Schriftsteller Bernhard Schlink: Recht so!
Mit dem "Vorleser" schrieb er einen der erfolgreichsten Romane der Nachkriegsliteratur. Dem Autor und Juristen Bernhard Schlink zum 65. Geburtstag.
Er sei nirgends ganz zu Hause, hat Bernhard Schlink einmal gesagt, in der Rechtswissenschaft nicht, weil er schreibe, in der Literatur nicht, weil er als Jurist arbeite. Trotzdem hat er es in beiden Disziplinen bewundernswert weit gebracht: Schlink war Juraprofessor in Bonn und Frankfurt; seit 1992 hat er einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Berliner HumboldtUniversität inne, und bis 2006 war er auch Richter am nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof in Münster. Viel berühmter aber wurde der 1944 in Bielefeld als Sohn eines Theologieprofessors geborene Schlink als Schriftsteller. Weniger mit seinen Krimis über den Privatdetektiv und früheren Staatsanwalt Selb als mit seinem 1995 veröffentlichten Roman „Der Vorleser“, dieser sonderbaren, die NS-Schuld thematisierenden und jüngst mit Kate Winslet und David Kross verfilmten Liebesgeschichte zwischen der einstigen KZ-Wärterin und Analphabetin Hannah Schmitz und dem 15-jährigen Jungen Michael Berg.
„Der Vorleser“ gehört mit Grass’ „Blechtrommel“ und Süskinds „Parfum“ zu den erfolgreichsten Romanen der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur, er wurde in vierzig Sprachen übersetzt, ist millionenfach verkauft worden und stand als erstes deutsches Buch auf Platz eins der Bestsellerliste der „New York Times“. Der Roman hat aber auch immer wieder Debatten darüber ausgelöst, ob man so unbekümmert wie kalkuliert über den Holocaust schreiben könne. Und ob etwa Fragen des Erzählers – „Was sollte meine Generation der Nachlebenden eigentlich mit den Informationen über die Furchtbarkeiten der Vernichtung der Juden anfangen? (...) Sollen wir nur in Entsetzen, Scham und Schuld verstummen?“ – nicht leichtfertig einer neuen deutschen Geschichtsvergessenheit das Wort reden.
Schlink hat in Folge kluge, elaborierte Essays über das „Vergeben und Versöhnen“ geschrieben, über die Notwendigkeit genauso wie über die Gefahren der Beschäftigung mit dem „Dritten Reich“ und dem Holocaust. Und er hat weitere Romane verfasst: 2006 „Die Heimkehr“, den mit deutscher Geschichte geradezu überfrachteten Roman einer Vatersuche. Im letzten Jahr erschien „Das Wochenende“, in dessen Zentrum der Umgang mit den RAF-Verbrechen steht. Literarisch genügen diese Bücher keineswegs höchsten Ansprüchen, sie sind gehobene Unterhaltungsliteratur – als Thesenromane aber lassen sie sich gut lesen und diskutieren. An diesem Montag feiert Bernhard Schlink, der in New York und Berlin lebt, seinen 65. Geburtstag. Gerrit Bartels
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