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Jetzt ist schon wieder was passiert. Josef Hader beim Dreh von „Das ewige Leben“.
©  Mathias Bothor/Majestic

Interview mit Josef Hader zu "Das ewige Leben": Rückschläge sind mein Motor

Keiner verliert stoischer als Josef Hader. Ein Gespräch mit dem österreichischen Schauspieler und Kabarettisten zur Brenner-Krimi-Verfilmung „Das ewige Leben“.

Herr Hader, es ist neun Uhr morgens, nicht gerade eine Zeit, zu der Künstler gerne Interviews geben.
Ich komme gerade aus dem Mühlviertel, wo ich fürs Fernsehen einen Landkrimi drehe. Mit dem Nachtzug Linz-Hannover, dann umsteigen nach Berlin. In einem sehr tollen Schlafwagenabteil, nur für mich allein. Da wollte ich natürlich alles ausprobieren, auch die Dusche. Ich stehe drinnen, es kommt nur kaltes Wasser. Luxus kann echt belastend sein.

Typische Brenner-Verlierersituation! Den von Wolf Haas erfundenen Ex-Cop haben Sie erstmals vor vierzehn Jahren verkörpert. Sie sind ein notorischer Ablehner uninteressanter Rollen, aber die Figur spielen Sie schon zum vierten Mal: warum?
Wenn ich die Rolle spiele, habe ich ja schon am Drehbuch mitgeschrieben. Der Prozess ist eher der, dass man sich fragt, ob man noch mal einen Film erzählen kann, der nicht die anderen wiederholt. Und das machen wir zu dritt, der Wolf Haas, der Regisseur Wolfgang Murnberger und ich. Der erste Brenner war ja eine flockige Komödie, der zweite eine Thriller-Komödie, der dritte eine Horror-Thriller-Romantik-Komödie, jetzt sind wir näher dran am Drama. Gleich nach dem letzten will man nie wieder, nach ein paar Jahren wird man doch wieder weich. Das ist ein bisschen wie nach einer Geburt, dass man die furchtbaren Sachen wieder vergisst, die bei einem österreichischen Filmdreh mit sehr wenig Budget passieren. Wenn sie mich jetzt fragen, würde ich nie wieder so einen Film machen.

Schwarzer Humor ist österreichische Kernkompetenz: Warum können Sie das so gut?
Das können auch Skandinavier. Oder Norddeutsche, wenn ich an die frühen Detlev-Buck-Komödien denke. Kleine Länder wie Österreich haben halt eine Filmszene, die nicht darauf schielen kann, einen Gelderfolg einzufahren. Deswegen können wir verrücktere Filme machen. Wenn man bei uns Kino macht, muss man sehenden Auges in den Verlust gehen. Die Kosten lassen sich kaum hereinspielen. Ein Film muss authentisch sein, sonst geht bei uns niemand dafür ins Kino. Damit ist er aber dann auf dem ausländischen Markt automatisch in einer Liga mit Filmen aus Kasachstan und Bosnien. Und die machen sehr gute Filme (lacht).

Brenner, der Verlierer, stürzt mit jedem Film weiter ab: eine Möglichkeit für Sie, eigene Verlustängste in dieser Figur zu kompensieren?
Kompensieren? (grübelt) Ich bin mir nicht sicher, ob man mit einer Rolle oder indem man auf die Bühne geht, etwas kompensieren kann. Auf alle Fälle kann man sehr schön davonlaufen. Ich merke, wenn ich sehr traurig bin, dass dann die Vorstellungen besonders gut sind. Weil man sich so freut, dass man der eigenen Existenz entkommt. Und es macht natürlich Freude, Dinge auszuleben, die man sich im Leben nicht traut. Aber kompensieren kann man leider nix.

Als Flucht aus dem eigenen Leben könnte man sich aber hübschere Figuren vorstellen als ausgerechnet den Brenner.
Wenn ich einen Typen spielen muss, der rundum mit sich zufrieden ist, dann ist das ja für mich als Schauspieler ein ungeheurer Stress.

