zum Hauptinhalt
Philip Tägert alias Fil, geboren 1966 im Märkischen Viertel in Berlin, lebt heute in Prenzlauer Berg. Sein Programm „Die Verschiedenheit der Dinge“ läuft bis 24.1. im Mehringhoftheater. Dort ist am 18.1., 20 Uhr, auch die Buchpremiere von „Pullern im Stehn“ (Rowohlt, 256 S., 9,99 €), weitere Lesungen: 11.–13. 5. im Babylon Mitte.
© Doris Spiekermann-Klaas

Fil im Interview: Punker lesen keine Bravo

Fil ist Zeichner, Bühnenkünstler und jetzt auch Romanautor. Ein Interview über sein neues Buch „Pullern im Stehen“, über Comedy, Comics und den Humor in schwierigen Zeiten.

Tagesspiegel: Eigentlich siezen wir ja Interviewpartner immer. Aber „Herr Fil“ geht irgendwie nicht, oder?
Fil: Nee, mach’s duzend!

Du erzählst in Deinem aktuelle Buch „Pullern im Stehen“ von den Irrungen und Wirrungen eines jungen Mannes aus dem Märkischen Viertel, der Dir bis aufs Haar zu gleichen scheint, trotzdem steht „Roman“ drauf – wie viel echter Fil steckt in dem Roman-Fil?
„Roman“ wollte ich da aus Eitelkeit drauf stehen haben. Aber da steckt viel von mir drin, natürlich. Ich habe allerdings einiges getan, damit es lustig ist, und mich mehr zu Deppen gemacht, als ich es war. Aber ich war damals auch ein totaler Depp. Ich bin also in dem Buch sehr realistisch dargestellt. Aber ein „Roman“ ist es, weil ich die anderen Leute in dem Buch zweidimensionalisiert habe.

Was heißt das?
Ich wollte anhand der Dinge, die wirklich passiert sind, eine Geschichte über die Pubertät in den 1980er Jahren schreiben. Dafür habe ich bestimmte Dinge verdichtet, um klar zu machen, wie es ist, wenn Du in der Pubertät bist und keine Informationen hast, was mit Dir selbst und um Dich herum los ist.

Es ist ein Buch der Extreme: Einerseits die tieftraurige Leidensgeschichte eines Jugendlichen, der mit sich und der Welt lange nichts anzufangen weiß, sich das Leben nehmen will und die ganze Zeit irgendwie neben sich steht – gleichzeitig voller äußerst komischer Momente und dazwischen jede Menge tiefgehende Reflexionen über das Leben an sich. Beim Lesen schwankt man zwischen laut Lachen und Mitgefühl – welche Gefühle überwogen beim Schreiben?
Als Rowohlt mich fragte, ob ich ein Buch schreiben will, war ich erst total euphorisch. Natürlich habe ich zu Anfang gedacht, ich schreibe das lustigste Buch der Welt und mache es nicht wie alle, indem ich meine weinerliche Autobiografie schreibe. Dann habe ich vor drei Jahren angefangen und so Szenen mit meinen Freunden beschrieben, aber das hat nicht funktioniert.

Wieso?
Da waren einfach zu viele Gags drin. Außerdem habe ich da rumgekrampft, um ein wirklich komisches Buch zu schreiben. Dann habe ich aber immer mehr Gags und ausgedachte Sachen wieder weggenommen und bin irgendwie da reingerutscht, dass ich auf einmal von meiner Kindheit zu erzählen anfing. Und das hat mich dann plötzlich total traurig gemacht und ich habe mich geschämt, weil ich dachte, das Buch ist ja total weinerlich.

Warum hast Du Dich dafür geschämt?
In meiner Jugend habe ich diese Traurigkeit gar nicht bewusst erlebt, auch wenn da viele sehr traurige Dinge passiert sind. Aber ich habe damals eigentlich immer nur gelacht und den Sonnyboy gespielt. Ich war auch beliebt – und trotzdem habe ich versucht, mich umzubringen. Warum habe ich aber eigentlich nie kapiert.

