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Machtübergabe. Jean-Pierre Léaud als siecher Monarch, mit seinem Urenkel und Thronfolger, dem künftigen Ludwig XV.
© Grandfilm

„Der Tod von Ludwig XIV.“ mit Jean-Pierre Léaud: Schwarze Sonne

Elegie über das Warten: In Albert Serras „Der Tod von Ludwig XIV.“ spielt Jean-Pierre Léaud den sterbenden Sonnenkönig. Und sich selbst.

Er kaut einen Biskuit, nimmt zwei Löffelchen Ei zu sich und die Hofdamen applaudieren höflich. Er liegt im Bett, in Samt und Seide gehüllt, sein Gesicht verschwindet in der riesigen Allongeperücke. Manchmal stöhnt er in der Nacht, manchmal ruft er nach Wasser und verweigert es gleich, weil es ihm nicht im Kristallglas kredenzt wird. Manchmal hebt er eine Augenbraue, zuckt ein Muskel im Gesicht.

Der König ist krank, der König stirbt, es ist Wundbrand, Gewebsnekrose. Die Tinkturen und Kampferumschläge, die Eselsmilch, die Klistiere, das Froschfett, das Stiersperma, es ist alles vergeblich. Auch das herbeieilende Ärztequartett aus der Sorbonne weiß keinen Rat. Das linke Bein von Ludwig IV. fault weiter, es wird schwarz, am Ende ist der Leib des Königs schwarz bis zur Hüfte. Der König stinkt, er schwitzt, er leidet still, er will keine Amputation. Keiner wagt Widerworte. Eine falsche Therapie kann die Hinrichtung nach sich ziehen.

„Der Tod von Ludwig XIV.“ ist eine Elegie über das Warten, es geht schnell und dauert eine Ewigkeit, zwei Wochen warten Ludwig und der Hofstaat auf den Tod. Ein Kammerspiel im Schlafgemach, ein Requiem auf Absolutismus und Despotie, eine Etüde über den siechenden Körper der Macht. Und eine Hommage an Jean-Pierre Léaud.

Ein Buddha, ein Echsenwechsen mit starrem Blick

Léaud, der Junge aus Truffauts „Sie küssten und sie schlugen ihn“, der Star und Laufbursche der Nouvelle Vague, einer, der davonlief, der ständig um sein Leben rannte, damals, vor bald 60 Jahren. Léaud heute, mit 73 Jahren, ein Buddha, ein Echsenwesen mit starrem Blick, jenseitig und ungemein fordernd, ein Mann, der seine eigene Aura verinnerlicht hat. Léaud ist der Sonnenkönig des französischen Kinos. Dem katalanischen Regisseur Albert Serra ist es gelungen, dass Léaud sich selbst spielt und die Aura dazu, indem er ihn für eine majestätische Hauptrolle vor die Kamera lockte.

„Wenn er nicht gerade arbeitet, also meistens, weil er nicht viele Filme macht, dann ist er die ganze Zeit im Bett. Ein bisschen wie Marcel Proust. Er hat eben kein Geld, weil er immer nur radikale Filme gemacht hat und nie Kompromisse“, verriet Serra in einem TV-Interview. Glanz und Elend des Jean-Pierre Léaud. Der Regisseur, bekannt für seine mit Laiendarstellern aus Serras Heimatdorf realisierten experimentellen Historienfilme über Don Quijote, Dracula oder Casanova, besuchte den Schauspieler regelmäßig, es sollte dann eine Performance werden. JeanPierre Léaud, 15 Tage in einem Glasschrein im Centre Pompidou. Das Projekt kam nicht zustande, so wurde ein Film daraus, der 2016 in Cannes uraufgeführt wurde.

Wächserne Gesichter, flackernde Kerzen: Der Leibarzt, der Kammerdiener, der Hofstaat, die Ärzte, die Priester, der Quacksalber (etliche von Laien gespielt), sie huschen leise um den König herum. Noch einmal lässt Ludwig sich im Rollstuhl durch den Garten von Versailles kutschieren, noch einmal erhebt er sich für einen Empfang, erledigt letzte Geschäfte. Aber der Schmerz übermannt ihn. Was nichts daran ändert, dass er die Macht verkörpert, lebendig begraben in der Schlafzimmerhöhle, umgeben von tuschelnden, intrigierenden Untertanen.

Serra taucht Innenansichten in eine glühende Dunkelheit

Auch Serra belagert den König, filmt die Halbtotalen und Close-ups durchweg mit drei Kameras, taucht die Innenansichten von Repräsentation und Zeremoniell in Rembrandt’sches Chiaroscuro und die Feierlichkeit von Mozarts c-Moll-Messe, in eine glühende, von Todesnähe vibrierende Dunkelheit. Der sterbende König, eine schwarze Sonne. Nur wenn er lacht, als sein Hund ihn besucht, wenn er den kleinen Urenkel herzt und dem künftigen Ludwig XV. den Ratschlag erteilt, mit den Nachbarn in Frieden zu leben und dem Volk das Leben zu erleichtern, dann ahnt man, dass in diesem Alleinherrscher auch ein umsichtiger, gütiger Mensch gesteckt haben könnte. Aber vielleicht ist es nur die irrige Sehnsucht des Zuschauers in Zeiten von Trump, Putin und Erdogan.

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