Regisseurin Emily Atef im Wettbewerb: „Romy besaß keinen Filter“
Romy Schneider war keine entrückte Diva, sagt die Regisseurin Emily Atef. Ihr Film über die Schauspielerin, „3 Tage in Quiberon“, läuft im Berlinale-Wettbewerb.
Sie war die Königin der Schmerzen, die ewige Sissi. In Deutschland, in Österreich. Kein Wunder, dass Romy Schneider nach Frankreich geflohen ist, weg von den Etiketten, den Missverständnissen, der Kleingeistigkeit. Nichts wie weg nach Paris, wo das Autorenkino sie nur allzu gern adoptierte. Wo Claude Sautet, Jacques Deray, Claude Chabrol die großen Dramen mit ihr drehten.
Für Emily Atef ist Romy Schneider bis heute vor allem „eine leuchtende Schauspielerin, die selbst in ihren schwächeren Filmen immer wahrhaftig blieb“. Die im Gegensatz zu anderen Grande Dames auch nie die entrückte Diva war, sondern einem das Gefühl vermittelte, zur Familie zu gehören. Ganz nahbar. Worin auch das Verhängnis lag. „Romy besaß keinen Filter“, sagt die Regisseurin von „3 Tage in Quiberon“, der an diesem Montag als zweiter deutscher Film im Wettbewerb läuft. „Sie hat sich nicht geschützt. Und die Leute um sie herum haben sie nicht geschützt. Das ist das Tragische.“
Emily Atef, Tochter einer Französin und eines Iraners, ist 1973 in Berlin geboren. Im Alter von sieben zog sie mit den Eltern in die USA und übersiedelte mit 13 nach Frankreich. Sie sagt, sie hatte eine glückliche Kindheit in Berlin, schon deshalb habe der leichte deutsche Akzent Romy Schneiders in den französischen Filmen stets eine Nostalgie in ihr geweckt. Trotzdem, auf den Gedanken, die Überlebensgroße posthum auf die Leinwand zu bringen, wäre sie nicht gekommen. Schon weil Atef Biopics nicht sonderlich mag, diese Stationen – Galopps durch ein Leben in 90 Minuten.
Erst Atef konnte Marie Bäumer überzeugen
Es war der inzwischen verstorbene französische Produzent Denis Poncet, der mit einer anderen, besseren Idee an Atef herantrat. Wie wäre es mit einem Film, der den Fokus auf das letzte Interview richtet, das Romy Schneider einem deutschen Magazin gegeben hat, dem „Stern“, 1981 in der Bretagne. Poncets Frau besaß einen Band mit den Bildern, die der Fotograf Robert Lebeck damals geschossen hatte. Marie Bäumer, die seit zehn Jahren in Frankreich lebt, könnte doch die Rolle der Romy verkörpern. Klar, die Romy-Vergleiche reißen bei Bäumer seit etlichen Jahren nicht ab. Aber erst Atef hat die Schauspielerin überzeugen können, sich der Herausforderung zu stellen.
„Ich habe ihr versichert, dass ich nicht an einer Imitation interessiert bin, sondern an der Beschreibung eines Zustands. Es geht um diese drei Tage – also vergiss alles andere!“
Der Zustand, das war eine Mischung aus Alkohol, Müdigkeit und Aufgewühltheit. „Eine Zeit, in der Romy total k.o. war“, so Atef, gebeutelt von Krisen, Scheidung, Schulden. „Stern“-Reporter Michael Jürgs, den im Film Robert Gwisdek verkörpert, traf in der Bretagne einen über die Schmerzgrenze hinaus offenen Star. „Im Moment bin ich ganz kaputt“, war die Titelgeschichte später überschrieben, verkauft in Millionenauflage.
Jürgs – der einzige der damals Beteiligten, der noch lebt – war geschockt, als Atef ihm den ersten Drehbuchentwurf schickte. „Ich bin ja ein Satan von Anfang bis Ende!“, habe er gerufen, erzählt die Regisseurin. Ja, er sei der Antagonist, den ein Film nun mal brauche, räumt sie ein. Und versichert zugleich: „Jürgs ist bei mir die Figur, die sich am meisten entwickelt.“ Der Journalist hat dann auch kein Veto eingelegt, sondern stand für alle Fragen nach der Begegnung zur Verfügung.
Über 600 Bilder hat die Regisseurin durchgeschaut
Genau wie Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner im Film), den Atef noch drei Mal treffen konnte, bevor er 2014 starb. Der Titel „3 Tage in Quiberon“ geht auf seinen Vorschlag zurück. Er öffnete auch bereitwillig sein Fotoarchiv. Rund 20 Bilder der Begegnung in der Bretagne waren veröffentlicht worden – von insgesamt über 600. Atef hat sie alle durchgeschaut, in sich eingesogen, mit in den Schlaf genommen. Ihr war schnell klar, dass der Film Schwarzweiß werden musste, in Lebeck-Ästhetik.
Gleichzeitig war die Regisseurin aber nicht auf historische Akkuratesse bedacht. Was wirklich passiert ist damals, was zwischen den Interviewzeilen gesagt wurde, wer mit wem die Nacht verbracht hat, das alles wissen nur diejenigen, die dabei waren.
Es spielt auch keine Rolle, weil die Filmemacherin in ihren Werken stets aus der Fantasie schöpft. Oft begleitet sie dabei Frauenfiguren in psychischen Extremsituationen. Wie in „Töte mich“, der verstörenden Geschichte einer Teenagerin, die einen suizidalen Pakt mit einem entflohenen Strafgefangenen schließt. Oder in dem großartigen Drama „Das Fremde in mir“, in dem Susanne Wolff eine Mutter im Taumel der Depression nach der Geburt ihres Kindes spielt. Mit diesem Film war Atef 2008 zum Filmfest in Cannes eingeladen, zur renommierten Semaine de la Critique.
Fragt man sie, ob nicht auch „3 Tage in Quiberon“ besser zum Prestige-Festival an der Côte d'Azur gepasst hätte, schon wegen Romy Schneiders Pariser Verwurzelung, verneint die Berliner Regisseurin mit französischer Staatsbürgerschaft. Es ist nun eben ein deutscher Film geworden, „über Romy und ihre deutsche Geschichte“.
Am Schluss ein Bild des Friedens
Die endet – und das ist Emily Atef wichtig – zumindest auf der Leinwand mit einem lichten Moment. „Ich brauche das in all meinen Filmen“, bekennt sie. „Ich bin ein optimistischer Mensch. Ich erzähle von Abgründen, aber ich will nicht im Dunklen verharren.“ Sie hätte Romys Via Dolorosa nicht bis zum Tod ihres Sohnes weiterverfolgen wollen. Nicht bis zur totalen Zerstörung.
Stattdessen steht am Schluss ein Bild des Friedens, das ebenfalls von Robert Lebeck inspiriert ist. Der fuhr nach Paris, um Romy das Interview zur Autorisierung zu bringen. Dort traf er sie im Bett an, mit gebrochenem Bein, wie sie mit ihrer Tochter spielte. „Robert sagte mir, er habe sie noch nie so schön gesehen, so glücklich, so in sich ruhend.“