Matt Fractions „Hawkeye“: Schluffi und Scharfschütze
Querulant, Don Juan, Superheld ohne Superkräfte: Matt Fraction und David Aja feiern die Comicfigur Hawkeye als weltlichsten aller Marvel-Helden.
Clint Barton ist ein verpeilter Querulant, ein Schluffi mit zweifelhafter Selbstkontrolle, ein verunsicherter Don Juan – und ein Superheld ohne Superkräfte. Wer die Figur Hawkeye lediglich aus den „Avengers“-Filmen kennt, in denen sie der Schauspieler Jeremy Renner als toughen Vollstrecker mit Pfeil und Bogen interpretiert, hat nur ein unvollständiges Bild von dem vielleicht weltlichsten Helden des Marvel-Universums.
Dabei setzt auch der aktuelle Autor der Comicserie, Matt Fraction, nichts voraus bei seiner Interpretation der 1964 erstmals und damals noch als Bösewicht aufgetauchten Figur. Wo man sich bei anderen Serien erst mühevoll in die Hintergrundgeschichte einarbeiten muss, stellt der Amerikaner seinen Hawkeye-Heften nur drei Sätze als Einführung voran: „Clint Barton aka Hawkeye wurde der größte Scharfschütze, den die Welt je gesehen hat. Dann schloss er sich den Avengers an. Das hier macht er, wenn er nicht mit den Avengers unterwegs ist.“
Ein Hund als Erzähler? Warum nicht
Und das heißt: in Jogginghosen rumlungern, Kaffee aus der Kanne trinken, Affären haben, auf die Nase bekommen, sich mit seinen Ex-Freundinnen streiten und nebenbei die Mafia daran hindern, die Mieter aus seinem Wohnblock in Brooklyn zu vertreiben. Das klingt erst mal nicht sonderlich aufregend, steckt aber voller verspielter Szenen (Hawkeye und Iron Man versuchen, einen Videorekorder anzuschließen), interessanten Experimenten (ein Heft wird komplett aus der Sicht eines Hundes mit Wortfetzen und Piktogrammen erzählt), und überrascht dann nur um so plötzlicher mit solch einer brutalen Härte, dass es einen umhaut.
Erst ulkige Episoden, dann tiefschwarzes Puzzle
Die ersten elf Hefte sind jetzt bei Panini in dem Band „Mein Leben als Waffe“ erschienen. Wie Fraction es darin schafft, mit Zeitsprüngen, Erzählschleifen und Rückblenden aus dem, was am Anfang wie eine Sammlung ulkiger und nur lose verknüpften Einzelgeschichten wirkt, ein tiefschwarzes Puzzle zusammenzusetzen, ist beeindruckend anzusehen.
Vielleicht noch beeindruckender anzusehen sind nur die Bilder von Zeichner David Aja, der für seine Arbeit an der Serie in den vergangenen zwei Jahren mit gleich mehreren Eisner-Awards ausgezeichnet wurde. Sein reduzierter Strich und seine Layouts, in denen er manchmal Szenen in Sekundenbruchteile und bis zu 25 Panels zerlegt, zählen zum Innovativsten, was das Medium derzeit zu bieten hat. Leider hat Aja nicht alle Hefte gestaltet. Die Ausgaben von Javier Pullido beispielsweise fallen im Vergleich deutlich ab, auch wenn sie Matt Hollingsworth mit der gleichen stilsicher reduzierten Farbpalette, in der verwaschenes Gelb und Lila dominieren, koloriert hat.
Hawkeye bleibt damit einer der interessantesten Superheldencomics für Leute, die eigentlich keine Superheldencomics mögen.
Matt Fraction, David Aja u.a.: "Hawkeye Megaband 1 - Mein Leben als Waffe", Panini, 244 Seiten, 24 Euro
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