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Eichenfachwerk. Schloss Cecilienhof nach der Renovierung.
©  Olaf Saphörster

Schloss Cecillienhof: Pracht und Pflege

Bis 2030 wird die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten 565 Millionen Euro in die Denkmalpflege investieren. Ein Besuch im frisch sanierten Schloss Cecilienhof

750 Hektar Parklandschaft, 300 Gebäude - die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ist ein riesiges Facility-Management-Unternehmen. Wobei der Immobilienbestand recht überaltert ist. „Schlösser werden Pflegefälle“, formuliert der scheidende SPSG-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh das Dilemma. Je beeindruckender die Historie eines Hauses, desto aufwändiger gestaltet sich ihr Unterhalt.

Obwohl seit den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs in Ost und West stets das Mögliche getan wurde, um das königliche Erbe zu bewahren, ging es um die Jahrtausendwende vielen steinernen „Patienten“ der Stiftung so schlecht, dass ein Sonderinvestitionsprogramm her musste, um den aufgelaufenen Investitionsstau aufzulösen. Ein Masterplan wurde aufgestellt, die SPSG-Geldgeber vom Bund sowie den Ländern Berlin und Brandenburg stellten für eine erste Phase von 2008 bis 2017 fast 165 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

44 der dringlichsten Projekte konnten so angegangen werden, das Neuen Palais profitierte ebenso wie die Schlösser Charlottenburg, Babelsberg, Rheinsberg, Grunewald, Cecilienhof und das Marmorpalais. Die Kolonnaden am Neuen Palais erstrahlen in alter Pracht, für die Pflanzenhallen im Orangerieschloss wurden die originalen Eisengussfenster rekonstruiert. Und es gab sogar zwei Neubauprojekte in Potsdam, das Zentrale Kunstdepot am Hauptbahnhof sowie das Wissenschafts- und Restaurierungszentrum am Südrand des Parks von Sanssouci.

Wer mit Ayhan Ayrilmaz, dem Leiter der Architekturabteilung der Stiftung, das Schloss Cecilienhof besichtigt, versteht, wie kleinteilig und mühsam der Kampf gegen den Verfall in der Praxis oft ist. Zehn Millionen Euro standen für die so genannte Hüllensanierung zur Verfügung, also für alle Flächen, die der Witterung ausgesetzt sind. Acht Jahre haben die Arbeiten bei laufendem Museumsbetrieb gedauert, wobei das oberste Ziel darin bestand, dass die Besucher am Ende gar nicht wahrnehmen, was alles gemacht wurde.

Der 176-Zimmer-Komplex wurde von 1913 bis 1917 für das Kronprinzenpaar gebaut

Zum Beispiel am 6500 Quadratmeter großen Dach. Weil die Innenkonstruktion in den sechziger Jahren mit einem falschen Holzschutzmittel behandelt worden war, ließen sich die schmalen Latten nicht retten. Bei den dicken Balken hatten die Restauratoren mehr Glück, hier musste nur die bereits zerfaserte äußere Schicht abgefräst werden. Alle 360 000 Biberschwanzdachziegel wurden einzeln untersucht, zwei Drittel von ihnen konnten wiederverwendet werden. Die neuen Ziegel wurden in vier verschiedenen Farbtönen gebrannt, mit Asche vorpatiniert und beim Wiedereindecken dann so zwischen die Originalbestände gemischt, dass die Dachflächen historisch wirken, von der Zeit gezeichnet.

Den natürlichen Alterungsprozess des Gebäudes hatte der Architekt Paul Schulze-Naumburg tatsächlich von Anfang an mit eingeplant, auch bei den Fassaden mit ihrem Eichenfachwerk, den Naturstein- und Rauputzflächen. Ayhan Ayrilmaz ist voller Lob für die handwerkliche Qualität des 176-Zimmer-Komplexes, der von 1913 bis 1917 für das Kronprinzenpaar gebaut wurde. Trotz der Kriegszeit wurden nur erstklassige Materialien verwendet, hinter der rückwärtsgewandten Optik im englischen Tudor-Stil versteckt sich modernste Technik.

