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Matchwinner. Zur "Berliner Luft" zieht Yannick Nézet-Ségen Deutschlandtrikot an.
© Eventpress Hoensch

Die Berliner Philharmoniker in der Waldbühne: Selbst die Vögel singen mit

Tschechischer Abend in der Waldbühne: Die Berliner Philharmoniker feiern ihren Saisonabschluss, Yannick Nézet-Séguin dirigiert – und die Berliner packen die Picknickkörbe aus.

Zwitschernde Vögel, sanfte Sommerluft und ein Abend voller Großstadtzauber: Wenn sich die Berliner Philharmoniker alljährlich in der Waldbühne mit ihrem Open-Air-Konzert in die Sommerpause verabschieden, ist das ein echtes Ereignis. Und während man anderswo mit der deutschen Nationalmannschaft mitfiebert, bangen die Menschen hier nur um eines: das Vorüberziehen der dunklen Wolken am Himmel, damit der „Tschechische Abend“ der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin ungetrübt seinen Lauf nehmen kann.

Der Waldbühnenabend hat sich verändert. Einst konnte man hier mit der ein oder anderen Flasche Schampus den Philharmonikern lauschen, während sich in den mitgebrachten Picknickkörben bacchanale Menüs versteckten. Seit einigen Jahren machen penible Taschenkontrollen und strikte Regeln über deren Inhalt den Besuchern das Erlebnis allerdings madig, denn der Inhalt und der Umfang der Picknickkörbe ist streng reglementiert. Schlechte Stimmung scheint da vorprogrammiert.

Umso überraschender ist der Moment, in dem man tatsächlich die berüchtigten Kontrollen erreicht: Schneller Einlass, unkomplizierte Taschenkontrolle. Die wenigen Picknickutensilien in der eigenen Tasche passieren die Überprüfung ebenfalls unbeschadet. Schon eine Stunde vor Beginn des Konzertes sind die Ränge mit gut gelaunten Zuschauern gefüllt. Ein flirrendes, gespanntes Summen schwirrt durch das Rund der Waldbühne. Alteingesessene Besucher sind wohlweislich mit gemütlichen Kissen ausgerüstet (ganze Konstrukte mit Rückenlehnen werden da auf den Sitzbänken festgeschnallt!) und lassen sich von den Regelungen nicht ihre Traditionen verderben, denn ein Picknick haben sie alle dabei. Und nicht nur das gelöste Treiben vor Beginn des Konzertes, sondern auch der Konzertbeginn ist ein echtes Spektakel: Der Dirigent schreitet auf die Bühne, und schlagartig tritt eine so disziplinierte Stille unter den knapp 20 000 Besuchern ein, dass man die Blätter im Wald rauschen hört.

Wer bei Smetanas "Moldau" immer noch säuerlich ist, dem ist nicht zu helfen

Der gefürchtete Regen, der sich zunächst am Himmel abgezeichnet hatte, bleibt zum Glück aus. Das Wasser plätschert allerdings in einer wesentlich schöneren Form auf die Bühne, denn die Philharmoniker eröffnen den Abend mit den sanften Flötenklängen von Bedřich Smetanas „Die Moldau“ und sorgen damit direkt für träumerisch-leichtes Schwelgen im Publikum. Wer jetzt noch säuerliche Stimmung hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Dann mischt die Violinistin Lisa Batiashvili mit Antonín Dvořáks Konzert für Violine und Orchester in a-Moll die Waldbühne auf. Batiashvili beweist einen erfrischenden Mut zu knalligen Tönen: Da verwandelt sich so manches Staccato in ein lautes Kratzen, das sich hervorragend mit der temperamentvollen Klangfarbe des Stückes verträgt und ihm damit ein einmaliges Drängen verleiht.

Zum zweiten Konzertteil hat sich bereits der Abend über die Waldbühne gelegt, zahlreiche Teelichter sind auf den Rängen zu sehen. Die Philharmoniker stimmen Dvobáks 6. Symphonie an. Genau das richtige romantisch-folkloristische Stück für diesen Abend. Im zweiten Satz stechen die Bratschen mit einer wuchtig-warmen Klangfarbe hervor und sorgen für ein wohliges Schaudern, während im Hintergrund die Vögel einstimmen. Wie schön so ein Hauch von Kitsch doch sein kann!

Es muss wohl ein Geheimnis bleiben, warum sich eine ganze Reihe von Zuschauern um Schlag 10 Uhr von ihren Plätzen erhebt und den Ausgang sucht. Denn das nachfolgende Scherzo und das Allegro con spirito im Finale verführen das verbliebene Publikum zum freudigen Mitwippen und Schunkeln. Dank ist ein tosender Schlussapplaus.

Die erste Zugabe mit Dvořáks achtem slawischen Tanz mutet wie eine Reprise der gerade verklungenen Symphonie an, stand das Hauptmotiv des Tanzes doch Pate für das Scherzo der Symphonie. Zum Abschluss darf natürlich die traditionelle Paul-Lincke-Hymne „Berliner Luft“ nicht fehlen, Nézet-Séguin dirigiert den Abschlusshit ganz stilecht im Deutschland-Trikot. Das Publikum entzündet Wunderkerzen, die Textfetzen „Luft, Luft“ und „Duft, Duft“ hallen durch die Ränge. Ein Abend in Berlin, wie er schöner kaum sein könnte.

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