"Human" von Rag'n'Bone Man: Röhrende Unschuld
Knietief in Blues und Soul und das Album zum Monsterhit des Jahres 2016: „Human“, das Debüt des britischen Musikers Rory Graham alias Rag’n’Bone Man.
Es gibt im Pop das gar nicht so seltene Phänomen des Ein-Hit-Wunders. Ein Song erobert die ganze Welt, die ihn monatelang rauf und runter hört, ohne sich groß für den Interpreten oder die Interpretin zu interessieren – und dann ist es auch wieder gut. Oft reicht es danach nicht mal mehr zu einem ganzen Album, und wenn, sorgt dieses kaum noch für Aufsehen. Im Fall des nicht zuletzt durch einen Vodafone-Spot zu einem Monsterhit geratenen und 2016 zwölf Wochen lang die deutschen Single-Charts anführenden Songs „Human“ schien es bislang ähnlich zu laufen: Zeilen wie „ Maybe I'm foolish, maybe I'm blind“ oder „I’m only human after all, don´t put the blame on me“ kann wirklich jeder mitträllern, doch allein der Name des Musikers mit dieser gewaltigen schwarzen Soul- und Blues-Stimme ist schon viel weniger Menschen geläufig.
Rag’n’Bone Man nennt der Mann sich, Lumpensammler, weil die Hauptfiguren seiner Lieblings-Comedy-Serie „Steptoe and Son“ zwei Altwarenhändler sind. Rory Graham heißt er bürgerlich, wurde 1985 in einem Vorort von Brighton geboren und verdiente in einem früheren musikfernen Leben sein Geld als Pfleger und Erzieher von Kindern mit Asperger- und Down-Syndrom. Wenn er nun auf seinen großen Hit ein Album folgen lässt, das ebenfalls „Human“ betitelt ist, hat das zunächst nichts Vertrauenerweckendes, scheint die große Plattenfirma zielsicher ein weiteres Mal vor allem das Massenpublikum anlocken zu wollen. Doch zum einen hat Rory Graham schon mit drei kleineren Veröffentlichungen vor „Human“ bewiesen, wie viel Potential er hat, dass er wirklich nicht nur fuß- und fingerknöcheltief im Blues und im Soul steckt. Unter anderem gibt es darauf großartige Kollaborationen mit dem US-Hip–Hopper Vince Staples, dem britischen R&B-Musiker Jack Garett oder der britischen Rapperin und Lyrikerin Kate Tempest.
Bisweilen stehen hier Joe Cocker und Adele Pate
Zum anderen überwältigt „Human“, Rag’n’ Bone Mans nun offizielles, von Johnny Coffer, Mark Crew und Two Inch Punch produziertes Debütalbum, allein mit der schieren Masse an Musik. Auf der Deluxe-Version gibt es gleich 19 Stücke, die größtenteils mindestens so gut wie der Song „Human“ sind, die von Grahams röhrender Stimme dominiert werden und gleichermaßen ihre Soul- und Bluesanteile haben, zudem ein paar Sprenkel Gospel und nicht zuletzt Hip–Hop. Natürlich hat man beim Hören bisweilen das Gefühl, dass Rag’n’Bone Man die Vorgabe, als weißer Brite schwarze Musik besonders gut spielen zu müssen, übererfüllt. Von allem ist da vielleicht ein bisschen zu viel. So wie er zuviel Bart trägt und vielleicht ein bisschen zu viel Gewicht mit sich herumschleppt, so wie er über und über tätowiert ist, unter anderem steht auf seinen Fingerknöcheln „Funk“ und „Soul“, so wirkt seine Stimme bisweilen etwas over the top, hat es hier einen Pianotupfer zu viel, dominiert dort der Schmerzensmann gewissermaßen „without a cause“.
Ja, manchmal steht Joe Cocker Pate, scheint Rory Graham mit seinem Pop-Appeal und dem ganzen Hymnenhaften mit Adele auf Augenhöhe zu sein. Und da glaubt man schon, den ARD-Sportschaugucker in seinem Fernsehsessel beim Zusammenschnitt der schönsten Tore und Szenen im Abspann „When I heard that sound / When the walls came down / I was thinking about you / About you“ grölen zu hören, den Refrain der „Human“-Nachfolge-Single „Skin“.
Der Blues muss es für den Lumpensammler nicht immer sein
Dann aber beeindrucken immer wieder die Hitqualitäten anderer Songs auf diesem Album, auch deren Lockerheit. Zum Beispiel das wunderschöne, fast swingende Stück „Arrow“. Oder das von sachten Breakbeats vorangetriebene, dezent von Piano und Bläsern begleitete „Ego“. Darin singt Graham davon, seinen Gospel zu kennen, aber deshalb noch lange kein Prediger zu sein. Auf Erlösung, das betont Graham in Interviews gern, sei er gar nicht aus, viel mehr auf ein ordentliches Auskommen mit seinen Mitmenschen. Und wenn es mit der Liebe mal besser, mal schlechter funktioniere, könne er da nichts machen. Der Widerspruch ist ihm bewusst: „It's hard to write and sing sad songs when I feel so happy.", hat er auf einem Konzert gesagt, jedoch gleich angekündigt, schon bald fröhlichere Songs schreiben zu wollen. Der Blues muss es für den Lumpensammler also nicht immer sein, und wenn seine zukünftigen Songs keine Hits werden sollten, stört ihn das auch nicht weiter.
„Human“ ist bei Sony erschienen
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