Weil sie so unzufrieden mit sich sind?
Weil ich gewohnt bin, mein Leben nicht mit großer Zuversicht anzugehen. Ich habe mir von Anfang an angewöhnt, lieber pessimistisch zu sein, in der Erwartung, dass es dann eh nicht so schlimm kommt. Dadurch liegen mir solche Rollen besser, auch wenn ich nie so ein Schicksal erleben möchte wie der Brenner.

Aber bei Ihnen läuft’s doch prächtig. Jochen Freydanks Kafka-Film „Der Bau“, in dem sie mitspielen, feierte auf dem Ophüls-Festival Premiere. Sie spielen dieses Jahr Stefan Zweig in einem Biopic von Maria Schrader, übernehmen ihre erste Filmregie, ihre Kabarettauftritte sind ausverkauft: Woher rührt der Pessimismus?
Das ist ein Grundpessimismus. Ich habe mir nie zugetraut, dass ich Künstler werden könnte. Ich habe halt gedacht, ich spiele ein bisschen Amateurkabarett. Als ich dann Kabarettist war, habe ich mir nie zugetraut, Schauspieler zu werden oder eine Schauspielschule zu besuchen, weil ich dachte, die Prüfung schaffe ich nie. Und den Film „Indien“ hätte ich nicht gemacht, wenn nicht der Regisseur zu mir gekommen wäre. Ich bin immer eher skeptisch, mir selbst und anderen gegenüber. Woher die Haltung kommt, weiß ich nicht. Da sind auch keine Lehrer dran schuld, das ist viel früher passiert.

Schon auf dem Bauernhof im Mühlviertel, wo sie aufgewachsen sind.
Damals in den Sechziger Jahren wurde ja sehr viel gedüngt. Es könnte natürlich sein, dass man das Ganze auch chemisch erklären kann.

Dann sind Sie also Generation E 605, um mal ein beliebtes Pflanzenschutzmittel jener Jahre zu nennen?
Genau.

Ihr Kollege Tobias Moretti darf als Brenners Gegenspieler Aschenbrenner fit und schön sein: sehnen Sie sich auch nach dieser schauspielerischen und männlichen Strahlkraft?
Tief drinnen sehne ich mich schon danach, souverän und cool zu wirken, privat und im Film. Man muss sich aber aussuchen, was einem körperlich möglich ist.

Da kann man doch heute viel machen.
Dazu habe ich die Kraft nicht mehr. (lacht). Unser Film handelt ja von zwei Männern, die was haben, was der andere gerne hätte. Tobias hat ein paar Szenen mit uns gelesen, und plötzlich war da so eine komische Wärme im Raum, weil seine Figur, der Aschenbrenner, eine Sehnsucht danach hat, ein Freund vom Brenner zu sein. Da haben wir viel mehr von der Figur begriffen. Viele Drehbuchschreiber sagen, ich schreib was und such mir die besten Schauspieler dafür und die spielen das dann. Unser Weg ist aber immer, dass wir versuchen, mit den Schauspielern etwas zu finden. Das ist die Essenz des Filmemachens. Dass man die richtigen Leute findet, aber was dann dabei rauskommt, ist noch nicht sicher, das Ergebnis bis zum Schluss unbekannt. Der Tobias beispielsweise klatscht mich im Film gelegentlich ganz schön an die Wand. Da freu ich mich drüber, weil ich mehr Autor bin als Schauspieler.

Die Konzentration ihrer Mittel schreitet jedenfalls fort: Sie machen immer weniger.
Wenn das Gesicht interessanter wird, aufgrund altersbedingter Deformationen, muss man nicht mehr so viel machen.

Schönheit bedeutet Ihnen nichts?
Ich bin schon eitel. Ich möchte ein bisschen anders sein und trotzdem gelobt werden. Die Schönheit, die alle schön finden, finde ich irgendwie unfein. Deswegen möchte ich auf andere Art schön sein, aber das sollen dann schon möglichst alle Leute merken.

