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Hader
© ddp

Interview: Kabarettist Hader: Ironie bis in den Tod

Der Österreicher Josef Hader ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Kabarettisten. Im Interview spricht er über Komik und Kirche, Pathologie und sein Soloprogramm im Berliner Admiralspalast.

Herr Hader, Sie treten in Ihrem Programm „Hader muss weg“ als hysterischer, hypochondrischer, schlecht gelaunter Dauergrantler auf. Sind Sie wirklich so?



„Hader muss weg“ ist ein Theaterstück geworden, aber ursprünglich wollte ich, bevor dieses Stück losgeht, noch vor täuschen, es wäre Kabarett. Ich wollte in einem geschmackvollen Anzug auf die Bühne kommen und Scheinkabarett machen, eine zynische Mischung aus Kabarett und Comedy, nach einer halben Stunde wollte ich ein großes Unglück passieren lassen, einen Kabelbrand oder einen anderen Special Effect, dann hätte ich auf die Straße rauslaufen müssen und das Stück hätte angefangen. Mir sind aber keine Gags für dieses Scheinkabarett eingefallen. Also habe ich als Alternative diese Karikatur von mir selber als altem, ausgebranntem, jammerndem und schimpfendem Kabarettisten entworfen, der nichts mehr will von der Welt und über alles herzieht. Als ich anfing, diesen Schimpfmonolog zu schreiben, machte das enorm viel Spaß. Ich wollte damit gar nicht mehr aufhören. Schimpfen ist einfach eine schöne Sache.

Was ist so toll am Schimpfen?

Es ist total befreiend. Ich konnte alles, was ich mir insgeheim denke, aber nie auf der Bühne sagen würde, einfach mal rauslassen. Vorbild dabei war Jerry Lewis in Martin Scorseses Film „King of Comedy“, in dem er als zynischer, abgehalfterter Komikerstar von einem erfolglosen Kollegen entführt wird.

Das Schimpfen scheint eine österreichische Nationaleigenschaft zu sein. Für diesen grantlerischen Gemütszustand gibt es einen wienerischen Begriff: Schmäh. Was genau ist damit gemeint?

Berlinern müsste man diese Haltung ganz gut erklären können: Das ist eine gelebte, gar nicht mehr bewusst eingesetzte Ironie. In Berlin gibt es das auch, in anderer Form. Da wird es dem Gegenüber direkt ins Gesicht gesagt, in Wien funktioniert es hinterlistiger, wirkt weicher, ist wahrscheinlich aber umso böser. In Wien geht der Schmäh bis in ernsteste Lebenssituationen. Als Ernst Happel schwer krebskrank und schon vom Tod gezeichnet sein letztes Spiel als österreichischer Nationaltrainer leitete, ist ein Sportreporter, der mit ihm dreißig Jahre verfeindet war, zu ihm hingekommen, hat ihm die Hand gereicht und gesagt: „Ernst, sind wir wieder gut?“ Happel antwortete: „Das zahlt sich jetzt auch nicht mehr aus“ und hat ihn einfach stehen lassen. Ironie bis in den Tod.

Sie seien ein „sehr angstbesetztes Kind“ gewesen, haben Sie einmal erzählt. Wo kam diese Angst her?

Genau kann man das nicht sagen, ich muss in frühester Kindheit ein paar ganz schlechte Erlebnisse gehabt haben. Ich bin auf einem abgelegenen Bauernhof in Oberösterreich aufgewachsen, als Großelternkind. Mir fehlten gleichaltrige Spielpartner, bis zum Schulalter hatte ich fast nur mit Erwachsenen zu tun. Dadurch war ich nicht richtig sozialisiert, einen Kindergarten gab es nicht bei uns auf dem Land. So hatte ich es mir auf der Grundschule gleich mal mit allen Gleichaltrigen verdorben. Ich war ein dickliches Kind, das arrogant und verklemmt wirkte und ständig verprügelt wurde. Für mich war die Pubertät eine totale Erleichterung, weil ich danach plötzlich halbwegs etwas mit den Gleichaltrigen anfangen konnte. Ich wurde nicht mehr verdroschen und konnte Konflikte von da an auch leichter übers Reden austragen. Und das Reden hat mir schon immer gelegen.

Mit zehn Jahren kamen Sie auf ein Klosterinternat. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass fast alle großen Komiker und Kabarettisten aus katholischem Milieu kommen, von Karl Valentin über Helmut Qualtinger bis zu Harald Schmidt?

