Valery Gergiev: Russlands Lied
Valery Gergiev dirigiert im Konzerthaus das Petersburger Mariinsky-Orchester. Die Musiker und Musikerinnen bilden eine bewundernswerte Einheit.
Als „Russe und meinem Heimatland verbunden“ hat sich Valery Gergiev bezeichnet, als es Turbulenzen um seine Leitung der Münchner Philharmoniker gab. Seit Herbst 2015 ist er, der Putin-Freund, dennoch deren Chefdirigent. Aktuell erhebt sich Widerstand gegen ihn in Bayreuth, wo er im Sommer den „Tannhäuser“ dirigieren wird. In Demonstrationen geht es um die Homophobie des Putin-Regimes.
Nun kommt Gergiev mit einem Konzert der Dresdner Musikfestspiele ins Konzerthaus. Und blickt vor Pressevertretern stolz auf sein Petersburger Mariinsky-Theater, das er als Generaldirektor führt. Neun Opern Richard Wagners würden dort gespielt, man verneige sich vor der großen deutschen Tradition.
Elegische Träume
In Berlin spielt das Orchester des Mariinsky-Theaters ein russisches Programm, die Musikerinnen und Musiker bilden mit ihrem Chef eine bewundernswerte Einheit. Zunächst präsentieren sie eine Musik von hübscher Oberfläche, die der Komponist Rodion Schtschedrin als „freche Orchesterscherze“ bezeichnet. Dazu passt, dass die Synkopen Stimmungsmacher sind. Der berühmte Cellist Jan Vogler, Intendant der Dresdner Musikfestspiele, tritt als Solist des seltener gespielten zweiten Cellokonzerts von Schostakowitsch auf. Er setzt mit dem Eliteton seines Instruments ein, der elegisch träumt, um dann eloquent aufzuspielen. Das Largo charakterisiert das ganze Werk, und sich einzufühlen in den Orchesterklang gehört zur Wesensart des Musikers Vogler, der einst Solocellist der Dresdner Staatskapelle war.
Mit feiner Diskretion des Ausdrucks geht Gergiev die Vierte Tschaikowskys an. Das überrascht an diesem Abend. Aufdringlichkeit, die dem Komponisten nachgesagt wird, ist dieser Interpretation fremd. Die Dunkelheit Russlands webt in der Kantablität des Mariinsky-Orchesters so integrierend, als sei sie Eigentum eines einzigen Instruments. Soli der Bläser werden eingebunden. Ohne Podest steht Gergiev auf dem Boden vor dem Orchester. So wird das Pizzicato des Scherzos keine Paradenummer, sondern Musik aus organischem Fluss.