Ridley Scotts "Alien: Covenant": Plakative Technologiekritik
Von Menschen, Göttern und Maschinen: Ridley Scotts „Alien: Covenant“ nimmt eine Aktualisierung des Unheimlichen vor. Der neue Superbösewicht ist ein Androide.
Eigentlich soll das Raumschiff tiefgefrorene Embryonen zur neuen Weltraumkolonie transportieren. Doch dann sieht sich auch die Besatzung der Covenant – das sechste Spaceship in der „Alien“-Serie – mit den Außerirdischen konfrontiert. Fast 40 Jahre ist Scotts Weltraum-Saga mit der ikonischen, von HR Giger entworfenen Spezies nun alt – das weckt Erwartungen.
Das Prequel „Prometheus“ von 2012 hatte diese allerdings eher unterlaufen. Der Körperhorror, das Bild des sich durch die Bauchdecke beißenden Aliens, wurde durch eine metaphysisch verkleisterte Schöpfungsgeschichte überlagert, die den Ursprung der Aliens mit dem der Menschheit verknüpfte. In diesem abstrusen Entwurf einer neuen Mythologie kam den Aliens nur noch eine Nebenrolle zu. Dass ein Expeditionsteam extraterrestrischen „Konstrukteuren“ nachspürte, in denen sie die Schöpfer der Menschheit vermuten, war immerhin neu, eine Abkehr von der Genreformel: ein Raumschiff, seine Besatzung, (mindestens) ein Alien und die Frage, wer am Ende überlebt.
„Alien: Covenant“ will nun beides sein: ein Sci-Fi-Slasher und eine Antwort auf die Frage, wie Aliens und Menschen ins Universum kamen. Die schöpferische Instanz, das sind diesmal Maschinen, von Menschen konstruiert und mit künstlicher Intelligenz versehen. Um diesen Paradigmenwechsel zu vollziehen, muss der Film etwas ausholen, nachdem Schiff und Besatzung durch ein Notsignal auf einen bislang unbekannten erdähnlichen Planeten aufmerksam werden.
Die Crew unter ihrem mit mäßigen Führungsqualitäten ausgestatteten Captain Oram (Bill Crudup) halten den Planeten zunächst für unbewohnt, bis sie auf eine Anpflanzung stattlich gediehenen Weizens stoßen. Der Androide David (Michael Fassbender), das letzte Bindeglied zur Prometheus-Expedition zehn Jahre zuvor, erwartet die arglose Crew bereits. Als einziger Bewohner einer Totenstadt, gegen die sich die Ruinen von Pompeji bescheiden ausnehmen, hat er sich in einen manischen Eremiten verwandelt.
Androide sind die neuen Aliens
Schon in „Prometheus“ verlagerte Scott den Fokus von den Aliens auf Androiden. Das parasitäre Verhalten der Aliens, als Inbegriff reiner Kreatürlichkeit, scheint auserzählt zu sein, die Mensch-Maschinen werden endgültig zu tragenden Figuren. Das Unbehagen gegenüber Künstlicher Intelligenz ist ein zeitgemäßer Topos in einer Welt, der die Macht der Algorithmen und die Ambivalenz smarter Maschinen zunehmend Sorgen bereitet. „Alien: Covenant“ nimmt also eine überfällige Aktualisierung des Unheimlichen vor – und hebt die Reihe endgültig ins 21. Jahrhundert.
Dennoch ignoriert Scott dieses Novum beinahe. Zwar ist David die eigentliche Attraktion des Films, doch anstatt seine Janusköpfigkeit als autonom handelndes, zugleich programmiertes Wesen zu betonen und erzählerisches Potential daraus zu schöpfen, wird ihm eine Figurenpsychologie zuteil, die allzu menschlich erscheint. Mit seinem langen, strohigen Haar und einem für eine Künstliche Intelligenz bemerkenswert wirren Blick erinnert er ein wenig an Klaus Kinski. Sein Bildungsideal hat sich seit „Prometheus“ ebenfalls gewandelt: Er zitiert nun spätromantische Dichter und spielt auf einer Blockflöte delphische Lieder.
Damit zieht der Film eine kulturhistorische – und reichlich abgegriffene – Linie auf, die von der Romantik bis zum Faschismus verläuft. Der Androide träumt von einer interplanetarischen Herrenrasse, die er zwischen Alchemie und Wissenschaft zusammenlaboriert. Die Unmöglichkeit der Reproduktion lässt ihn selbst zum Gott spielenden „Konstrukteur“ werden, eine reaktionäre Wendung. Der Kniff des Films, die schöpferischen Ambitionen ausgerechnet einer Maschine zu übertragen, will nicht so recht aufgehen. Davids Metamorphose von einer rationalen Maschine zum von Großmachtsfantasien getriebenen Superbösewicht ist am Ende nichts weiter als plakative Technologiekritik.
Das erste schwule Raumfahrerpärchen der Reihe
Paradoxerweise erweist sich in „Alien: Covenant“ also gerade der Erzählstrang als der schwächste, der neue Topoi einführt – wobei sich die in „Prometheus“ ausgelegten Handlungsfäden im dritten Teil vielleicht ja doch noch verknoten. Deutlich besser funktioniert „Alien: Convenant“ im altbewährten Genremodus: in den hochgetakteten, im bedrückenden Halbdunkel inszenierten Actionsequenzen, in denen sich die Protagonisten dem Terror der Bestien ausgesetzt sehen. Der Körperhorror, er ist noch da.
Ansonsten kann man sich an Überraschungen erfreuen, die die Genrekonventionen sprengen, wenn auch nur für Momente. Das erste schwule Raumfahrerpärchen der Reihe. Die Andeutung, dass Aliens zu Loyalität fähig sind. Oder schlicht die Tatsache, dass jemand den Androiden O-Beine verpasst hat.
In 22 Berliner Kinos. OV: Cinemaxx Potsdamer Platz, Karli Neukölln, Cinestar SonyCenter, Cinestar Imax, Rollberg, Colosseum, Zoo Palast
Christian Blumberg
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