Und das ist Dir jetzt durch die Arbeit an dem Buch erst klar geworden?
Genau. Damals als ich jung war, dachte ich immer, ich bin der einzige totale Verrückte. Ich wollte immer so sein wie die anderen, aber war nicht so. Und so eine Nerd-Kultur wie heute, zu der man sich dann trotzdem zugehörig fühlen kann, gab’s damals noch nicht. Die 80er waren einfach eine schwierige Zeit, vor allem wenn Du in der Pubertät bist und keine Informationen hast über das, was da gerade mit Dir los ist und dass dir dadurch dann irgendwann das ganze Leben zuwider ist.

Aber die 80er Jahre waren doch auch die Hochzeit von Dr. Sommer und der „Bravo“-Sexberatung…
Aber das haben wir ja als Punker nicht gelesen. Die Mainstream-Normalos wussten das wahrscheinlich alles, aber ich war ja mit 14 schon Punk und musste mich cool gebärden, weil ich mir eine neue Identität gesucht hatte: Das narzisstische Selbst sucht sich im Außen oder so…

Klingt so, als ob die Arbeit an dem Buch kathartisch war.
Ne, das nun auch wieder nicht: Es war eine einzige Quälerei. Ich hätte zehn Mal aufgehört, wenn mein Verlag mir nicht harte Deadlines gesetzt hätte. Ich habe es am letzten Tag um Mitternacht abgegeben. Und in der Nacht davor habe ich noch überlegt, ob ich ihnen den Vorschuss zurückgebe und sage: Wir lassen es sein. Das hat mich in einen Unglückszustand geworfen, sodass ich auch erst gar keine Werbung für das Buch machen konnte. Aber inzwischen habe ich meinen Frieden damit geschlossen.

Auf Deiner Facebook-Seite hast Du vor ein paar Wochen geschrieben, Du würdest das Buch gerne „Mein Baby“ nennen, aber es ist dann doch eher ein Nierenstein geworden.
Ja, ich hatte mich da einfach verschätzt. Als Comiczeichner dachte ich immer, Schreiben ist leichter als Zeichnen. Aber ich bin da total an meine Grenzen gestoßen, von den Schreibfähigkeiten her und auch bei der Frage: Was darf ich eigentlich erzählen?

Aber gerade Deine Comics leben ja auch sehr von den lebendigen Dialogen, vor allem zwischen Deinen bekanntesten Figuren Didi und Stulle, die Du bestimmt auch oft zuerst schreibst, bevor Du mit dem Zeichnen beginnst.
Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal fange ich mit einem Kästchen an, da geht einer los und ihm passiert was, das geht aber in 50 Prozent aller Fälle schief. Die besseren Didi-und-Stulle-Strips sind schon die, die ich vorher schreibe und die vom Text ausgehen. Die sind aber auch schwerer zu machen und da krampfe ich auch schon.

Merkt man ihnen aber nicht an. Und auch Dein neues Buch liest sich so, als hättest Du einfach drauflosgeplaudert.
Aber das ist die 25. Version! Das habe ich x-mal überarbeitet.

Dabei hat man zum Beispiel bei der Lektüre Deiner Facebook-Seite das Gefühl, Du bist jemand, dem Witziges einfach so rausfließt. Da finden sich fantastische Kurztexte, dadaistische Poesie, Hingerotztes…
Da geht’s ja auch. Auf Facebook kann ich ganz leicht schreiben, weil ich Facebook nicht ernst nehme – anders als ein gedrucktes Buch. Internet ist Trash, Comics ebenso. Da kann man nichts falsch machen, da kann ich locker sein.

Klingt nach Punk.
Ja, ich stände heute nicht auf der Bühne, wenn ich nicht aus der Punk-Szene gekommen wäre. Ich konnte ja anfangs gar nichts und hab das erst auf der Bühne gelernt.

