Josef Bierbichler zum 70.: Sanfter Riese
Monumentaler Minimalist und Feuerkopf: Dem bayerischen Schauspieler und Schriftsteller Josef "Sepp" Bierbichler zum 70. Geburtstag.
Obwohl er in seiner massigen Gestalt und in seinen bedachten Bewegungen eher bärig und schwerblütig erscheint, ist Josef alias Sepp Bierbichler auch ein Feuerkopf. Einer, in dem über die Schauspielerei hinaus noch vieles gärt. So das Schreiben – abzulesen an seinem 2011 erschienenen, wunderbar eigensinnigen, jahrhundertgeschichtlichen Weltheimatroman „Mittelreich“. Und den hat er als Regiedebütant mit noch nicht 70 Jahren eben auch verfilmt.
Unterm Titel „Zwei Herren mit Anzug“ läuft er gerade in den Kinos, in den Hauptrollen Sepp Bierbichler und sein leibhaftiger Sohn Simon Donatz sowie als Gattin und Mutter Martina Gedeck. Es ist in einer Mischung aus Stoik und Emphase, aus Gemütsruhe und Hirnwut auch eine Abrechnung mit der deutschen, bayerischen Geschichte. Oder, apropos Gären und Denken: Bierbichler, der Gasthaus- und Landwirtschaftsbesitzer in oberbayrischer Bestlage, ist auch ein kritisch politischer Kopf. Einer der offen sagt: „Ich bin Millionär, da kann ich mir leisten, Kommunist sein.“
Er würde das also nicht Mut nennen. Aber Freimut schon. Ein Querkopf eben und darin anregend und manchmal auch anstrengend für seine Regisseure und Mitspieler, denen er ungern das Angepasste und Denkfaule verzeiht. Quer zum hochdeutschen Stadt- und Staatstheater, das er gleichwohl schnell erobert: Als Gastwirt- und Bauernsohn vom Starnberger See bricht er die Hotelfachschule ab, gerät über die Münchner Otto-Falckenberg-(Schauspiel-)Schule und das Holzhausener Laienspiel ziemlich direkt ans Bayerische Staatsschauspiel, vulgo Residenztheater.
Besonders toll sein Titelheld in „Hierankl“ von Hans Steinbichler
Da ist er mit einer Rolle im unsterblichen „Brandner Kasper“ um 1975 schon aufgefallen. Aber als Künstler, ein Wort, über das er mildwild hohnlächeln kann, als Künstler richtig weltberühmt in der deutschen Szene ist er durch Inszenierungen von Herbert Achternbusch geworden. In gleich drei Achternbuschfilmen 1976/77, dem seligen „Atlantikschwimmer“, im „Bierkampf“ und „Servus Bayern“ (teilweise unter Mitwirkung der Schwester Annamirl Bierbichler). Dazu war er in den Ur- und Erstaufführungen seines (mit ihm inzwischen wohl entzweiten) Dichterfreundes Achternbusch 1978 in Stuttgart (zu Peymanns Zeiten) und 1985 in München eine fabelhafte Bauernmutter im Hühnerstall („Ella“) und ein gespenstisch komischer, anarchisch-archetypischer Bösclown („Gust“), gegen den sich die Staatspartei CSU derart empörte, dass sie Bierbichlers groteskem Witz nur recht gab.
Ein sanfter Riese, ein monumentaler Minimalist. Ob in B. K. Tragelehns Shakespeare-Molière-Brecht-Inszenierungen in Bochum, Frankfurt, Berlin (an der Schaubühne). Ob als Horváths Untergeher Kasimir in Christoph Marthalers epochaler Hamburger Version von „Kasimir und Karoline“ Ende der 90er Jahre oder als Unternehmer und Patriarch im Kino: besonders toll sein Titelheld in „Hierankl“ von Hans Steinbichler und Bierbichler als Bert Brecht in Jan Schüttes „Abschied“. Ein Großer, ein Besonderer, der heute 70 Jahre alt wird.
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