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Da ist noch alles in Ordnung. Die Mitbewohner in „Kollektivet“.
© Berlinale

„Kollektivet“ auf der Berlinale: Sie oder ich oder wir oder was?

Netter Etikettenschwindel: Thomas Vinterbergs Film  "Kollektivet" im Berlinale-Wettbewerb erzählt von einer ganz gewöhnlichen Ehekrise. Die WG-Story dazu ist nur Kulisse.

Erstens: Der deutsche Verleihtitel „Die Kommune“ (Kinostart 21. April) führt in die Irre. Eine Kommune, jedenfalls im landläufigen Sinn mit irgendwie linksgestrickter Anarchie und freier Liebe und so, ist das hier nicht. Wofür allerdings der Däne Thomas Vinterberg nicht kann, hat er seinen Film doch „Kollektivet“ genannt, zu Deutsch „Das Kollektiv“ – wenig überraschend, aber auch weniger sexy.

Zweitens: Es geht in diesem Film, in dem zeitweise acht Erwachsene, ein 14-jähriges Mädchen und ein kleiner herzkranker Junge zusammenwohnen, auch nur sehr bedingt um ein Kollektiv. Gut, die Insassen des 450 Quadratmeter Wohnfläche fassenden Hauses kochen reihum, führen eine gemeinsame Bierkasse und halten bei reichlich Rotwein regelmäßig Hausversammlungen ab. Nur auch das, was man - zeitgemäßer - Wohngemeinschaft nennen könnte, ist in diesem Film bloß Kulisse.

Die uralte Frage: Sie oder ich?

Drittens: „Kollektivet“ erzählt vor allem von einer hundsgemeinen Kleinfamilie, die bald ein hundsgemeines Problem hat. Papa Erik (Ulrich Thomsen) hat das große Haus geerbt und will es am liebsten verkaufen. Mama Anna (Trine Dyrholm) lädt Freunde und Bekannte zum Mitwohnen ein, und Tochter Freja (Martha Hansen) findet das erst mal ganz schön. Dann aber hat Erik eine Neue, die Studentin Emma (Helena Reingaard Neumann). Und alsbald stellt sich, Lebensexperiment hin oder her, die uralte Frage: Sie oder ich?

Auch wenn hier durchweg blank geputzte Oldtimer aus den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern durchs Bild rollen: Die Geschichte soll Mitte der siebziger Jahre spielen – schließlich ist, einzig politischer Hinweis, der Vietnamkrieg gerade zu Ende. Mit aller soziologischer Vorsicht behauptet: Auch damals schon dürfte die Bereitschaft eines Ehepaars mit bereits halbwüchsiger Tochter, er Architekturdozent Anfang 50, sie Fernsehnachrichtensprecherin Anfang 40, komplett auf WG umzuschwenken, höchst untypisch gewesen sein.

Autobiografische Kompetenz

Andererseits verfügt Thomas Vinterberg, geboren 1969, insofern über autobiografische Kompetenz, als er, Zitat Presseheft, zwölf Jahre „in einer Kommune“ gelebt hat, bis er 19 war. Und die Story hebt, ähnlich der ungleich stimmiger wirkenden Reminiszenz seines schwedischen Kollegen Lukas Moodysson („Zusammen“, 2001), durchaus humoristisch-distanziert an – aus der Perspektive des in eine sehr erweiterte Familie hineingezwungenen Nachgeborenen. Schon lustig, die Zeit, in der ein WG-Neuankömmling mit tiefenpsychologischem Recherche-Furor „Wer bist du?“ gefragt wurde – und nicht, ob er zuverlässig jeden Monat 500 Euro für ein nach Norden zur Autobahn gelegenes Sechs-Quadratmeter-Zimmer aufbringen kann.

Dann aber, früh genug, beginnt das vorhersehbare Drama. Natürlich geht das Experiment, Familienleben plus Geliebte plus Mitbewohner unter einem Dach zu vereinen, trotz anfänglich allseitiger Beziehungsalltagsumgestaltungsversuche schief – mit kapitalem Träneneinsatz, versteht sich. Wobei, seltsam genug, das Kollektiv auf eine Art Chor reduziert bleibt, der statt auch sexualpolitischen Gedankenaustauschs, wie er in jener Epoche in „fortschrittlicheren“ Wohngemeinschaften zum schrillen Ton gehörte, bestenfalls ein Raunen hervorbringt.

So gehen die zwei Filmstunden dahin, bis zum bitteren, nein: heiteren, nein: bitteren, nein: versöhnlichen Ende. Irgendwann in diesen sich nicht zu einem bündigen Schluss durchringen wollenden Szenen wird – nicht eben neue Spielfilmidee – die Asche eines Verstorbenen ins Meer gestreut. Deshalb auch an dieser Stelle der hochsolidarische Ausruf: Friede der „Kommune“!

18.2., 9.30 Uhr, 12.15 und 17.30 Uhr (HdBF) sowie am 21.2., 14.30 Uhr (Friedrichstadt-Palast)

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