Was Fil zu Sido, Pärchen-Terror und "Charlie Hebdo" sagt

Tagesspiegel: „Pullern im Stehn“ spielt größtenteils im Märkischen Viertel und zeichnet ein düsteres Bild dieser Hochhausgegend am nördlichen Rand Berlins. Ganz anders als bei Sidos Lied „Mein Block“, den viele Leute mit dem Viertel verbinden, wo er über das Leben im coolen Ghetto rumprotzt.
Fil: Ich war neulich in einem Fernsehbeitrag zu „50 Jahre Märkisches Viertel“, da gab’s dann auch ein Video von Sido. Aber der nimmt das Märkische Viertel ja nur als Kulisse und fantasiert sich da was zurecht.

„Ist das jetzt echt?“ Diese Frage stellt man sich sowohl bei manchen besonders drastischen Szenen in „Pullern im Stehn“ wie auch bei Deinen Comedy-Shows, wo Du neben fantastischem Irrsinn auch mal davon erzählst, wie Du Deiner Tochter morgens vor der Schule Stullen schmierst und Dich als Single oft einsam fühlst – wie viel von dem öffentlichen Fil, den jeder ein bisschen zu kennen meint, ist frei erfunden?
Stan Laurel wurde mal in einem Interview gefragt, was Humor ist. Seine Antwort: Ein Mann, der ein Problem hat. Das trifft’s. In dem öffentlichen Fil ist viel von dem echten Fil drin, aber auch nicht alles. Ich bin zum Beispiel gar kein Single.

Was? Das vermittelst Du aber in Deiner aktuellen Show sehr authentisch, wo Du über den Pärchen-Terror lästerst.
Okay, als ich das geschrieben habe, war ich auch mal kurz Single. Und ich war echt genervt von den Pärchen. Ich verzweifle an der modernen Zeit mit den vielen Optionen, die wir haben, wo man sich dann doch für einen Partner entscheiden muss. Aber ich merke: Je näher an mir die Sachen sind, die ich öffentlich präsentiere, desto mehr Leute kommen hinterher zu mir und sagen: Ja, so geht’s mir auch! Aber ich habe auch meine Grenzen: Meine Tochter würde ich jetzt nicht als Character nehmen. Und meine Eltern sind auch nicht wirklich so schrecklich wie in dem Buch. Das habe ich nur etwas zugespitzt, damit das lustiger ist.

Wie haben die eigentlich auf „Pullern im Stehn“ reagiert? Deine Mutter erscheint in Deiner Erzählung als bemühte, aber mit Dir überforderte Frau, Dein Vater ist ein fremder Mann mit Anzug und Aktenkoffer, von dem Du keine Ahnung hast, was er macht…
Ja, das stimmt aber. Gelesen haben sie es noch nicht – und ich hoffe, sie tun es auch nie. Das ist mein größtes Problem, was meine Eltern dazu sagen werden. Ich hoffe, die nehmen mir das nicht krumm. Aber letztlich habe ich mich beim Schreiben in die Sicht meines pubertierenden Selbst versetzt, und das war nun mal egozentrisch. Ich habe andere Menschen in meiner Pubertät ja kaum wahrgenommen, und meine Eltern auch nicht.  Deswegen kommen in dem Buch eigentlich alle schlecht weg, auch wenn ich ja der größte Idiot von allen bin – ich hoffe, sie kommen damit klar.

Du hast Dich schon als Jugendlicher als großer Geschichtenerzähler profiliert und Dich dabei oft zum Depp gemacht hast – scheint eine gute Schule für den Komödianten Fil gewesen zu sein, dessen Shows inzwischen große Säle füllen…
Das ist ja bei allen so. Wenn Du einen schlechten Komiker siehst, weißt Du gleich: Glückliche Jugend! Warum sollte er es sonst machen? Ich war auch in meinem Freundeskreis im Märkischen Viertel nicht der Komischste, die Mörder-Gags haben immer die anderen gebracht. Aber ich hatte das größte Bedürfnis. Und ich zehre immer noch vom Humor meiner damaligen Freunde, auch wenn ich damals das ärmste Würstchen war. Deswegen sind ja Frauen so selten Komiker: Die kommen einfach sozial besser klar.

