Neue Direktorin Josephine Gabler: Ruhigere Zeiten für das Kollwitz-Museum
Nach den Querelen im vergangenen Jahr will die neue Direktorin Josephine Gabler das Käthe-Kollwitz-Museum mit ruhiger Hand leiten.
Vor dem Haus riecht es nach Orangen. Ein Saftstand des Auktionshauses Villa Grisebach nebenan empfängt mit frisch gepressten Vitaminen. Auch Josephine Gabler, die neue Direktorin des Kollwitz-Museums, verbreitet positive Aufbruchstimmung in ihrem sonnigen Arbeitszimmer. Sie will das Haus endlich wieder in ruhigeres Fahrwasser lenken. Genug sei über die Querelen im vergangenen Jahr geschrieben worden, als die Stiftung des langjährigen Auktionshausleiters Bernd Schultz dem Kollwitz-Museum kündigte und die damalige Direktorin Iris Berndt entnervt die Segel strich.
Vor zwei Monaten, Anfang April, hat Gabler das Ruder übernommen. Die Beziehungen zum Nachbarn seien gut. Den geplanten Umzug sieht sie als Chance. Auch der Zeitdruck ist vorerst raus: Nicht zum 31. Dezember 2018, sondern erst Ende 2019 muss das Kollwitz-Museum sein Quartier in der Fasanenstraße räumen. Und wie findet sie Berlin? „Hektisch“, meint Josephine Gabler lachend.
Auf der faulen Haut gelegen hat die promovierte Kunsthistorikerin, Jahrgang 1961, auch an ihrem letzten Arbeitsplatz nicht. Rund 120 Ausstellungen in zehn Jahren stemmte sie als Leiterin des Museums Moderner Kunst in Passau. Und sie steuerte das Privatmuseum über den drohenden finanziellen Schiffbruch nach dem Tod des Gründerstifters 2014 hinweg. Die spezielle Konstellation im Kollwitz-Museum mit seinem privaten Trägerverein unter Vorsitz von Eberhard Diepgen kann sie also nicht schrecken.
Kraft muss ein Werk haben
Ihre ersten Wochen in der Hauptstadt nutzte sie gleich zu einer Kommunikationsoffensive: Kooperationspartner suchen, Kontakte knüpfen und Netzwerke erneuern. Schließlich ist das Kollwitz-Museum nicht das einzige Haus in Berlin, das sich um die Berliner Künstlerin kümmert. „Die Akademie, das Kupferstichkabinett, das Stadtmuseum besitzen tolle Bestände. Ich möchte, dass wir Käthe Kollwitz zusammen erarbeiten“, so die Kunsthistorikerin. Dabei ist sie keine extrovertierte Person, die sich gern ins Rampenlicht schiebt. Fototermine sind ihr ein Gräuel. Unprätentiös tritt sie auf, mit Kurzhaarschnitt und dunkelblauen Hosen, eher zurückhaltend als impulsiv, mehr moderierend als auftrumpfend.
Aber wenn sie beschreiben will, was sie an einem Kunstwerk packt, ballt sie unvermittelt die Faust: Kraft muss ein Werk haben. Und das spürt sie bei Kollwitz, nicht zuletzt in deren Plastiken, über die sie ihre Abschlussarbeit verfasste. Für das Kollwitz-Museum kuratierte Gabler bereits 2012 eine Jubiläumsausstellung mit Plastiken zum 25-jährigen Bestehen. Jetzt hat sie als erste Amtshandlung Kollwitz’ plastische Arbeiten in die ständige Sammlung integriert. Der Porträtkopf der Künstlerin lässt sich nun vis-à-vis der grafischen Selbstporträts studieren. Auch der „Turm der Mütter“ oder die berühmte „Pietà“ suchen den Dialog mit Papierarbeiten.
Zum Regenerieren bleibt keine Zeit
Die Kollwitz-Drucke in Gablers Arbeitszimmer – „alles Faksimiles“ – dagegen hängen da noch von ihrer Vorgängerin, das Umdekorieren muss warten. Auch der private Umzug ist erst halb bewerkstelligt, zum Regenerieren bleibt keine Zeit. Vor einer Wand stapeln sich Archivkisten und Mappen, Material für die nächste Ausstellung. Gabler zieht ein schwarzweißes Familienfoto hervor, darauf ein Kleinkind im schneeweißen Kleidchen: Käthe Kollwitz? Nein, Museumsgründer Hans Pels-Leusden.
