Thriller "Verräter wie wir": Russenmafia, Britengangster
Old-School-Optik mit aktueller Story: Im Thriller "Verräter wie wir" tummeln sich kaltblütige Geldwäscher und korrupte Bankiers. Eine Kritik.
Den romantischen Restaurantbesuch in Marrakesch hat sich Perry (Ewan McGregor) anders vorgestellt. Erst stören lärmende Russen am Nebentisch, dann lässt ihn seine Frau Gail (Naomie Harris), eine Anwältin, für eine dringende Telefonkonferenz sitzen. Und schließlich wird Perry auch noch von einem der Russen nachdrücklich zum Mittrinken aufgefordert – und zu einer wilden Party, zum Tennis und einem pompösen Fest eingeladen.
Die Hartnäckigkeit, mit der Dima (Stellan Skarsgård) ihn immer wieder bearbeitet, macht Perry nicht weiter stutzig. Seinen Gönner hält er für einen gelangweilten Parvenü, der die Gesellschaft von Normalos braucht, um seinen 16000-Dollar-Wein noch genießen zu können. Die Dinge liegen jedoch anders: Nach Machtverschiebungen in der russischen Mafia steht Schatzmeister Dima auf der Abschussliste – und der gutmütige Londoner Poetik-Professor ist seine einzige Chance. Er soll einen Datenstick mit vertraulichen Dokumenten an die britischen Behörden übergeben, von denen Dima im Gegenzug Schutz für sich und seine Familie verlangt.
Elegant altmodisch entwickelt Susanna White ihren Thriller „Verräter wie wir“ – altmodisch insofern, als der Film nicht von atemberaubenden Actionsequenzen oder schwindelerregenden Wendungen vorangetrieben wird, sondern von der präzisen Zeichnung und Motivation der Figuren. So hat nicht nur Dima gute Gründe, sich gegen seine Organisation zu wenden. Auch MI6-Agent Hector (Damian Lewis), der den Datenträger in Empfang nimmt, widersetzt sich seinen Vorgesetzten, als sie Dimas Angebot ausschlagen. Denn der wichtigste Mafia-Kollaborateur ist ausgerechnet ein Spitzenpolitiker, mit dem er noch eine Rechnung zu begleichen hat – und so begibt sich Hector auf eigene Faust auf die Dima- Rettungsmission.
Perry ist ein typisch argloser Jedermann
Ohne Mandat fehlt Hector dafür allerdings das nötige Personal, und so spannt er kurzerhand Perry samt Ehefrau für sein kühnes Manöver ein. Auch Perry hat dafür ein klares Motiv:Einerseits treibt ihn ein ritterliches Gerechtigkeitsempfinden, weshalb er wiederholt Kopf und Kragen riskiert, zum anderen ist die Ehe nach seiner Affäre mit einer Studentin schwer belastet, und Perry nutzt die Gelegenheit, Gail mit Mut und Willensstärke zu imponieren.
Dass die Figur Perry trotz allem weitgehend blass bleibt, ist weder dem Darsteller noch dem Drehbuch anzulasten. Er steht in der Tradition jener arglosen Jedermänner, deren einzige nennenswerte Eigenschaft darin besteht, im entscheidenden Moment über sich hinauszuwachsen – schon bei Hitchcock waren sie eher Folien für Publikumsprojektionen als ausdefinierte Charaktere. Unverschuldet in eine außer Kontrolle geratene Situation gelangt, bildet Perry die Schnittstelle zwischen den riskanten Doppelspielen des Agenten und des abtrünnigen Mafioso. Umso plastischer sind diese beiden gestaltet; vor allem Skarsgård reizt mit Energie und physischer Wucht die Ambivalenz seiner Rolle aus.
Überhaupt nicht altmodisch, sondern absolut zeitgenössisch ist hingegen die von Krisen gezeichnete Welt, in der der Film spielt. Im erbitterten Konkurrenzkampf der Standorte erscheint selbst großangelegte Geldwäsche als willkommene Bereicherung eines Finanzmarkts. Da braucht es dann auch nicht den üblichen exzentrischen Schurken mit Weltherrschaftsneurose als konkreten Gegenspieler für einen Showdown. Stattdessen arbeitet sich „Verräter wie wir“ an einem abstrakten Gegner ab: an der von Moral und Skrupeln befreiten Zockermentalität der politischen Klasse, die gerade in Großbritannien derzeit besonders bestürzend zutage tritt.
John le Carré erzählt von Gier und Macht
John le Carré, auf dessen Roman „Our Kind of Traitor“ (2010) basiert, wird bis heute zu Unrecht vor allem mit seinen Spionagethrillern aus dem Kalten Krieg und ihren einschlägigen Verfilmungen – von „Der Spion, der aus der Kälte kam“ (1966) bis „Dame, König, As, Spion“ (2012) – assoziiert.
Tatsächlich stehen gerade die jüngeren Bücher des heute 84-jährigen Erfolgsautors, in den 1960er Jahren selbst im britischen Geheimdienst tätig, bei Filmadaptionen hoch im Kurs. Nach „Der ewige Gärtner“ (2006), in dem es um die Machenschaften der Pharmaindustrie in Kenia geht, „A Most Wanted Man“ (2014) über den Kampf gegen den Terrorismus und zuletzt der BBC-Miniserie „The Night Manager“ (in Deutschland bei Amazon) über den internationalen Waffenhandel ist „Verräter wie wir“ erneut eine hochaktuelle Vision von Gier, Macht und Korruption.
In 18 Berliner Kinos; OV im Alhambra, Cinestar Sony Center und Neukölln Arcaden; OmU: Babylon Kreuzberg, EiszeitFaF, Hackesche Höfe, Kulturbrauerei
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