In Deinen Bühnenshows verarbeitest Du auch ja viele Inspirationen aus Deinem aktuellen Leben, vor allem Eindrücke aus dem Gentrifizier-Viertel in Prenzlauer Berg, wo Du wohnst. Das scheint in humoristischer Hinsicht eine ergiebige Nachbarschaft zu sein, auch wenn Du eine Hassliebe zu Deinem Kiez zu pflegen scheinst…?
Das ist für mich sehr schwer, denn ich bin total harmoniebedürftig.

Du?
Ja, ich habe es zum Beispiel in der Hochzeit des Schwabenhasses abgelehnt, in Fernsehsendungen dazu aufzutreten. Und vier Verlage haben mich angefragt, ob ich nicht ein Schwabenhasser-Buch schreiben will. Das habe ich abgelehnt, weil ich diese Themen nur um des Humors Willen aufgreife, aber nicht aus einem Hass heraus. Ich sitze hier nicht den ganzen Tag bitter rum und denke: Oh Gott, diese Bartträger! Mir ist es persönlich komplett egal, wie einer rumläuft. Ich nehme das nur als Material für meinen Humor. Ich achte sehr darauf, nicht zu verbittern, das wäre dann keine Komik mehr. Und wenn ich mal wirklich auf etwas sauer bin, kann ich darüber auch keine Witze machen.

Zum Beispiel?
Es macht mich wahnsinnig, dass wir in diesem Turbokapitalismus leben, dem gebe ich die Schuld an allem, was derzeit in der Welt schief läuft. Das macht mich irre, aber könnte darüber keine kabarettistische Nummer machen, weil ich zu hasserfüllt wäre. Auch an Politik verzweifle ich, deswegen kann ich keine leichtfüßigen Witze über Angela Merkel machen.

Viele Satiriker und Cartoonzeichner empfinden die Anschläge von Paris als besonders tragisch, weil bei "Charlie Hebdo" auch ihre Berufskollegen starben - wie gehst Du damit um? Kann man von Dir auch einen öffentlichen Kommentar dazu erwarten, als Cartoon oder auf der Bühne?    
Direkt danach konnte ich dazu erstmal gar nichts sagen, vor allem keinen Cartoon zeichnen. Ich war so wütend - meine Ideen waren viel zu hasserfüllt und vor allem nicht lustig. Der Humor stirbt zuerst, das fällt mir immer wieder auf. Wenn wir uns genötigt sehen, krasse breitbeinige Mohammed - Karikaturen zu zeichnen, dann haben sie gewonnen. Inzwischen hab ich viel drüber nachgedacht, endlos mit meinen analogen Freunden diskutiert und hab ne Nummer draus gemacht fürs neue Programm. Die ist hart und krass - aber vor allem ist sie witzig. Die Leute lachen jedenfalls und das will ich. Nicht, dass sie denken : Fil ist einer von den Guten, sondern dass der Humor wiederkommt. Er stirbt - dann kommt er zurück. So geht Humor.

Wie Fil Comiczeichner wurde und wieso ihn KZ-Geschichten langweilen

Philip Tägert alias Fil, geboren 1966 im Märkischen Viertel in Berlin, lebt heute in Prenzlauer Berg. Sein Programm „Die Verschiedenheit der Dinge“ läuft bis 24.1. im Mehringhoftheater. Dort ist am 18.1., 20 Uhr, auch die Buchpremiere von „Pullern im Stehn“ (Rowohlt, 256 S., 9,99 €), weitere Lesungen: 11.–13. 5. im Babylon Mitte.
Philip Tägert alias Fil, geboren 1966 im Märkischen Viertel in Berlin, lebt heute in Prenzlauer Berg. Sein Programm „Die Verschiedenheit der Dinge“ läuft bis 24.1. im Mehringhoftheater. Dort ist am 18.1., 20 Uhr, auch die Buchpremiere von „Pullern im Stehn“ (Rowohlt, 256 S., 9,99 €), weitere Lesungen: 11.–13. 5. im Babylon Mitte.
© Doris Spiekermann-Klaas

