Bernhard Schlink zum 70.: Schreiben macht glücklich
Mag der Erfolg sein, wie er will, beim Schreiben ist er glücklich: Wir gratulieren dem Schriftsteller Bernhard Schlink zum 70. Geburtstag.
Was Bernhard Schlink auszeichnet, ist sein entspanntes Verhältnis zum Erfolg und zur Literaturkritik. Der Erfolg hat ihn, der am Sonntag 70 Jahre alt wird, verwöhnt. Die Kritik hat ihn dagegen eher streng behandelt. Als Jura-Professor an der Humboldt-Universität hatte er jedoch die nötige Distanz und Sicherheit, um beides ertragen zu können, ohne sich davon aus der Bahn werfen zu lassen.
Der Erfolg habe sein Leben weniger verändert als geweitet, hat er einmal gesagt. Und: „Ich bin beim Schreiben glücklich, mag der Erfolg sein, wie er will.“ International ist er mit dem Best- und Longseller „Der Vorleser“ der bekannteste deutsche Autor der Gegenwart. Wer außer ihm war schon bei Oprah Winfrey zu Gast? Dass die den Roman gar nicht verstand und die Liebesgeschichte zwischen dem 15-jährigen Schüler und der 21 Jahre älteren Frau auf gut Amerikanisch als Missbrauchsfall deutete – auch das ertrug er gelassen.
Hierzulande ist er trotzdem immer der schreibende Jurist geblieben, dem ein wenig hochnäsig ein etwas trockener Stil attestiert wird. Vielleicht war der Literaturbetrieb gekränkt, dass das erfolgreichste Buch der deutschen Literatur nach 1945 ausgerechnet von einem Nebenbei-Autor geschrieben wurde, der 1981 über das Thema Amtshilfe habilitiert und zu seiner Erholung dann ein paar Kriminalromane geschrieben hatte. Dabei sind Bernhard Schlinks Bücher stets auf Unterhaltsamkeit, Spannung und einen überraschenden Plot angelegt, aber auch das spricht ja für manche dafür, ihn als Literaten nicht wirklich ernst nehmen zu müssen.
Das Schweigen der Väter
Dass Schlink in einem evangelischen Theologenhaushalt aufwuchs, macht ihn dann aber doch zu einem typischen Repräsentanten der deutschen Literatur, die, wie einst der Germanist Heinz Schlaffer zeigte, dem Pfarrhaus entstammt. Das rückt ihn in eine Reihe, die von Gottsched, Lessing und den Brüdern Schlegel über Gottfried Benn und viele andere bis zu Friedrich Christian Delius reicht. Es ist eine Literatur der säkular gewordenen Moral, wie sie auch in Schlinks Büchern zu finden ist. Sein Lebensthema ist die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte, oder genauer: Die Auseinandersetzung seiner nach dem Krieg aufgewachsenen Generation mit der Verdrängung und dem Schweigen der Väter.
Das prägt seine Kriminalromane um den zwiespältigen Helden Gerhald Selb ebenso wie den „Vorleser“ und den Roman „Das Wochenende“. In diesem dreht sich alles um einen nach zwanzig Haftjahren entlassenen RAF-Terroristen, der das erste Wochenende in Freiheit im Kreis alter Freunde auf dem Land verbringt. Dieses Sommerstück ist eine selbstkritische Betrachtung, was aus den Ideen und Lebensentwürfen der 68er-Generation geworden ist.
Bernhard Schlink, der strenge Moralist
Bernhard Schlink ist ein realistischer Skeptiker und ein strenger Moralist, dabei aber kein Vertreter einer einfachen Moral. Dass Hanna, die Analphabetin und ehemalige KZ-Aufseherin im „Vorleser“ als liebende Frau auftritt, rückt sie uns Lesern nahe, aber gerade dadurch rückt uns auch ihre Schuld auf den Leib. Gegen den schlichten Impuls, die Handlanger des Massenmordes zu dämonisieren und sich damit vom Hals zu halten, hat im Jahr 1965 schon Martin Walser angeschrieben, als er den Auschwitz-Prozess besuchte. Auch für Bernhard Schlink war dieser erste große Versuch einer juristischen Aufarbeitung ein prägendes Erlebnis. Seine Essays kreisen um Fragen der „Vergangenheitschuld“, der kollektiven Verantwortung oder auch der „Unfähigkeit der Staatsrechtswissenschaft zu trauern“. Es mag sein, dass diese emotionalen Grenzen der Wissenschaft ihn in die Literatur und in die literarische Trauerarbeit getrieben haben. So ist er zu einem sehr deutschen Schriftsteller geworden. Sein neuer Roman „Die Frau auf der Treppe“ ist für Ende August angekündigt.
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