre später wurden diese zur Revanche nach Paris eingeladen. Da schwankten die Reaktionen allerdings. Maliziös kommentierten die Beobachter, dass das deutsche Ausstellungsteam pünktlich mit dem Aufbau fertig war, während die eigenen Dekorateure die Nacht durcharbeiteten. Das Pariser Publikum vermisste aber den Esprit. „In dieser strengen Bibliothek sickert die Langeweile aus traurigem Gemäuer“, dichtete der Kunstkritiker Louis Vauxcelles.
Nach dem Ersten Weltkrieg verpassten die Deutschen 1925 die Geburtsstunde des Art Déco in Paris, weil sie als ehemalige Kriegsgegner zu spät eingeladen worden waren. Da dachten aber besonders die Bauhäusler längst über eine noch radikalere Sachlichkeit nach. Die deutschen Architekten sahen vor allem in der Ausstattung der entstehenden Arbeitersiedlungen ihre Herausforderung.
Zu den Neuzugängen im Bröhan-Museum zählt auch ein Konvolut aus dem Neuen Frankfurt. Darunter eine der berühmten Einbauküchen von Margarete Schütte-Lihotzky, mit ausklappbarem Bügelbrett, Glasbehältern für Lebensmittel und brillant konzipierten kurzen Wegen. Ein Paradebeispiel des Funktionalismus. Die Präsentation des Deutschen Werkbunds 1930 in Paris stützte schließlich auch dort die Künstler der Moderne, die sich wie Le Corbusier gegen die Üppigkeit des Dekors positionierten. Doch damit endete vorerst die Serie der Freundschaftsspiele.
Bröhan-Museum, Schlossstraße 1 a, bis 11. 9.; Di bis So 10–18 Uhr
Simone Reber
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