Klassiker-Adaption: Shakespeare als Science Fiction
Enki Bilal versetzt in seiner Erzählung „Julia und Roem“ die Figuren der klassischen Tragödie in eine düstere Zukunftswelt.
Man kennt das von Enki Bilal bereits von seiner Monster-Tetralogie, die ursprünglich auf drei Bände angelegt war: Der gebürtige Serbe erweitert oder verlängert gern mal einen Stoff, an dem er Gefallen gefunden hat. So auch in seinem neuen Kosmos, der mit „Animal’Z“ begann. Er hatte eigentlich keine Fortsetzung geplant, aber nun knüpft der in Paris lebende Altmeister mit „Julia und Roem“ erneut an sein postapokalyptisches Szenario an.
Liebe nach der Klimakatastrophe
Ein junger Mann namens Roem irrt ziellos durch eine menschenfeindliche Zukunftswelt. Nach dem „Blutsturz“, einer globalen Klimakatastrophe mit verheerenden Ausmaßen, ist die Erde kein wirtlicher Ort mehr, sondern eine graue Ödnis mit wenigen Oasen. In einem ehemaligen Hotelgebäude findet Roem mit seinen Weggefährten Zuflucht, doch werden sie von der dortigen Sippe nicht freundschaftlich empfangen. Das gespannte Verhältnis eskaliert nachdem sich Roem und Julia verlieben. Sie soll nach dem Willen ihres Vaters eigentlich schon den älteren Kyle heiraten. Plötzlich beginnen die Beteiligten in prosaischen Versen zu sprechen, die aus Shakespeares Tragödie stammen und verhalten sich entsprechend ihrer durch den Namen vorgegebenen Rolle.
Bilal knüpft tatsächlich nur lose an „Animal’Z“ an. Er greift strenggenommen nur das Zukunftsszenario auf. Die Beteiligten sind allesamt neu. Seine Erzählung, zwar immer noch absurd und grotesk, wird in „Julia und Roem“ wesentlich geradliniger erzählt als in „Animal‘Z“. Ein weiteres Element, dass er aus dem Vorgängeralbum übernimmt, ist das Zitieren von großen Schriftstellern beziehungsweise eines großen Schriftstellers: Shakespeare. Doch bei „Julia und Roem“ überträgt er zudem Handlungsstränge aus der bekannten Tragödie in seine SF-Erzählung. Das klappt hervorragend.
Kreidestrich und Spezialpapier
Um die triste Atmosphäre der Nachkatastrophenzeit einzufangen hat sich Bilal eines Spezialpapiers bedient, auf das er seine unverkennbare kunstvolle Direktkolorierung aufgetragen hat. Dadurch entsteht eine grau-braune Farblandschaft, die durch ausdrucksstarke Kreidestriche zerfurcht werden. Sein Stil fällt gegenüber älteren Arbeiten etwas reduzierter aus, die Details sind etwas sparsamer als gewohnt. Schlaglichtartig blitzen blaue und rote Farbstriche auf, die sich in die triste Bilderwelt verirrt zu haben scheinen.
Bilal entführt seine Leser in „Julia und Roem“ in eine zugleich poetische und bizarre Zukunftswelt, die letztlich, egal wie düster sie auch ausfällt, noch vereinzelte Lichtblicke enthält. Die Erzählung ist höchst amüsant und unterhaltsam, auch ohne jegliche Vorkenntnisse der berühmten Tragödie. Man darf gespannt sein, ob es nun eine Trilogie oder doch wieder eine Tetralogie wird. Wenn Bilal weiter so einfallsreich und originell zu Werke geht, dann gerne auch noch mehr.
Enki Bilal (Text und Zeichnungen): Julia & Roem, Ehapa Comic Collection, 90 Seiten, 24,99 Euro. Zur Verlags-Website geht es unter diesem Link.
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Marco Behringer
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