Yannick Nézet-Séguin dirigiert die Philharmoniker: Reine Pracht
Brahms' Deutsches Requiem in der Philharmonie: die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin.
Nach acht Minuten „Heilig“ findet die Pause statt. Diese ungewöhnlich frühe Zäsur in einem Konzert der Berliner Philharmoniker hat Premierencharakter wie die Komposition, der sie sich verdankt. Denn „Heilig“ ist eine kurze Kantate von Carl Philipp Emmanuel Bach für Soloalt und eine enorme Besetzung, die sich aufteilt in zwei Chöre und zwei vollständige Orchester. Dem Sanctus in deutscher Sprache stellt Bach eine Ariette für Altsolo voran, die Wiebke Lehmkuhl mit wohligem Ton aussingt. Empfindsam geprägt sind die heterogenen Chöre der Engel in lichter Höhe und der Völker aus vollem Rohr, in ihrer Art unwiderstehlich. Eine Entdeckung. Bach schreibt dazu, er habe für dieses „Schwanenlied“ den „meisten und kühnsten Fleiß bewiesen“. Beide Ensembles, die der Komponist einst in Hamburg getrennt positioniert hat, sind auf dem Podium nebeneinander aufgestellt. Daher ist ausführlicher Umbau nötig.
Yannick Nézet-Séguin dirigiert dann das Deutsche Requiem von Brahms. Die philharmonischen Streicher in der Einleitung, der unübertreffliche Rundfunkchor, einstudiert von Gijs Leenaars, musizieren ihm die Seligpreisung zu, mit fein austarierter Dynamik modelliert er, ohne Taktstock, den Klang. Die Aufführung strebt nach Schönheit und Vollkommenheit. Dafür stehen der Chor und das Orchester von Emmanuel Pahuds Flöte, die liebliche Wohnungen baut, bis zu Rainer Seegers’ sensiblem Paukenspiel ein. Was für ein Wohlklang nach dem Trauermarsch in „ewiger Freude“, im Kontrast von Fortissimo und Pianissimo in einer einzige Phrase! Mit dem Psalmtext „Herr, lehre doch mich“ setzt in klarer Verkünderdiktion Markus Werba ein, während Hanna-Elisabeth Müller eher unterkühlt von mütterlicher Tröstung singt. Das gewaltige Dies irae, der Abgesang „Selig“ künden von dirigentischer Souveränität.
Und doch: Brahms’ Anlehnung an die Vergangenheit verbirgt nicht ihre Längen. Die monumentale Prachtentfaltung, die Nézet-Séguin zelebriert, ist so berauschend, dass ihm die Zwielichttöne untergehen, das Geheimnisvolle, „ein Tappen von suchenden Schritten“, wie Ernst Bloch es charakterisiert.
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