Tagesspiegel: Man hat bei Deinen Shows den Eindruck, dass Du am Anfang ein paar Stichworte im Kopf hast, sich aber das meiste erst im Dialog mit dem Publikum ergibt – trifft das zu?
Fil: Absolut nicht. Es ist immer eine Mischung harter, stupider, quälender Arbeit und einer völligen Leichtigkeit. Die Arbeit besteht vor allem aus dem Schreiben der Witze und Lieder, da sitze ich dann vor dem weißen Blatt Papier und verzweifle fast, weil ich denke, ich habe keinen Humor, ich habe keine Themen, ich bin durch, ich bin alt geworden. Da schreibe ich viel, das ich dann später wieder rauswerfe, in der aktuellen Show habe ich alleine 13 Lieder wieder rausgeworfen. Und die Leichtigkeit kommt dann erst auf der Bühne in dem Moment der Performance, wenn ich sehen dass das funktioniert.

Zum Comiczeichnen bist Du, wie man in Deinem Buch erfährt, eher durch einen Unfall gekommen, als Du wegen einer fehlgeschlagenen Operation lange zu Hause lagst und Zeit hattest, das autodidaktisch zu lernen – und daraus wurde dann ein Beruf, mit dem Du schon in frühen Jahren Deinen Lebensunterhalt verdient hast…
Von wegen, vom Comiczeichnen konnte ich nie leben. Dafür wird da viel zu wenig Geld gezahlt. Nee, meinen Lebensunterhalt verdiene ich mit meinen Bühnenshows. Ich würde mehr Geld haben, wenn ich keine Comics mehr zeichne und mehr auftrete. Aber Comics sind mir wichtig. Die haben mir damals, als ich als Jugendlicher meine ersten Arbeiten veröffentlichte, dabei geholfen, erstmals mit Leuten zu kommunizieren.

Wie das?
Die haben gelacht, ich habe Rückmeldungen bekommen. Auf einmal habe ich gemerkt, ich bin nicht alleine, die Leute sehen das auch so. Am Anfang, mit 14, habe ich ja viele punkmäßige Comics gemacht, mit der Figur Punkers Horst, der im Grunde genommen ich als junger Typ war. Und durch die Reaktionen darauf habe ich gesehen, ich bin nicht der einzige uncoole Typ, der mit dieser coolen Art nicht so klarkommt. Das war sehr tröstlich. Heute in Zeiten des Internets ist das alles viel einfacher, aber wie sollte man den damals die Leute finden, die zu einem passen?

Was für Comics liest Du selber gerne – oder gehörst Du zu denjenigen Comiczeichnern, die kaum andere Comics lesen?
Ich mag Superheldencomics, lustige Comics, Mangas und sogar einige Graphic Novels. Aber ich merke oft, dass es mir zu viel vorgibt, wenn die Zeichnung schon da ist. Da entstehen in meinem Kopf keine eigenen Bilder. Ich habe jetzt gerade die „Die Brüder Karamasow“ gelesen und sehe die ganzen Brüder vor mir. Durch die Leistung, die Bilder selber entwickeln zu müssen, geht das tiefer. Aber ich liebe Comics und werde sie auch weiterlieben. Auch wenn ich mit der aktuellen Graphic-Novel-Welle so meine Probleme habe.

Hast Du Angst, dass der Comic dadurch seine Rotzigkeit, sein Außenseite-Image verliert?
Ja. Und Comics sind für mich nun mal eher lustig oder Geschichten mit Superhelden, die eine reichhaltige, faszinierende Mythologie haben. Es würde mich reizen, mal eine deutsche Superheldenmythologie zu entwickeln. Aber wo sollen die leben – in Bremen? Das haut einfach nicht hin. Und in der aktuellen Comicszene finde ich mich derzeit nicht wieder.

