Berlinale-Eröffnungsfilm "Isle of Dogs": Rex, Sparky und die ganze Meute
Mit Wes Andersons Animationsfilm "Isle of Dogs" eröffnet eine Hunde-Saga die Berlinale. Wird auch Zeit! Die Vierbeiner sind die besseren Menschen - zumindest auf der Leinwand.
Im Kino ist immer Schnauzenalarm. Da jagen die Helden auf vier Pfoten namens Rin Tin Tin oder Pete, der Hund aus den „Kleinen Strolchen“, schon seit seligen Stummfilmtagen auf der Leinwand ihrem eigenen Schwanz nach. Den treuesten Freund des Menschen mit einem Eröffnungsfilm zu ehren, das ist wirklich überfällig. Berlin, die Metropole der Hunde, und die Berlinale, sie sind nun Bello-Avantgarde.
Mit Wes Anderson hat sich ein echter Fellfreund der ehrenvollen Aufgabe angenommen, der vor dem Fabrizieren seiner Hunde-Saga „Isle of Dogs“ bereits 2009 mit „Der fantastische Mr. Fox“ erfolgreich geübt hat. Diesmal heißen seine extrem verzottelten Protagonisten Rex, Boss, King und Duke und müssen sich auf einer riesigen Müllhalde durchschlagen, wohin es den kleinen Jungen Atari auf der Suche nach seinem geliebten Hund Spots verschlägt.
Hund, Junge, Stop Motion – da war doch schon mal was? Aber ja, „Frankenweenie“. Tim Burtons zuerst als zauberhafter Realfilm realisierte, herzzerreißende Freundschaftssaga zwischen dem kleinen Elektronik-Nerd Victor Frankenstein und seinem überfahrenen und wiederbelebten Kläffer Sparky. Wie süß, ein untoter Hund! Der grob zusammengenähte Pitbull ist das netteste Monster der Hunde-Filmgeschichte, lässt sich aber schwerlich als kritischer Beitrag zur Tierrechtsdebatte lesen.
Der Hund als verfremdetes Spiegelbild des Menschen
Da ist ungarische Politparabel „Underdog“ von Kornél Mundruczó, die die Hundequälerei anprangert, schon ein anderes Kaliber. Ein Mädchen sucht seinen Hund Hagen, der, nachdem er fiesen Hundekämpfen entflieht, mit seiner 300 Hunde starken Rachearmee ganz Budapest verschreckt. Eine irre Hunderevolte, in der die Tiere ausnahmsweise echt sind. Und die doch die klassische Kombi Kind und Hund zitiert.
Diese Komplizenschaft ist auf der Leinwand so fest gefügt wie die jahrtausendealte kulturelle Verbindung von Canide und Homo sapiens. Was dem Kindmann Wallace sein Gromit, ist dem Charlie Brown sein Snoopy, ist der Dorothy im „Wizard of Oz“ ihr Terrier Toto. Nicht zu vergessen – Lassie! Die in tränenseligen Kinofilmen und Fernsehserien verewigte edle Collie-Hündin taugte gleich mehreren Generationen von Filmfamilien als ideales, weil selbstloses, seinen Platz jederzeit kennendes Mitglied. Das legendäre Tier ist auch Gegenstand klangvoller Aufsätze wie „Citizen Lassie: Tiere als bessere Staatsbürger im US-Fernsehen der Fünfziger“.
Womit die Katze aus dem Sack, äh, der verrückte Hund aus der Tonne wäre. Wuff, wuff. Kaum einer der zahllosen Filmhunde, ob Boomer, Hachiko, Baxter, Huutsch oder die Rasselbande von Wes Andersons Müllinsel darf einfach nur Hund sein. Die meisten sind Menschen im Fellkostüm, also vermenschlichte Tiere, deren gemeine und noble Taten, deren guter und böser Charakter nur dazu dient, den seltsamen Menschen und ihrer nicht minder wunderlichen Gesellschaft ein verfremdetes Spiegelbild vorzuhalten. Auf diesem Zaubertrick der Anthropomorphisierung haben Animationsstudios wie Disney und Pixar von Bambi bis zum Clownsfisch Nemo ein ganzes Unterhaltungsimperium aufgebaut. Kurzum: Das Gerücht, dass Tiere die besseren Menschen sind – es kommt aus dem Kino.