Birkenstock - der letzte Schrei: Schuhe sind nicht mehr zum Sitzen gemacht
Birkenstock-Sandalen galten früher als die Spießigkeit pur. Junge Franzosen trugen Espadrilles, die Deutschen Hirtenschuhe und Apostelbärte. Jetzt aber ist es mit diesem hässlichen Renommee vorbei - und zwar weltweit. Eine Kolumne.
Bis vor nicht allzu langer Zeit war der Birkenstock einfach eine plumpe orthopädische Sandale, Synonym für deutsche Ernsthaftigkeit: unverwüstlich, bequem, nicht für zehn Pfennig sexy. Eine schlagkräftige Waffe, wenn wir Franzosen uns über die Deutschen lustig machen wollten. Eine Sandale, die nicht zum Träumen verleitete. Nein, wirklich nicht! Als politisches Statement war der Birkenstock – „ein Baumstamm mit einem Loch darin“ – die Unisex-Sandale der langhaarig-bärtigen und in handgestrickte Pullover gekleideten Umweltjünger, die in den 70-er und 80-er Jahren gegen Atomkraft und Waldsterben protestierten.
Sie trugen den Schuh wie ein kriegerisches Banner, dazu grobe Socken aus Schafwolle, und um die Gleichheit der Geschlechter auf ganz spezielle Art zu betonen, hatten Männer wie Frauen behaarte Beine. Als Schülerin hörte ich die Birkenstocks über das Pflaster auf dem großen Platz vor dem Straßburger Münster trappeln. Die Deutschen „landeten“. Dieses schon 1940 benutzte Verb wird im Elsass noch heute verwendet, wenn die Badener und die Schwaben die Europabrücke Kehl überqueren.
Wir jungen Franzosen mit unseren Espadrilles und unseren halbhohen Sandaletten staunten über diese von einem Nachbarplaneten stammenden Moralisten mit ihren Hirtenschuhen und ihren Apostelbärten. Sie wollten bei uns mal richtig einen draufmachen am Buß- und Bettag, im protestantischen Deutschland ein Feiertag, im laizistischen Frankreich ein Werktag. „Passt auf, da kommen die Deutschen“, warnten wir Mädchen uns. Und wir drehten uns auf unseren kleinen Absätzen und unseren haarlosen Beinen um. Mit panischen kleinen Schritten flüchteten wir uns auf die Caféterrassen. Wir träumten von Italienern, Provençalen, Korsen – von den elegant beschuhten Männern des Südens. Welten trennen die Birkenstocks von den mythischen Schuhen in unseren Märchen.
Können Sie sich vorstellen, wie Aschenputtel ihren zierlichen Fuß in eine flache Korksandale mit einem breiten Lederriemen versenkt? Oder wie der gestiefelte Kater, während er das Land durchstreift und das Loblied seines Herrn, des Marquis Carabas singt, seine Wildlederstiefel gegen harte Treter eintauscht? Oder wie der kleine Däumling dem schnarchenden Oger die orthopädisch besohlten Siebenmeilenstiefel stiehlt und damit von Berg zu Berg, bis zum Palast des Königs, springt? Tabu die Stilettos, die spitzen Schuhe – all diese Modelle, über die Christian Louboutin, der König des Pariser Schuhs, so zutreffend sagte, dass sie im Grunde zum Sitzen gemacht sind. Pumps, mit denen man nicht gerade stabil durchs Leben stöckelt, die Zehen in ein enges und so feminines Korsett gezwängt. Wer schön sein will, muss leiden!, sagte meine Großmutter, wenn sie mir morgens die Haare kämmte.
Stiletto vs. Birkenstock = Frankreich vs Deutschland?
Den Gegensatz dazu bildet die Birkenstock-Philosophie: Der Schuh muss betriebssicher sein und kilometerlanges energisches Marschieren durchhalten. Eleganz und Verführung: nicht wichtig! Die Zehen müssen so viel Platz haben, dass sie Klavier spielen könnten. Für die Deutschen ist der Birkenstock das, was die Wellington Boots für die Engländer sind, die Tods für die Superreichen in New York, die Highheels für die Pariserin, die Babuschen für den Marokkaner und die spitzen Slipper für den italienischen Beau. Mit diesem hässlichen Renommee ist es vorbei, habe ich mir sagen lassen.
Der Birkenstock hat die Farbe und die Kundschaft geändert: knallig oder pastell, glänzend, silbrig, golden, Leopard oder Zebra. Von London bis Hollywood scheinen die fashion victims des Planeten sich darum zu prügeln. Julia Roberts, Victoria Beckham, Leonardo DiCaprio, Nicole Kidman – sie alle tragen Birkenstock. Selbst die Modeschöpfer wagen es, ihre Models damit über den Laufsteg defilieren zu lassen. Der Birkenstock verkörpert den Stilbruch, das entspannte Selbstbewusstsein. Angeblich trägt Christian Louboutin privat Birkenstock. Und es wäre wirklich der Gipfel, wenn die Deutschen, die heute in Straßburg landen, es mit ihrem Schuhwerk schaffen würden, den Schulmädchen auf dem Münsterplatz den Kopf zu verdrehen.
Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.
Pascale Hugues
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