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Tonangeberin. Katharina Bäuml und ihr Urinstrument.
© Thorsten Eichhorst

Katharina Bäuml im Porträt: Schall und Schalmei

Die Oboistin Katharina Bäuml und ihr Ensemble Cappella della Torre erwecken die Musik der Renaissance zum Leben. Dafür müssen sie mit vielen Ressentiments kämpfen. Eine Begegnung.

Dreimal hat sich Katharina Bäuml in ihrem Musikerinnenleben schon verliebt, in drei Typen aus derselben Familie: Da war zunächst die moderne Oboe. Die hat sie als Mädchen zu Hause in München gelernt, und, weil sie sich als extrem begabt erwies, dann auch als Studienfach an der Musikhochschule Hannover gewählt. Als Nächstes trat die Barock-Oboe in ihr Leben, als sie sich nämlich intensiv mit den Werken Johann Sebastian Bachs beschäftigte und wissen wollte, wie die Instrumente zur Entstehungszeit der Kompositionen genau geklungen haben. Und schließlich – da war sie dann schon zur berühmten, auf alte Musik spezialisierten Schola Cantorum in Basel gewechselt – verlor sie ihr Herz an die Schalmei, den Urvater der Doppelrohrblatt-Instrumente, der seine Blütezeit in der Renaissance erlebte.

Mit der Begeisterung einer Liebenden versucht sie seitdem, das Publikum für ihr Herzensprojekt zu begeistern, unterstützt von ihrem 2005 gegründeten Ensemble Cappella della Torre. Sie spielen Bläsermusik des 15. bis 17. Jahrhunderts mit Dulzian, Pommer, Zugtrompete, Blockflöte, Schalmei, Laute, Orgel und Dudelsack, ihre Programme heißen „Luthers Hochzeitsmusik“ oder „Stadtpfeiffer in Europa“. Sie locken mit musikalischen Erkundungen am spanischen Königshof oder im England von Heinrich VIII., erforschen, wie vor 500 Jahren Komponisten die vier Elemente zum Klingen gebracht haben. Unermüdlich reisen Katharina Bäuml und ihre Mitstreiter durch die Lande, um eine Klangwelt vorzustellen, die in Abo-Konzerten niemals vorkommt. Sie haben spezielle Programme für Kinder entwickelt, suchen außerdem immer wieder den Kontakt zur ganz aktuellen Entwicklung, arbeiten mit zeitgenössischen Komponisten, Popmusikern und Jazzern.

Die Ressentiments von traditionellen Sinfonieorchester-Fans und Profimusikerkreisen

Wer sich aus der Komfortzone der Klassik begibt, also jenseits des Kanons arbeitet, der von den vier großen „B“ Bach, Beethoven, Brahms und Bruckner begrenzt wird, hat mit jeder Menge Vorurteilen zu kämpfen. Beispielsweise mit der Mär, in der Alte-Musik-Szene tummelten sich vor allem Freaks, die selbstgestrickte Wollsocken tragen. Das mag in den Pioniertagen der Bewegung vor gut einem halben Jahrhundert eine Rolle gespielt haben, gilt aber für die Mitglieder der Capella della Torre definitiv nicht mehr.

Noch hartnäckiger als die Ressentiments aufseiten der traditionellen Sinfonieorchester-Fans sind allerdings jene in den Profimusikerkreisen selber. Wer den Weg von der modernen Oboe zum Barockinstrument geht oder gar zur Schalmei, dem wird schnell unterstellt, er sei wohl nicht gut genug für den konventionellen Konzertbetrieb. Was für ein Quatsch!, findet Katharina Bäuml: „Mein Anspruch ist es, mich genau so differenziert ausdrücken zu können wie jedes Mitglied der Berliner Philharmoniker!“

Die Mitglieder der Capella della Torre sind keine Dogmatiker

Darum hat sie auch keine Lust auf den Mummenschanz populistischer Vergangenheitsbeschwörungen. Die Cappella della Torre tritt nicht bei Mittelalter-Märkten auf, und die Musiker kämen auch nie auf die Idee, sich für ihre Konzerte in vermeintlich authentische Folklorekostüme zu zwängen. Ihr Zeitreise-Angebot ist ausschließlich ein akustisches. „Die Aufführungssituation unterscheidet sich ja schließlich auch von der vor 500 Jahren“, sagt Katharina Bäuml. „Wir leben anders, essen anders, wohnen anders, hören anders. Darum versuchen wir, die alten Kompositionen mit dem Konzertbetrieb von heute kompatibel zu machen.“

Gleichzeitig sehen die Mitglieder der Capella della Torre vieles lockerer als jene Dogmatiker, die auf absolute historische Korrektheit dringen, weshalb Katharina Bäuml sie gerne „Alte-Musik-Polizei“ nennt. „Natürlich stehen wir in engem Kontakt mit Musikwissenschaftlern über die neuesten Forschungsergebnisse, natürlich versuchen wir, so gut es geht zu rekonstruieren, uns in die Werke einzufühlen“, betont sie. „Aber letztlich muss es unser Ziel sein, dass es toll klingt, dass wir als Künstler glücklich werden.“

Die nächsten Auftritte der Capella della Torre in der Region: „Echo der Reformation“ mit dem RIAS Kammerchor, heute, Sonntag, 16.7., 19 Uhr, Wittenberg, Schlosskirche; „Luthers Hochzeitsmusik“, 25. August, Potsdam, St. Nikolai und 27. August, Müncheberg, Stadtpfarrkirche; „Kaiser Karl V. und die Reformation“, 26. August, Angermünde, Franziskanerklosterkirche.

Frederik Hanssen

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