59. Grammy-Verleihung in Los Angeles: Schöner Widerstand
Pop-Prominenz und Politik: Adele und Beyoncé sind die Königinnen des Pops, und alle schimpfen auf Trump.
Die Welt des Pop kann erschreckend vorhersehbar sein, gerade im Superstar- und Mainstreambereich. So wie bei der Grammy-Verleihung, die in der Nacht von Sonntag auf Montag im Staples Center in Los Angeles über die Bühne ging. Im vergangenen Jahr hatte die britische Sängerin Adele dort einen Auftritt, ohne nominiert zu sein, weil ihr Album „25“ erst im November außerhalb der Grammy-Jahresnominierungsfrist erschienen war, und viele Popmenschen wetteten damals, allerdings nur allerkleinste Beträge, dass Adele die Grammys 2017 bestimmen würde. So kam es. Gleich in fünf der 84 Kategorien gewann Adele die Trophäe, darunter in denen für das beste Album und den besten Song.
Immerhin hatte sie, die bei ihrem von technischen Schwierigkeiten und Tränen unterbrochenen Tribut für den im Dezember verstorbenen George Michael in einem tropfenförmigen grünen Kleid auftrat, zwei große Konkurrenten. Auf der Showebene war das die mit lediglich zwei Grammys ausgezeichnete Beyoncé, die sehr effektvoll in einem goldfarbenen Kleid ihre Zwilllingsschwangerschaft zelebrierte (scheint alles wieder bestens zu sein mit Ehemann Jay-Z), von Adele bewundert mit den Worten: „Ich wünschte, du wärest meine Mutter“. Und: „Du bist mein großes Künstlerinnen-Vorbild“.
Auf der Wer-gewinnt-wohl-die-meisten–Grammys-Ebene zeigte sich ein Künstler ebenbürtig, der im vergangenen Jahr kurz vor den Grammy-Awards und nach der Veröffentlichung seines letzten Albums einer Krebserkrankung erlegen war: David Bowie, der mit „Blackstar“ in allen Kategorien, in denen er nominiert war (darunter ausgerechnet der für das beste Rockalbum!), einen Grammy bekam, summa summarum wie Adele fünf an der Zahl.
Viel weniger vorhersehbar war, gerade nach dem klugen Schweigen von Lady Gaga bei ihrem dreizehnminütigen Super-Bowl-Halbzeitpausen-Auftritt im Januar, was die Mainstream- und Superstarwelt für Statements zu US-Präsident Donald Trump und seinen ersten Amtshandlungen abgeben würde. Der Moderator des Abends, der britische Schauspieler James Corden machte den Anfang, als er bei der Begrüßung sagte: „Genießt den Abend. Mit Donald Trump weiß man nie, was als Nächstes kommt“. Schon vorher konnte man auf dem roten Teppich den Rapper Schoolboy Q in einem pinkfarbenen Kapuzenpullover mit der Aufschrift „Girl Power“ sehen, an der Hand seine ebenfalls ganz in Pink gewandete Tochter an der Hand.
Am Ende ruft Katy Perry: „No hate“
Im Verlauf der Nacht wurden die Anti-Trump-Statements zunächst sehr subtil formuliert. Die Schauspielerin Paris Jackson sagte, als sie den R&B-Musiker Weekend zusammen mit Daft Punk unter dem großen Jubel des Auditoriums ankündigte (die übrigens erst nächstes Jahr ihre Grammy-Nominierungen bekommen werden, Album kam erst Ende 2016, ebenso wie die männliche Adele-Version, der neue britische Blues- und Soulkönig Rag’n’Bone Man), dass diese Begeisterung auch vonnöten sei bei den bevorstehenden Protesten gegen die geplante Ölpipeline durch das Dakota-Gebiet. Die Schauspielerin und Musikerin Jennifer Lopez zitierte die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison mit den Worten: „In Zeiten wie diesen werden Künstler mehr denn je gebraucht. Es ist nicht die Zeit, zu verzweifeln oder zu schweigen, Selbstmitleid oder Angst zu haben“; und das ewige Popsternchen Katy Perry trug ein Armband, auf dem „Gebt nicht auf!“ stand, während die US-Verfassung auf eine Leinwand projiziert wurde. Am Ende rief Perry: „No hate“
Im Gegensatz zu ihrem jungen Hip-Hop-Kollegen Chance The Rapper, der immerhin vier Grammys gewann, diese seiner Heimatstadt Chicago widmete und sich bei seinem „Herrn“ bedankte, gingen dann die Rapper Busta Rhymes, Paak. Anderson und A Tribe Called Quest noch einmal richtig plakativ zu Werke. „Ich möchte Präsident Agent Orange dafür danken, dass er all das Böse tut und in den USA verbreitet“, sagte der etwas in die Breite gegangene Busta Rhymes, als er beim Auftritt von A Tribe Called Quest auf die Bühne kam.
„Ich möchte Präsident Agent Orange für seinen misslungenen Versuch danken, Muslime zu verbannen. Jetzt kommen wir erst richtig zusammen.“ Und A Tribe Called Quest spielten ihren Anti-Trump-Song „We The People“, skandierten „Resist. Resist. Resist“, leistet Widerstand!, und ließen schließlich zahlreiche bunt gewandete Statisten und Statistinnen auf die Bühne kommen, um mit ihnen die Vielfalt der Vereinigten Staaten zu dokumentieren.
Man kann das alles für überaus politisch halten bei einer Veranstaltung, auf der sich das Pop-Business in der Regel selbst und gern auch seine Toten feiert (neben David Bowie und George Michael natürlich Prince, der von Bruno Mars gewürdigt wurde) – und doch werden all diese kritischen Worte wenig ausrichten, so wie die vielen Anti-Trump-Touren und Aktionen von vielen Musikern in den Monaten vor der US-Wahl.
Die Welt des Pop, das dokumentierten diese 59. Grammy-Awards in ihrem ganzen Glam, kann trotz ihrer Allgegenwärtigkeit auch erschreckend machtlos sein.