Das Schloss Cecilienhof ist tatsächlich Schulze-Naumburgs Meisterwerk. Als Reformer hatte der 1869 in Sachen geborene Künstler begonnen, an der Modernisierung der Damenmode und der Abschaffung des Korsetts mitgewirkt, gegen die ungehemmte Industrialisierung gewettert und sich über den Möchtegern-Protz der Gründerzeithäuser mit ihrem angeklebten Gips-Stuck lustig gemacht. In den zwanziger Jahren radikalisierte er sich dann jedoch politisch, kämpfte gegen die Bauhaus-Bewegung mit ihrer Vorliebe für „undeutsche“ Flachdächer, und wurde mit dem Buch „Kunst und Rasse“ schließlich zu einem gedanklichen Wegbereiter des Nationalsozialismus.

Vor der Revolution 1918 hatte das Kronprinzenpaar sein Schloss nur kurz genießen können. 1923 durfte Wilhelm dann allerdings als Privatmann aus dem niederländischen Exil nach Potsdam zurückkehren und bewohnte das Gebäude bis 1945. Weltberühmt wurde Cecilienhof nach Kriegsende dann durch die Potsdamer Konferenz der drei Hauptalliierten. Der Saal, in dem die Neuordnung Deutschlands beschlossen wurde, ist die Hauptattraktion der öffentlich zugänglichen Zimmerfluchten. Mit Spezialführungen lassen sich aber auch die luxuriös ausgestatteten Privatbereiche des Kronprinzenpaares erkunden.

Der größte Teil des Schlosses wurde in der DDR ab 1960 als Hotel genutzt

Der größte Teil des Komplexes wurde ab 1960 als Hotel genutzt, das der DDR dringend benötigte Devisen brachte. Wegen der Sanierungsarbeiten wurde der Beherbergungsbetrieb 2014 eingestellt. Ob und wann hier wieder Gäste nächtigen können, steht derzeit noch in den Sternen. Am 15. Juni aber soll jetzt erst einmal die Fertigstellung der Sanierungsmaßnahmen gefeiert werden, im Rahmen der „Musikfestspiele Potsdam Sanssouci“, bei einer „Cecilienhofnacht“, die die den Geist der Stunde Null beschwört, mit Jazzklängen im Ehrenhof und Kammermusik in diversen Prunkräumen.

Unter dem Titel „Zwischen Welt und Erbe“ hat Ayhan Ayrilmaz mit Volker Thiele in einem opulenten Bildband die Ergebnisse der ersten zehn Masterplanjahre zusammengefasst (Michel Imhof Verlag, 272 Seiten, 29,95 €.), in detaillierten Aufsätzen schildern Fachleute, welche Schwierigkeiten sie zu überwinden hatten, dass die Baustellen oft wahren Forschungslaboren glichen. Weil eben immer eine Lösung gefunden werden musste, die heutige Ansprüche, etwa an die Energieeffizienz, mit den Idealen des Denkmalschutzes zusammenführt.

Und die Behandlung der Pflegefälle der Stiftung geht weiter: Im Anschlussprogramm, das bis 2030 läuft, stehen 400 Millionen Euro zur Verfügung. Dass es Ayrilmaz und seiner Architekturabteilung gelungen ist, bei nahezu allen Projekten des ersten Masterplan-Abschnitts im Zeit- und Kostenrahmen zu bleiben, hat es Hartmut Dorgerloh zweifellos leichter gemacht, die Mittel bei den Geldgebern einzuwerben.

Eines allerdings trübt die Freude über die bisherige SPSG-Erfolgsgeschichte dann doch: Von drei vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität der Nutzer wurde lediglich ein einziges realisiert. Nämlich das (sehr bescheidene) Besucherzentrum in der ehemaligen Wache am Neuen Palais. Zwar flossen 500 000 Euro in die Planung eines Besucherzentrums am Schloss Sanssouci, das am Fuß der historischen Mühle neben Serviceeinrichtungen für Reisegruppen auch einen Shop sowie ein Restaurant bieten soll. Doch den 2009 vom Architekten Peter Kulka vorgelegte Entwurf gibt es weiterhin nur auf dem Papier – weil sich die vorgesehen Finanzierung als private public partnership mangels Interessenten aus der Wirtschaft nicht realisieren ließ. Ähnlich erging es dem Projekt eines 260-Plätze-Restaurants am westlichen Ende des Parks von Sanssouci. Hier wurden sogar schon 3,3 Millionen Euro ausgegeben, unter anderem, um das Büro Staab Architekten mit der Ausarbeitung des 2011 siegreich aus einem Wettbewerb hervorgegangenen Entwurfs zu beauftragen. Auch hier fand sich bislang kein privater Investor.

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