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Geigen-Solistin Janine Jansen.
© Harald Hoffmann/Decca

Janine Jansen im Konzerthaus: Poeten wie wir

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und die Geigerin Janine Jansen bringen das Konzerthaus zum Schwingen.

Hin und wieder muss man sich schon die Frage stellen, warum in der Klassik ewig die immergleichen Stücke aufs Programm kommen. Manchmal fällt die Antwort darauf vor lauter Gewöhnung erschreckend vage aus. Nicht so beim Auftritt der Geigerin Janine Jansen mit der Kammerphilharmonie Bremen im prall gefüllten Konzerthaus. Hier kann man erleben, wie ein Werk über 200 Jahre hinweg seine Widerständigkeit zu bewahren vermag. Denn Beethovens Violinkonzert lässt sich nicht einfach runterspielen, obwohl es alles andere als ein Spielverderber ist. Hier muss sich der Solist neu erfinden – und nur, wenn ihm das gelingt, kann er überhaupt die Themen des Konzerts zusammenzufügen.

Eine raffinierte Sperre gegen uninspirierten Gebrauch hat Beethoven seinem Werk einkomponiert. Er konnte ja nicht ahnen, das sie eines fernen Tages unnötig sein würde, weil Janine Jansen sein Violinkonzert spielt. Sie tut es, ohne sich dabei durch geborgte Sprödigkeit rückzuversichern. Die Poesie, die Beethoven als fragmentierten Code notiert hat, bringt sie vom ersten Ton an zum Schwingen. Zart und tastend geht sie dabei vor, was keinesfalls mit Zögerlichkeit verwechselt werden sollte. Die Solistin fädelt nur keine fertigen Klangversatzstücke auf die langen Triolenketten, vielmehr wird man Zeuge, wie der Ton entsteht und zum Träger der poetischen Idee wird. Man lauscht gebannt und staunt – auch über das traumwandlerische Einverständnis, das Janine Jansen mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen verbindet. Über eine Vertrautheit, die Gewohnheit nicht kennt. Und über ein Musizieren, das sich immer selbst befragt, ob es nicht noch leichter, zarter gehen könnte, dem dabei aber die Kraft niemals ausgeht.

Wie sehr dies das Verdienst des sich selbst unternehmenden Orchesters ist, wird deutlich, wenn die Musiker mit Chefdirigent Paavo Järvi durch Brahms’ 4. Symphonie rauschen. Als Järvi vor Kurzem mit seinem Orchestre de Paris in der Philharmonie gastierte, behielt der effiziente Klangregisseur die Oberhand. Vor der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen aber steht kein Musikdirektor, sondern ein Musikerkollege, durch den die Energieströme mit jeder Durchführung nur noch intensiver fließen. Traditionsmüdigkeit kennt diese verschworene Gemeinschaft nicht. Nur die Lust, an Brahms die eigene Auffassungsgabe immer weiter zu schärfen.

Die begeisternden Bremer kommen damit an diesem prallen Abend sehr weit. Als hochfeine Zugabe spielen sie noch Brahms’ 3. Ungarischen Tanz – und ein Reigen seliger Geister schwirrt durchs Konzerthaus.

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