Maya-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau: Schielen für den Sonnengott
Die Ausstellung „Die Maya – Sprache der Schönheit“ feiert im Berliner Martin-Gropius-Bau eine 2000 Jahre alte Hochkultur.
Kolumbus hatte sie schon auf dem Meer bei seinen Fahrten durch die Karibik getroffen, sie waren weit gereiste Händler und blickten zu dem Zeitpunkt auf eine zweitausend Jahre alte Hochkultur zurück. Die Maya waren das einzige mesoamerikanische Volk, das eine eigene Schrift entwickelt hatte, die heute zu 85 Prozent entziffert ist.
Maya – ein klingender Name, der sich heute vor allem in Mexiko mit der Halbinsel Yucatán verbindet. 16 Tempelanlagen sind hier erschlossen – von insgesamt 3000 registrierten. Womit könnten die Präsidenten beider Länder besser das duale Jahr „Deutschland – Mexiko. Allianz für die Zukunft“ eröffnen als mit der Ausstellung „Die Maya – Sprache der Schönheit“? 300 hochkarätige Objekte hat das Instituto Nacional de Antropología e Historia (INAH), eine der größten Antikenverwaltungen der Welt, mit den Ausstellungsmachern des Martin-Gropius-Baus ausgesucht. Sie sind nun im Ostflügel des Museums zu sehen.
Die gläubigen Maya ließen sich viel einfallen, um die Götter gnädig zu stimmen. Sie erlaubten sich, der Natur nachzuhelfen, auch der eigenen Physis, und den Körper als Leinwand zu nutzen, ihn zu schmücken, zu bemalen, zu tätowieren, ihm Ziernarben zuzufügen und die Zähne zu schleifen.
Es gab auch brutale Zurichtungen: die brutale Verformung der Köpfe von Neugeborenen, denn eine fliehende Stirn galt den Maya als Inbegriff der Schönheit. Dafür wurde der Kopf des Säuglings zwischen zwei Bretter gepackt: „Eines am Hinterkopf und das andere an der Stirn. Zwischen den Brettern pressten sie den Kopf so fest zusammen und überließen das Neugeborene seinen Schmerzen, bis der Kopf nach einigen Tagen platt und künstlich geformt war, so wie er bei ihnen üblich war“, schreibt der Franziskanermönch Diego de Landa 1566 in seinem „Bericht über die Angelegenheiten aus Yucatán“, einer bedeutenden Quelle über das Leben der Maya – trotz seiner kolonialen Sichtweise.
Zitate des Mönchs sind in der Ausstellung allen erläuternden Tafeln vorangestellt.
Gleich im ersten Raum werden zwei prächtige Tonköpfe aus einem Grab präsentiert: fliehende Stirn, abgestufte Haare, aufwendiger Kopfschmuck – der Herrscher von Palenque als Kind und als erwachsener Mann. Ziernarben und abgeschliffenen Zähne sind auch bei vielen kleinen Statuen zu sehen. Ein monumentaler Kopf aus Camalcalco, Tabasco, weist ebenfalls die fliehende Stirn auf, dazu eine Schnurrbartbinde und einen künstlichen Bart. Eine Begräbnismaske aus grüner Jade mit eingelegten schielenden Augen erinnert an den Sonnengott K’inich Ajaw. Das Schielen wurde von den Müttern gefördert, indem sie den Kindern eine Perle an die Haare banden, die auf die Stirn fiel.
Hohe handwerkliche Meisterschaft
Bemerkenswert ist die hohe handwerkliche und künstlerische Fähigkeit der Maya, die mit Ton – bemalt oder unbemalt – Köpfe von größter Ausdruckskraft schufen. Es ging ihnen dabei nicht nur um Schönheit, sondern auch um Krankheiten. Davon zeugt eine kleine, sehr schlanke Figur mit ausgewölbtem Bauch aus Jaina – ein Hinweis auf Bauchwassersucht. „Das Gesicht eines alten Mannes“ aus Toniná in Chiapas aus der Spätklassik (600 - 900 n.Chr.) demonstriert die große Gestaltungsfertigkeit, über die die Meister des Stucks verfügten, um die Weisheit am Ende des Lebens zu versinnbildlichen: ein fast zeitlos erscheinendes Objekt, das ohne seinen Kontext schwer zu verorten wäre.
Gerade an diesen Exponaten zeigt sich, wie die Grenzen zwischen Archäologie, Anthropologie und Kunstgeschichte verwischen. Gerne verewigten die Maya in Halbreliefs aus Sandstein auch Gefangene in möglichst demütigender und verdrehter Haltung – Ausdruck der Macht des Herrschers.