Vielleicht weil im Katholizismus mehr Witze erlaubt sind als im Protestantismus. Man kann ja nachher beichten. Und die katholische Messe mit ihrem Weihrauch und Bombast ist eine Möglichkeit, früh mit dem Theater in Berührung zu kommen. Wenn man noch dazu Ministrant ist – wie ich es war – und bei diesem Schauspiel mitschauspielern kann, ent wickelt man ganz automatisch ein Gefühl für Dramaturgie und komische Szenen. Nichts ist so komisch wie das Feierliche, das schiefgeht. Das ist eine hervorragende Einübung. Als ich dann im Schultheater aufgetreten bin, bei kleinen Sketchen in der Faschingsfeier, späten in Dramen von Dürrenmatt oder Max Frisch, hatte ich zum ersten Mal das Erfolgserlebnis, in einer Sache wirklich gut zu sein.

Medizinische Katastrophen spielen in Ihrer Arbeit eine große Rolle. Ihr Film „Indien“ handelt vom Krebs, in ihrem Programm „Privat“ kamen „Wanderhoden“ vor, in „Hader muss weg“ stellen Sie sich vor, dass Sie an Ihrem eigenen Blut er sticken. Sind Sie ein Hypochonder?

Ich bin jedenfalls medizinisch sehr interessiert. In meinem Bücherregal steht der Pschyrembel neben einem Brockhaus, in dem alle Krankheiten verzeichnet sind. Wenn ich das lese, spüre ich natürlich alle möglichen besorgniserregenden Dinge in meinem Körper. Ich bin kein echter Hypochonder, aber immer ein wenig besorgt um mich. Mit einem Freund schreibe ich gerade eine Fernsehserie über Pathologen in einem Krankenhaus. Dafür sind wir ständig auf der Suche nach schönen Todesursachen, wunderbar.

Welche gibt es da?

Zum Beispiel die Ösophagusvarizenblutung. Eine herrliche Todesursache. Chronische Alkoholiker haben Verätzungen in der Speiseröhre, Krampfadern quasi. Wenn die eine ganz harmlose Operation hatten und man ihnen anschließend rou tinemäßig Blutverdünnungsmittel gibt, verbluten sie von der Speiseröhre in den Magen hinein. Das habe ich gerade in einem Drehbuch vorkommen lasse, ich spiele einen Pathologen im Krankenhaus, der verfeindet ist mit dem Chirurgen und deshalb immer auf der Suche nach Kunstfehlern ist.

Haben Sie zur Vorbereitung in Krankenhäusern recherchiert?

Ich habe Pathologen in mehreren Krankenhäusern besucht und dabei festgestellt: Das sind die Mediziner mit dem besten Humor und die einzigen, die nicht arrogant sind. Einige sagen, sie seien Pathologen geworden, weil sie keine kranken Menschen mögen. Dann schon lieber Leichen. Es sind auch schrullige Leute dabei, einer sagte: Ich habe Ihnen eine Leiche vom Vormittag aufgehoben. Da habe ich zugesehen, wie sie aufgeschnitten wurde. Eine sehr ästhetische Sache. Wie die Organe dann fächerartig aufgeschnitten werden, so dass sie mit einer Hand bewegung wieder zusammengeschoben werden können, das ist fast so schön, wie einem guten Sushi-Koch zuzugucken.

Auch der Detektiv Brenner, den Sie in den Wolf-Haas-Krimi-Verfilmungen spielen, hat ständig mit Medizin zu tun. In „Komm süßer Tod“ ermittelt er unter Krankenwagenfahrern. Brenner sei ein „in sich gekehrter Mensch, der sich überall fremd fühle“, haben Sie gesagt. Ein Seelenverwandter?

Brenner ist ein Mensch in seinen Fünfzigern, der keine Familie hat und auch keinen tollen Beruf. Er ist eine Einzel-AG, eine ziemlich erfolglose. In jedem Film kommt er irgendwohin, wo er nicht dazu gehört. Beim letzten Film „Der Knochenmann“, der im Februar in die Kinos kommt, verliebt er sich, da kommt er etwas weiter rein zu den anderen. Das ist eine Figur, die mir liegt. Obwohl ich selber anders bin. Aber dieses grundsätzliche Gefühl, Außenseiter zu sein, kenne ich seit meiner Kindheit.

Josef Hader, 48, ist einer der erfolgreichsten Kabarettisten deutscher Zunge. Sein Ein-Mann- Stück Privat spielte er nach seiner Premiere 1994 in 800 Auftritten vor 300.000 Zuschauern, ein Rekord für ein Soloprogramm im deutschsprachigen Raum.

Für Filme wie Indien, für den er auch die Vorlage schrieb, oder „Komm süßer Tod“ und „Silentium“, in denen Hader den Privatdetektiv Brenner verkörpert, wurde er auch als Schauspieler gefeiert.

In seinem aktuellen Solo Hader muss weg ist er gleich in sieben Rollen zu sehen – unter anderem als osteuropäische Prostituierte und als Leiche. Die furiose Tragikomödie ist von Mittwoch bis Samstag im Admiralspalast zu sehen, jeweils 20 Uhr 30.

Interview von Christian Schröder.

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