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Die Eröffnung des Weltkriegsmuseums in Danzig am 23. März.
© dpa/Adam Warzawa

Eklat beim Danziger Weltkriegsmuseum: Polens Regierung setzt neuen Chef ein

Der Streit um das Danziger Weltkriegsmuseum und die polnische Geschichtspolitik ist eskaliert: Der bisherige Direktor wurde entmachtet, da die Regierung es patriotischer möchte.

Wegen massiver Kritik am neuen Danziger Weltkriegsmuseum hat Polens nationalkonservative Regierung einen neuen Chef des Ausstellungshauses berufen. Kulturminister Piotr Glinski ernannte am Donnerstag den Danziger Historiker Karol Nawrocki zum gemeinsamen Leiter der Museen Zweiter Weltkrieg und Westerplatte. Die liberale Opposition und Danzigs Oberbürgermeister Pawel Adamowicz befürchten nun eine Veränderung der Kriegsausstellung hin zur Betonung des nationalen Heldentums.

Der bisherige Direktor des vor wenigen Tagen eröffneten Weltkriegsmuseums, Pawel Machcewicz, bleibt den Angaben zufolge formal im Amt, muss jedoch die Vorgaben seines neuen Chefs umsetzen. Das Museum werde nicht geschlossen, betonte Glinski, der der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) angehört. Alle Mitarbeiter würden übernommen. Nawrocki, geboren 1983, arbeitete bislang für die Danziger Zweigstelle des staatlichen Instituts des nationalen Gedenkens (IPN).
Das Museum gilt als Zankapfel im Streit um die polnische Geschichtspolitik. Es erzählt das Kriegsgeschehen in Europa samt seiner Ursachen und Folgen im internationalen Kontext. Die Regierung hatte erfolglos darauf gepocht, dass im Mittelpunkt der Ausstellung der heroische Kampf der Landesverteidiger Polens gegen die Angreifer stehen solle. In Danzig hatte Deutschland am 1. September 1939 den Krieg mit dem Überfall auf Polen begonnen. Regierungsvertreter waren der Museumseröffnung demonstrativ ferngeblieben. Glinski hatte Gutachten in Auftrag gegeben, die die Ausstellung Presseberichten zufolge als zu wenig patriotisch kritisieren.

Der bisherige Direktor hatte die Tusk-Regierung von dem Projekt überzeugen können

Polens Oberster Verwaltungsgerichtshof hatte am Mittwoch den Weg für die Zusammenlegung beider Museen frei gemacht, indem er eine Anordnung der Vorinstanz gegen die Fusion aufhob. Die Idee für das Weltkriegsmuseum stammt von dessen bisherigem Direktor Machcewicz. Er überzeugte 2007 die damalige liberalkonservative Regierung von Donald Tusk (PO) von dem Projekt. Tusk stellte das Konzept im Dezember 2007 Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin vor und gab ein Jahr später den Museumsbau offiziell in Auftrag. Die heute regierende PiS wirft Machcewicz unter anderem seine Nähe zur PO vor.

Die jetzige Ausstellung entwirft ein differenziertes Bild des Zweiten Weltkriegs

Auf 5.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche zeigt das Weltkriegsmuseum am Rande der Altstadt rund 2.000 Exponate. Darunter ist das Tagebuch eines russischen Mädchens, das den Hungertod seiner ganzen Familie während der deutschen Belagerung Leningrads beschreibt. Auch die Schiffsglocke der „Wilhelm Gustloff“, die mit Tausenden deutschen Flüchtlingen an Bord in der Ostsee unterging, ist zu sehen. Die polnische Kulturpolitik ist wegen rigiden Vorgehens gegen politisch missliebige Kulturschaffende und Verantwortliche von Institutionen in letzter Zeit mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Im Sommer letzten Jahres war die Leiterin des Polnischen Instituts, Katarzyna Wielga-Skolimowska, überraschend entlassen worden. Der Grund: ihre angebliche "übermäßige Beschäftigung mit polnisch-jüdischen Themen". (KNA/Tsp)

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