Die Ausstellung bietet einen Wechsel zwischen großen Reliefs und Stelen einerseits und Vitrinen mit filigran gestalteten kleinen Tonfiguren andererseits, die sich vor allem in der Abteilung „Der bekleidete Körper“ durch große Detailtreue auszeichnen. An der Art der Kleidung und der auf ihr angebrachten Glyphen lässt sich der soziale Rang der Person ablesen. Männer trugen traditionelle einen Lendenschurz, der je nach Status üppig geschmückt war. Ungewöhnlich die kleine Figur des Ballspielers aus Jaina, Campeche, der in einer dynamischen Bewegung dem davonfliegenden Ball nachschaut – er erinnert ein wenig an einen Sumo-Ringer.
Die reich verzierten Frauenstatuetten lassen wiederum Muster erkennen, die in der Maya-Kultur auch heute noch verwandt werden – im Bundesstaat Yucatán leben noch rund acht Millionen Maya, die 30 Varianten ihrer Sprache sprechen. So erweist sich die Berliner Ausstellung nicht nur als musealer Rückblick, sondern sie weist bis in die Gegenwart, in der die Wurzeln des kulturellen Maya-Erbes gepflegt werden.
Tiere als Vermittler zwischen Menschen und Göttern
Polychrome Keramiken – die Maya kannten dreißig Farben – waren vor allem in Besitz der Elite. Zu deren Machtsymbolen zählte auch Schmuck aus Muscheln, Jade und Pyrit. Zwei große Maya-Stelen präsentieren Herrscherfiguren mit reichem Kopfschmuck als Relief aus Kalkstein. Bearbeitet wurden die Steine damals mit Feuersteinwerkzeugen.
Die dritte Abteilung der Schau ist den Tieren gewidmet, in denen die Maya verwandte Wesen sahen – und Vermittler zwischen den Menschen und den Göttern. So gilt der Affe als Personifizierung der Künste und des Tanzes, auch Gürteltiere, Jaguar, Schlangen und Kröten finden sich reichlich. Manche Figur scheint geradezu einem Bild von Hieronymus Bosch entsprungen zu sein.
Dem komplizierten Pantheon der Götter ist die letzte Abteilung gewidmet. Hier finden sich die prächtigsten Skulpturen der Ausstellung, etwa der Brüllaffen-Mensch als Räuchergefäß, der mit Pinsel und Gefäß auch als Patron der schreibenden Zunft gilt. Es gibt einiges zu lesen in dieser üppigen Ausstellung, für die man Zeit mitbringen sollte – um einen Eindruck zu gewinnen von dieser großen Kultur, deren Untergang bloß ein Neuanfang war.
Martin-Gropius-Bau, bis 7. August, Mi – Mo 10 – 19 Uhr, Katalog 39,95 Euro
Rahmenprogramm zur Maya-Ausstellung
Bis zum 7. August 2016 ist im Martin- Gropius-Bau die Ausstellung „Die Maya – Sprache der Schönheit“ zu sehen. Gezeigt werden rund 300 Kunstwerke, darunter viele mexikanische Nationalschätze. Die Ausstellung ist Teil des gemeinsamen Kulturjahres, das Mexiko und Deutschland 2016 begehen.
Öffnungszeiten: mittwochs bis montags 10 bis 19 Uhr, Sonderöffnung am heutigen Dienstag; Eintritt: 10 Euro/ermäßigt 7 Euro.
VORTRAGSREIHE
Das Ibero-Amerikanische Institut veranstaltet in Kooperation mit dem Martin-Gropius-Bau
eine Vortragsreihe, die Aspekte der Ausstellung vertieft. Archäologen aus Mexiko und Europa stellen Forschungen zu Architektur, Stadtplanung und Handelsbeziehungen der Maya dar.
21. April, 19 Uhr
Die Kleine Akropolis: Der Palast der letzten Herrscher von Yaxchilán, Vortrag von Dr. Daniel Juárez Cossío, Museo Nacional de Antropología, Instituto Nacional de Antropología
e Historia (INAH), Mexiko
12. Mai, 19 Uhr
Chactún, Lagunita and Tamchén: Three recently discovered Maya cities in the central Yucatan peninsula, Vortrag von Dr. Ivan Šprajc, Research Centre of the Slovenian Academy of Sciences and Arts
2. Juni, 19 Uhr
Digital Mayas: Resisting the silencing of indigenous voices in Yucatán, Vortrag von Dr. Genner Llanes Ortiz, University of Leiden. Der Ethnolinguist und Maya zeigt kulturelle Praktiken der heutigen Maya, insbesondere auch ihre Verwendung digitaler Medien.
9. Juni, 19 Uhr
Bonampak, Geschichte und Archäologie einer präkolumbischen Stadt in der Selva Lacandona, Dr. Alejandro Tovalín Ahumada, Instituto Nacional de Antropología e Historia (INAH)
7. Juli, 19 Uhr
Jaina – Handelshafen der Maya, Vortrag von Dr. Antonio Benavides Castillo, Centro INAH Campeche, Mexiko
Außerdem gibt es ein spezielles Programm für Schüler
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