Sommerausstellung "Wir gehen Baden!": Plitsch, platsch
Erfrischend: Das Kupferstichkabinett zeigt in der Ausstellung „Wir gehen Baden!“ wässrige Werke von Albrecht Dürer bis David Hockney.
Einfach zauberhaft, diese Grübchen. Wie atmende Nüstern sitzen sie unten am makellosen Rücken der schönen Frau, die am Meeresufer steht und an ihrem Bikini-Höschen nestelt. Unten am Bildrand teilt die Horizontlinie das lapislazuliblaue Meer vom lapislazuliblauen Himmel, ein Segelboot gleitet in der Ferne als rot-weiß-blauer Farbklecks auf dem Wasser. Einfach so, als Gimmick, ist ja Strand, ist ja Sommer.
Dieter Asmus’ Farbsiebdruck „Mädchen am Meer“ von 1973 ist Pop-Art und Fotorealismus zugleich. Eine idealisierte, fast modelhaft dargestellte Badende, die der Hamburger Maler und Grafiker in ihrer beiläufig intimen Pose trotzdem keinem voyeuristischen Blick preisgibt. Sie ist halb nackt, aber sie behält ihr Geheimnis für sich. Gut zu verstehen, dass das Kupferstichkabinett diese kontrastreiche Kombination aus kühler Bläue und warmer Haut zum Covergirl des Prospekts der Sommerausstellung „Wir gehen Baden!“ gekürt hat.
Bademotive von Dürer bis Hockney
Die mit Unterstützung der Berliner Bäderbetriebe veranstaltete Schau steht für den erklärten Wunsch des seriösen Hauses am Kulturforum, mal etwas Leichtes, Lockeres zeigen zu wollen. Die Auswahl besorgte der hauseigene „Badeausschuss“. Ohne Leihgaben, nur mit Originalen aus eigenen Beständen, ohne Katalog – was prompt etwas nach Sommersparprogramm klingt. Weit gefehlt: Die thematisch in sechs Kapitel unterteilte Ausstellung ist so hübsch wie kulturgeschichtlich wertvoll anzusehen. Rund hundert Originale von Dürer bis Degas, von Rembrandt bis Richter, von Heckel bis Hockney hängen an den von weiß über hellblau bis lagunenblau eindunkelnden Wänden. Beim Durchforsten der 700 000 Werke des Hauses auf das in der Kunstgeschichte ausgesprochen populäre Bademotiv konnte das Museum auch etliche zutage fördern, die noch gar nicht in der „Badeliteratur“ erfasst sind.
Für Albrecht Dürers Holzschnitt „Männerbad“ von 1496/97, der in das Kapitel „Baden im Wandel der Zeiten“ einführt, gilt das allerdings nicht. Das Werk ist als Bildnis spätmittelalterlicher Badefreuden berühmt. Die plaudernden und musizierenden Badenden sind deutlich mehr am Vergnügen denn an der Hygiene interessiert, was sie mit den vielen anderen Spaßbadern der Ausstellung teilen, die epochenübergreifend kontrastiert werden. Im Falle Dürer beispielsweise mit Werner Tübkes Radierung „Am Strand“ (1968) oder Max Beckmanns „Frauenbad“ (1922). In Jungbrunnen- und Kurbadszenen ist das mythische und heilende Bad vertreten. Und im mit Werken von Pablo Picasso oder Francis Bacon besetzten Kapitel „Baden in der Kunst“ die technische Faszination der Künstler zu spüren, Wellen schlagendes, sich kräuselndes oder Ringe ziehendes Wasser aufs Papier zu bringen.
Begehrliche Blicke werfen die Maler auf Jagdgöttin Diana oder die badende Venus
Toll gelingt das Giorgio de Chirico mit seinen abstrakten Wasserzacken in der „Badeszene“ von 1934. Oder dem Schweden Anders Zorn mit seiner Radierung „Seichtes Wasser“ (1913). Sepiafarben und fein schraffiert, gleicht die Darstellung zweier Badender am Ufersaum einer unscharfen Fotografie oder einem Gerhard-Richter-Gemälde. Mit Arbeiten wie dieser prägte Zorn das Idealbild freizügiger, skandinavischer Körperkultur.
Dass Baden auch Erotik, auch Voyeurismus ist, erzählt das Kapitel „Begehrliche Blicke“. Die werfen durch die Jahrhunderte durchweg Männer auf Frauen: die Jagdgöttin Diana, die badende Venus oder die biblischen Badenden Bathseba und Susanna, die von zwei alten Spannern bedrängt werden. Von 1480 stammt das winzig kleine, meisterhafte Pergament aus dem Berliner Stundenbuch der Maria von Burgund, das die Szene zeigt. Das Thema Badefreuden als paradiesisches Naturerlebnis zeigt neben Rembrandt vor allem die klassische Moderne. Max Pechstein, Paul Cézanne oder Ernst-Ludwig Kirchner beschwören in ihren farbenfrohen Szenen die utopische Einheit von Mensch und Natur, während in der Industrialisierung Fabriken und Mietskasernen aus dem Boden wachsen.
Die Urängste lauern in der Tiefe
Dass Meer und Wasser schon seit der Antike immer auch philosophische und psychologische Hallräume waren, Projektionsfläche, Metaphernspeicher und Inbegriff von Melancholie und Drama, spiegelt der letzte Ausstellungsraum. Hier erzählen Gerhard Richters Seestück „Die Kraft des Meeres“ (1970) oder Edvard Munchs wie in Folie eingeschlagene „Badende Kinder“ (1903) und seine Toten gleichenden „Zwei Frauen am Meer“ (1898) von den zerstörerischen Urängsten, die in der Tiefe lauern. Gischt spritzend, gespenstisch, großartig. Und ein beeindruckender Abschluss für den epochenübergreifenden Abriss dieses unauslotbaren Themas.
Ein paar Meter weiter blinzelt schon wieder die Sonne um die Ecke. In Gestalt einer in Aquamarin zerfließenden Turmspringer-Lithografie von David Hockney. Die hat der sonst auf Pool- statt auf Sportszenen abonnierte britische Kalifornier 1972 als Plakat für die Olympischen Spiele in München entworfen. Im Kupferstichkabinett ist das von der Wasseroberfläche reflektierte Eintauchen des kerzengraden Körpers zu sehen. Zur bildnerischen Essenz des Badens stilisiert – in blauer Kühle und warmer Haut.
Kupferstichkabinett, bis 26.10., Di, Mi, Fr 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr
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