Im Moment sind ja auch viele ernste Themen im Comic populär, von politischen Reportagen und Geschichten aus der Nazi-Zeit und der DDR bis zu autobiografischen Selbstreflexionen…
Ja, und mit diesen Nazi-Büchern bin ich aufgewachsen. Da brauche ich nicht „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ nochmal als Graphic Novel. Bei diesen Nazi-Geschichten hat mich immer genervt, dass Du eh schon weißt, wie es endet. Nämlich traurig. Es soll uns betroffen machen. Und je mehr es das soll, desto weniger will ich das eigentlich lesen. Ich mochte „Maus“ eigentlich nur wegen der Gespräche des Autors Art Spiegelman mit seinem Vater, die KZ-Sachen fand ich langweilig.

Am Schluss eine Frage zum Thema Schlüsse: „Pullern im Stehn“ hört einfach mitten im Satz auf, und auch manche Didi-und-Stulle-Geschichte scheint unvermittelt abzubrechen. Hast Du Probleme damit, eine Sache zu Ende zu bringen?
Ja, ich kann nicht enden. Es gibt ja auch im Leben kein Ende. Ich habe zehn Enden geschrieben, aber die waren alle kitschig. Diesen Schluss habe ich jetzt in der Nacht vor der Abgabe geschrieben. Ich hätte dieses Buch nie im Leben zu Ende geschrieben, wenn ich nicht gemusst hätte. Eigentlich unglaublich, dass ich das überhaupt geschafft habe.

Philip Tägert alias Fil, geboren 1966 im Märkischen Viertel in Berlin, lebt heute in Prenzlauer Berg. Sein Programm „Die Verschiedenheit der Dinge“ läuft bis 24.1. im Mehringhoftheater. Dort ist am 18.1., 20 Uhr, auch die Buchpremiere von „Pullern im Stehn“ (Rowohlt, 256 S., 9,99 €), weitere Lesungen u.a.: 11.–13. 5. im Babylon, Berlin Mitte. Hier die komplette Liste der Lesungen aus  „Pullern im Stehn“:

Fr. 13.02.15 Kleinmachnow, Kammerspiele

Do. 26.02.15 Dresden, Staatsschauspiel

Fr. 27.02.15 Weimar, Mon Ami

Di. 10.03.15 Düsseldorf, Zakk

Mi. 11.03.15 Heidelberg, Karlstorbahnhof

Do. 12.03.15 München, Vereinsheim

Fr. 13.03.15 Darmstadt, Centralstation

Sa. 14.03.15 Stuttgart, Merlin

Mo. 23.03.15 Bonn, Pantheon

Di. 24.03.15 Wiesbaden, Schlachthof

Mi. 25.03.15 CH-Zürich, Kaufleuten

Do. 26.03.15 Freiburg, Vorderhaus

Fr. 27.03.15 Lorsch, Theater Sapperlott

Sa. 28.03.15 Magdeburg, Moritzhof

Mi. 15.04.15 Potsdam, Lindenpark

Sa. 18.04.15 Osnabrück, HdJ

So. 19.04.15 Bremen, Schlachthof

Mo. 20.04.15 Hamburg, Uebel & Gefährlich

Di. 21.04.15 Kiel, Studio-Kino

Mo. 11.05.15 Berlin, Babylon

Di. 12.05.15 Berlin, Babylon

Mi. 13.05.15 Berlin, Babylon

Di. 09.06.15 München, Volkstheater

Mi. 10.06.15 Erlangen, E-Werk

Do. 11.06.15 Rüsselsheim, Das Rind

Fr. 12.06.15 CH-Basel, Parterre

Sa. 13.06.15 Karlsruhe, Tollhaus

Mi. 22.07.15 Prerow, Kulturkaten Kiek In

Sa. 29.08.15 Frankfurt, Museumsuferfest

Zur Startseite