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Leitstern. Die argentinische Meistercellistin Sol Gabetta.
© Uwe Arens

Sol Gabetta in der Philharmonie: Flirtkultur

Die Cellistin Sol Gabetta und das Orchestre de Paris unter Paavo Järvi gastieren in der Philharmonie

So viele wunderbare junge Cellisten auf den Podien wie heute gab es noch nie zu erleben – und es gibt Sol Gabetta. Die Argentinierin leuchtet einer ganzen Generation voran, mit einer Leidenschaft, die sie auch jenseits des Konzerts mit ihrem Publikum zu teilen versteht, etwa wenn sie Klassiksendungen im Fernsehen moderiert. Die Bühne ist für Sol Gabetta ein ganz natürlicher Lebensraum – und Musik eine Sprache, die ihr direkt aus dem Herzen fließt.

Auf Tournee mit dem Orchestre de Paris wird von der Solistin natürlich auch Glamour erwartet. Doch Sol Gabetta flirtet auf der Zwischenstation in der Philharmonie vor allem mit den Kollegen der ersten Geigen, denen sie lange Blicke zuwirft. Das kann dem 1. Cellokonzert von Saint-Saëns nicht schaden, in dem die Hingabe keusch dosiert ist. Auch Paavo Järvi am Pult versteht sich darauf, Schwärmereien in klare Bahnen zu weisen. Romantik – das ist, wenn aus dem Widerstand gegen Grenzüberschreitungen noch Aufwind gewonnen werden kann. Sol Gabetta vermag das – aber nicht zweimal hintereinander. So verlängert Faurés zugegebene „Elégie“ in der Version für Cello und Orchester zwar ihren Auftritt auf eine halbe Stunde, schenkt ihm aber keine weitere Facette.

Auf die Solistin folgt mit der „Symphonie fantastique“ der Entzug

Mit der „Symphonie fantastique“ von Berlioz befinden sich die souveränen Musiker des Orchestre de Paris ganz in vertrauten Gewässern. Doch was heißt das schon bei diesem bodenlosen, psychedelischen Werk? Järvi zieht hier starke Traditionsverbinder ein, um das komponierende Ich in seinem Drogenrausch zu stabilisieren. Der scheidende Musikdirektor hat sein Orchester äußerst effizient im Griff, was ein unschätzbarer Vorteil ist, wenn es musikalisch ums Verschwenden geht. Das kann nur, wer sich das Pulver bis zum letzten Schuss trocken hält. Dass die Raumtemperatur dabei immer wieder deutlich absinkt, lässt beinahe an eine Art kalten Romantik-Entzug denken. Mit schnarrenden Tuben und bissigem Schlagwerk steuert Järvi ebenso konsequent wie mitleidslos in die Ich-Paralyse. Ein Coup ohne Theater.

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