Ihre erste Ausstellung knöpft sich den begabten Maler und einflussreichen Galeristen in einer Soloschau vor. Pels-Leusden schwang den Pinsel nach 1945 nur noch als Hobby, neben seiner Kunsthändlerpassion. Gabler erinnert sich, wie der hagere Mann, wenn man in seine Galerie kam, auftauchte und gleich wieder verschwand, sofern keine echte Kundschaft zu erwarten war. Das von ihrer Vorgängerin angeschobene Projekt, Pels-Leusden zu würdigen, findet Gabler gut: „Back to the roots.“ Sie hat aber gleich ihre eigene Werkauswahl getroffen. Im Nachlass suchte sie nach Arbeiten, in denen der Künstler Pels-Leusden ganz bei sich ist.
Mit einem aufmerksamen Blick auf die Wurzeln und Gründer der eigenen Institution startete jüngst auch die neue Chefin des Brücke-Museums, Lisa Marei Schmidt. Sie nutzte ihre Hommage an die Gründerväter zugleich als Gelegenheit, ihr maßgeschneidertes Haus am Grunewald auch architektonisch durchzulüften. Das Kollwitz-Museum dagegen wird künftig ein historisches Mietshaus am Spandauer Damm bespielen, direkt gegenüber des Charlottenburger Schlosses – neben den weltberühmten Sammlungen von Berggruen, Bröhan und Scharf-Gerstenberg.
„90 Prozent unserer Besucher kommen von auswärts, dafür ist der neue Standort ideal“, meint Josephine Gabler. Und die Berliner Besucher? Sie will Gabler mit zwei bis drei Ausstellungen jährlich locken, dabei aber mit ruhiger Hand vorgehen, ohne spektakulären Aktionismus. Vom Dialog mit der Gegenwartskunst, aktuellen politischen Themen und sozialkritischen Bezügen ist vorerst noch nicht die Rede.
Die erste Begegnung mit Kollwitz war 1967
In ihrer eigenen Zeit soll Kollwitz gezeigt werden; nicht als Solitärin, sondern als Netzwerkerin, die auch künstlerisch auf Kollegen und Zeitströmungen reagierte. „Da muss man wirklich vertieft schauen. Wie lehrte sie in ihrem Meisteratelier an der Hochschule? Wie positionierte sie sich als Jurymitglied der Secession? Was hat sie künstlerisch interessiert? Wir könnten vielleicht einmal Rodin zeigen.“ Kollwitz sei immer für Überraschungen gut. Da gebe es noch viel zu entdecken: „Sie immer nur auf ihre sozialkritischen Arbeiten zu beschränken, das ist mir zu wenig. Man hat das Künstlerische bei ihr bislang vernachlässigt."
An ihre erste Begegnung mit den Arbeiten von Käthe Kollwitz kann sich Josephine Gabler noch vage erinnern: „Das muss 1967 gewesen sein. Ich war so klein, dass ich noch nicht über den Rand der Vitrinen blicken konnte.“ Die Arbeit mit Kindern und Schulklassen will die Kunsthistorikerin in ihrem Museum künftig unbedingt stärken, dafür wird es am neuen Standort endlich auch eigene Räumlichkeiten geben.
In Passau von ihr erprobte Konzepte wie „Slow Art“ sollen auch die Erwachsenen animieren, Käthe Kollwitz neu zu entdecken. Ob das gelingt? Josephine Gabler kann viele Erfahrungen einbringen – und wird sie auch brauchen. Dazu gehören langjährige persönliche Kontakte zur Familie Kollwitz, die sich durch einen glücklichen Zufall ergaben. Ihr Vater, ein Arzt, war ein Kollege von Arne Kollwitz, dem Enkel der Künstlerin.
Kollwitz-Museum, Fasanenstr. 24, bis 9.9.; tägl. 11-18 Uhr. Eröffnung am 10. 6. um 17 Uhr.