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Ein Abend unter Freunden. Simon Rattle in der Philharmonie.
© Monika Rittershaus

Berliner Philharmoniker: Rattle dirigiert das Christus-Oratorium

Der ehemalige Chefdirigent Simon Rattle bringt mit den Berliner Philharmonikern Rares auf die Bühne.

Er fühle sich ein wenig wie Antony Hopkins in dem Film „Die zwei Päpste“, hat Simon Rattle jüngst in einem Interview gesagt. Obwohl er im Sommer 2018 als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker abgedankt hat, lebt er immer noch in der deutschen Hauptstadt und kann somit seinen Nachfolger Kirill Petrenko aus nächster Nähe beobachten.

So wie Josef Ratzinger nach seinem Rücktritt den neuen Gottesstellvertreter Franziskus.

Nur, dass im Fall von auf Rattles mehr Sympathie im Spiel ist als zwischen den beiden Päpsten in Fernando Meirelles großartigem Film (zu sehen bei Netflix). Die zwei Dirigenten mochten sich schon immer, und wenn Rattle neben seinen Verpflichtungen als music director des London Symphony Orchestra Zeit hat, kommt er auch mal als Zuschauer in die Philharmonie, wenn Kirill Petrenko dirigiert, wie neulich bei Josef Suks „Asrael“-Sinfonie.

Angenehm freundschaftlich ist die Atmosphäre auch am Donnerstag, zum Start des ersten Programms, das Sir Simon in dieser Saison mit seinem ehemaligen Orchester erarbeitet (kommende Woche folgt dann eine Berio-Bartok-Kombination).

Solist bei Richard Strauss’ Oboenkonzert ist ein Philharmoniker, Jonathan Kelley, der anschließend vom Stimmgruppenkollegen Dominik Wollenweber die Blumen überreicht bekommt. Woraufhin er ihn spontan umarmt, so wie er es zuvor bereits mit Rattle und Konzertmeister Daishin Kashimoto getan hat.

Freundschaftliche Atmosphäre

Strauss’ Oboenkonzert, uraufgeführt 1946, ist eine Beschwörung der „guten alten Zeit“, geschrieben in einem irritierend romantisierenden Fantasie-Rokoko- Stil. Ziemlich geschwätzig kann die Partitur wirken – doch Jonathan Kelly und Simon Rattle sind sich einig, wie sie diesen Eindruck vermeiden können: Indem sie nämlich das Stück ganz leicht nehmen, als charmantes Divertimento, und darum so duftig wie möglich musizieren.

Singvogelhaft lässt der Oboist sein Instrument in den schnellen Ecksätzen klingen, wunderbar empfindsam, mit mattgoldenem Schimmer, modelliert er die endlose Melodie im Andante.

Nach der Pause folgt mit Beethovens Oratorium „Christus am Ölberge“ ein weiteres Nebenwerk eines ganz großen Meisters. Ziemlich ungelenk hat der 33-jährige Komponist dafür 1803 Elemente aus Sakralmusik und opera seria zusammenmontiert.

Doch als Kenner der im 18. Jahrhundert wurzelnden Klangrhetorik weiß Rattle – der an der Lindenoper gerade eine Neuproduktion von Mozarts „Idomeneo“ vorbereitet – auch daraus Funken zu schlagen.

Wie elektrisiert spielen die Philharmoniker, Benjamin Bruns singt den Erlöser mit glasklarem Tenor und perfekter Textverständlichkeit, Iwons Sobotka hat für den Engel einen angemessenen Jubelton.

Elektrisiert spielen die Philharmoniker

Die Herren des von Simon Halsey vorbereiteten Rundfunkchors liefern sich ein Vokalduell als Krieger respektive Jesus’ Jünger, bevor sie sich am Ende mit den Damen zwecks Fortissimo-Gotteslob zum wahrlich himmlisch klingenden Kollektiv vereinen.

Eher in Moll statt in Dur ist die Stimmung derzeit ja jenseits des Ärmelkanals, wo Rattle seit seinem Amtsantritt beim London Symphony Orchestra für den Bau eines neuen Konzerthauses kämpft. Es gibt einen spektakulären Entwurf vom New Yorker Architekturbüro Diller Scofidio & Renfro – doch der politische Wille für so ein 290-Millionen-Pfund-Projekt sei derzeit nicht vorhanden, räumt der Dirigent ein.

Da dürfte ihn die Nachricht erheitert haben, dass die City of London Corporation am Donnerstag 6,8 Millionen Pfund freigegeben hat, mit der die Planungen für das Musikzentrum vorangetrieben werden können.

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