Schön hässlich.
So hässlich, dass alle sagen, das ist schon wieder schön.

Erstaunlich, woher der kaputte Brenner im „Ewigen Leben“ das Selbstbewusstsein nimmt, einer jungen Frau, gespielt von Nora von Waldstätten, gefallen zu wollen.
Männer sind so. Die schauen sich im Spiegel an, alles hängt schon herunter, aber sie halten sich immer noch für jung und glauben, es geht noch was. Die verweigern sich der Idee des Scheiterns, das erlebe ich ja auch an mir. Als junger Mann und jetzt als älterer Mann.

Das erleben Sie oder das praktizieren Sie?
(lacht) Das erlebe ich. (zögert) Obwohl, wahrscheinlich mache ich das auch selber, aber ich bin nicht so …

… der Aufreißer?
… genau, jedenfalls kein offensichtlicher. Im Ernstfall muss man in meinem Alter zuerst sein Gesicht irgendwie wegplaudern.

Was bedeutet Scheitern für Sie?
Scheitern ist unangenehm. Ich hatte mal eine ganz schlechte Kritik in der „Süddeutschen“. Die hatte leider recht. Nach drei Tagen Magenweh habe ich meine Art Kabarett zu machen grundlegend geändert. Da war ich 26. Seither habe ich die etwas katholische Idee, dass man immer was draus machen kann, wenn man eins drauf bekommt. Rückschläge sind ein Motor, die leite ich sofort ins Energiesystem um.

Schön, wenn sich ein Künstler von einer Kritik beeindrucken lässt.
Mir wächst einfach kein dickes Fell. Wenn mir vier kluge Leute sagen, dass der Film gut ist und irgendein Idiot sagt, er gefällt ihm nicht, macht mir der Idiot mehr Sorgen als die vier klugen Leute mich beruhigen können.

Das Gespräch führte Gunda Bartels.

Zur Person: Josef Hader, 53, ist der erfolgreichste österreichische Kabarettist. Außer zehn Liveprogrammen, hat er mehrere Theaterstücke und Drehbücher geschrieben. Die erste Hauptrolle als Filmschauspieler spielte er 1991 in Paul Harathers Komödie „Indien“. Besonders populär machte ihn die Rolle des Ex-Polizisten Brenner in den Wolf-Haas-Verfilmungen „Komm, süßer Tod“ (2000), „Silentium“ (2004) und „Der Knochenmann“ (2009). In „Das ewige Leben“ spielt er ihn nun zum vierten Mal. Wieder unter der Regie von Wolfgang Murnberger und nach eigenem Drehbuch.

Zum Film: Das ewige Leben

Jetzt ist schon wieder was passiert. Der Brenner, dessen fortschreitender sozialer Abstieg den einstigen Bullen in „Das ewige Leben“ allmählich aussehen lässt wie einen Bahnhofspenner, geht nach Graz Puntigam. Da hat er eine Hausruine geerbt, wo er schon sonst nix hat außer Pech und der ewigen Migräne. Kaum angekommen am Ort süßer Jugend, knatternder Mopeds, erster Liebe und alter Kumpeltouren, holt ihn die Vergangenheit mit Macht und Kopfschüssen aus einer Walter PPK wieder ein. Dachte man nach dem „Der Knochenmann“ schon, düsterer geht’s im schwarzhumorigen Verlierer-Universum frei nach Wolf Haas’ Krimivorlagen nimmer, zeigt einem das Trio Haas, Hader, Murnberger dass es das doch geht. Allerdings auf die stillere, unblutigere, psychodramatischere Tour. Der stoische Josef Hader macht schauspielerisch immer weniger und das auch noch am besten. Tobias Moretti brilliert als Brenners ansehnlicher Antipode, der pikanterweise Polizeichef von Graz ist.

Die Filmpremiere mit Josef Hader, Tobias Moretti und Nora von Waldstätten ist am heutigen Dienstag um 21 Uhr im Kino International. „Das ewige Leben“ läuft ab Donnerstag in acht Berliner Kinos.

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