Zensur in Russland: Russisches Gulag-Museum muss schließen
Unter Putin scheint die Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit unerwünscht. Das musste jetzt ein Gulag-Museum erfahren. Das örtliche Kulturministerium ließ das Gebäude schließen.
In Russland ist ein Gulag-Museum zur Schließung gezwungen worden. "Wir haben keinen Zugang mehr zum Museum", sagte der Direktor des Museums im westrussischen Joschkar-Ola, Nikolai Araktschejew, am Freitag. Es habe einen Versuch gegeben, die Exponate zu beschlagnahmen. Aus dem örtlichen Kulturministerium hieß es hingegen, das Gebäude sei geschlossen worden, weil es eine Gefahr für Besucher sei.
Der Direktor versicherte aber, nur das Dach müsse mal repariert werden. "Sie wollen das Museum zerstören, das eine Quelle der historischen Wahrheit und Freiheit ist", sagte Araktschejew. Der frühere Soldat, der mehrere Jahre für die Menschenrechtsorganisation Memorial gearbeitet hat, recherchiert seit Jahren zu den stalinistischen Verbrechen und dem Gulag genannten System der Straf- und Arbeitslager in der Sowjetunion.
Araktschejew versucht insbesondere, die Überreste der Opfer aufzuspüren, die in den Wäldern um die Stadt zu hunderten erschossen wurden. Unter Präsident Wladimir Putin ist die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen zunehmend unerwünscht, zumal sich Putin durchaus selbst in der Tradition von Stalin sieht. Historiker, die zu dieser Periode forschen, werden immer wieder unter Druck gesetzt. Der letztes Jahr herausgekommene Film-Satire "The Death of Stalin" ist in Russland verboten, im Juni berichtete zudem ein Forscher, dass die Behörden Gefängnisunterlagen zum Gulag zerstört hätte.
Oleg Senzow erlitt inzwischen eine Herzattacke
Die Fälle von Zensur und Schikanen gegen politisch unliebsame Kulturinstitutionen und Kulturschaffende in Russland haben sich in letzter Zeit erheblich gehäuft. Erst kürzlich wurde der Hausarrest des regimekritischen Theater- und Filmregisseur Kirill Serebrennikow verlängert. Der ukrainische Filmemacher und Maidan-Kritiker Oleg Senzow, der in einer sibirischen Strafkolonie unschuldig eine 20-jährige Haftstrafe verbüßt, ist seit Mai in Hungerstreik getreten und fordert die Freilassung alles ukrainischen politischen Gefangenen aus russischer Haft. Sein Zustand, berichtet die "FAZ" in ihrer Samstagsausgabe, ist inzwischen kritisch. Seinem Anwalt zufolge nehme Senzow täglich nur ein wenig Nährstoffmischung zu sich und habe bereits eine Herzattacke erlitten. Er weigere sich, im Krankenhaus künstlich ernährt zu werden.
Dennoch arbeitet er offenbar an seinem Theaterstück "Die Nummer", das im Herbst in Kiew uraufgeführt werden soll. Während der Fußball-WM in Russland hatte es erneut zahlreiche internationale Proteste wegen Senzows Inhaftierung gegeben, unter anderem von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Sie erwiesen sich jedoch allesamt als vergeblich, Präsident Wladimir Putin zeigte sich unbeeindruckt von jeglichen Begnadigungs-Appellen. AFP/Tsp