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Frau am Boden. Dagna Litzenberger als Kassandra.
© Toni Suter / T+T Fotografie

„Beute Frauen Krieg“ beim Theatertreffen: Schlüsselszenen der Antike

Schlechte Welt beim Theatertreffen: Zürichs Antikenstück „Beute Frauen Krieg“ zeigt böse, böse Männer und Frauen, die als Kriegsbeute genommen werden.

Das Wasser der Spree blitzt in der Abendsonne wie ein blanker Spiegel, und was wären die Dramen der Antike anderes als ein breiter, niemals versiegender, dunkler Strom – vom Ursprung der Zivilisation bis an ihr Ende. Man glaubt, dieser Styx fließe im Kreis, in Strudeln, ein Fluss ewiger Wiederkehr.

Am Wochenende wurde Karin Henkel mit dem Berliner Theaterpreis ausgezeichnet. Ihre zum Theatertreffen ausgewählte Inszenierung „Beute Frauen Krieg“ fand einen passenden Spielort in den Rathenau-Hallen, in Schöneweide, am Wasser – wo im vergangenen Jahr die krachende Dortmunder Prozession durch eine apokalytpische Gegenwart mit riesigem Aufwand ins Werk gesetzt wurde; vor ebenso begeisterten wie entnervten Zuschauern.

Auch Karin Henkels szenischer Essay über den Trojanischen Krieg fährt mächtig Technik auf. Das Publikum wird in Gruppen geteilt und auf Podesten um einen Laufsteg herum platziert. Wer jetzt zum Beispiel an Ariane Mnouchkine und „Les Atrides“ denkt, die vor Menschengedenken, aber schon nach der Wende in Babelsberg gastierten, hat ein gutes Gedächtnis – und ein prinzipielles Problem: Denn „Beute Frauen Krieg“ vom Schauspielhaus Zürich wirkt wie ein schwacher Nachzügler so vieler Antikenprojekte.

Helena sieht aus wie eine Vorstadt-Monroe

Es beginnt hörspielhaft. Der große, lange Raum wird geteilt und man bekommt über Kopfhörer die Stimmen der Frauen eingespielt. Sie gehen um wie Geister und flüstern von Tod und Verderben. Kassandra, Iphigenie: Töchter sind Opfervieh, lebendige Ware. Andromache hat ihren Mann verloren, Hektor, und ein Grieche tötet ihren kleinen Sohn. John von Düffel hat aus den „Troerinnen“ des Euripides Schlüsselszenen herausgeschnitzt. Im zweiten Teil – dann ohne Raumteiler und Kopfhörer – paraphrasiert Soeren Voima die euripideische „Iphigenie in Aulis“, die Situation vor der Ausfahrt der griechischen Kriegsschiffe, die das Menschenopfer erfordert.

Wer will bestreiten, dass Frauen heute noch als Kriegsbeute genommen werden, dass das erste Opfer im Krieg die Wahrheit ist? Die Männer sind bei Karin Henkel ganz, ganz böse; schauen auch schon so drein, haben einen fiesen Gang, Monster. Wie Helena, die hier mal wieder aussieht wie eine Vorstadt-Monroe. Es müllert im Text, es wird hin- und hergerannt zu Thrillermusik und unaussprechliches Leid beklagt – aber es rührt nicht. Und man steht mit einem Bier am Fluss und denkt, wie schlecht die Welt ist, wie ungut das Theater.

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