Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Parzinger: „Wir wollen die Autonomie der Häuser stärken“
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, über das Krisenmanagement nach den Anschlägen auf die Museumsinsel und die Reform der Staatlichen Museen.
Am Mittwoch tagte erstmals die Reformkommission der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unter Vorsitz von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Sie will bis zum Sommer 2021 den Fahrplan klären, nach dem die fünf Stiftungseinrichtungen neu geordnet werden können. In der Kritik stehen vor allem die Staatlichen Museen mit ihren 15 Sammlungen und 19 Häusern. Zur Reformkommission gehören neben Stiftungspräsident Hermann Parzinger sein Vize Gero Dimter, Grütters, vier Länder-Vertreter und eine - jeweils wechselnde- leitende Person aus den Einrichtungen. In der ersten Sitzung war dies Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums.
Herr Parzinger, seit dem Gutachten des Wissenschaftsrats mit der kritischen Bewertung der Museen geht es um Strukturreformen. Nach dem Anschlag auf die Museumsinsel rückte das Personelle in den Vordergrund. Die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Generaldirektor Michael Eissenhauer seitens anderer Museumsdirektoren macht deutlich, dass es um die Zusammenarbeit nicht gut bestellt ist. Was ist da los?
Zu personalrechtlichen Fragen kann ich mich hier nicht äußern. Wir wollen die Autonomie der Museen stärken. Das bedeutet aber auch, dass das Zusammenspiel zwischen Generaldirektion und den Häusern neu justiert werden muss. Aber es werden auch Zuständigkeiten von der Hauptverwaltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in die Häuser verlagert werden müssen. Die fachliche Autonomie haben die Museen bereits, aber nicht die wirtschaftliche: Budgethoheit, Personalhoheit, mehr Eigenständigkeit, damit schneller reagiert und kommuniziert werden kann – diese Fragen erörtern wir jetzt. Den Wunsch der Direktorinnen und Direktoren nach mehr Selbstständigkeit nehmen wir sehr ernst.
Laut dem offenen Brief der Direktorinnen und Direktoren waren viele Missstände lange vor dem Gutachten bekannt. Warum wurde dennoch nichts geändert?
Bei einer so großen Einrichtung braucht es den Blick von außen. Über die internen Belange der Museen bestimmt nicht der Präsident, das wird in der Direktionskonferenz gemeinsam mit dem Generaldirektor entschieden. Dort können die Museumsdirektoren ihre Themen setzen, ihre Projekte und ihren Finanzbedarf anmelden. Nach außen wurde erst mit dem Gutachten deutlich, dass beim Binnenverhältnis und den Verantwortlichkeiten neu gedacht werden muss. So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.
Viele Zuständigkeiten seien nicht klar, heißt es aus den Häusern. Wer ist denn nun für die Sicherheit verantwortlich?
Die Generaldirektion und das dortige Referat Sicherheit . Bei der Sicherheit wird regelmäßig nachjustiert, von der Vitrinenstärke bis zur Videoüberwachung. Schon nach dem Raub der Goldmünze 2017 waren die Museen dazu aufgefordert, nach dem Einbruch im Dresdner Grünen Gewölbe erneut. Jetzt muss wieder nachjustiert werden. Unabhängig davon, dass die Anschläge auf der Museumsinsel mit noch so viel Sicherheit kaum zu verhindern gewesen wären, hat sich das Bedrohungsszenario erneut geändert. Jetzt haben wir es mit einer besorgniserregenden Form von Vandalismus zu tun. Seit 200 Jahren steht die Granitschale unberührt im Lustgarten, jetzt wurde sie mit obszönen Botschaften beschmiert. Was ist los in unserer Gesellschaft?
Wieso hat es nach den Museumsattacken so lange mit der Information der Öffentlichkeit gedauert? Tatsächlich weil die Leihgeber informiert werden mussten?. Die wurden ja schnell informiert, wie der Museumsbund-Präsident in der FAZ schrieb. Laut Medienberichten wollte auch die Polizei eine schnellere Veröffentlichung.
Das ist falsch. Nachdem die Beschädigungen an zahlreichen Kunstwerken auf der Museumsinsel entdeckt worden waren, haben die Stiftung, die Museen und das Fachkommissariat für Kunstdelikte im LKA Berlin einvernehmlich beschlossen, alles zu tun, was im Sinne der Ermittlungen förderlich ist. Dazu gehörte auch, gegenüber der Öffentlichkeit zunächst Zurückhaltung zu üben. Gemeinsam wurde ferner vereinbart, diese einvernehmliche Linie nach gemeinsamer Absprache erst dann zu verlassen, wenn dies aus ermittlungstaktischen Gründen opportun ist.
Dann berichtete die "Zeit", die Bekanntmachung seitens der Museen war dann sehr verstolpert. Ein Symptom für die Dringlichkeit der Reforen?
Man sollte nicht alles miteinander vermischen. Der Anschlag ist das eine, die Strukturreform etwas anderes.
Auch nicht, wenn es zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde kommt?
Wie gesagt, dazu werde ich nichts sagen.
Ein Hauptkritikpunkt lautet, dass die Museen zu wenig überregional ausstrahlende Ausstellungen zeigen. Man braucht doch keine neuen Strukturen, um das zu ändern.
Das ist richtig, Hierarchieebenen und Strukturdebatten sind fürs Publikum uninteressant. Es will attraktive Ausstellungen sehen, in einigen Häusern hat das auch gut geklappt. Es gab wichtige archäologische Ausstellungen, Udo Kittelmann hat den Hamburger Bahnhof als Marke international bestens positioniert. Dennoch müssen wir uns fragen, wie man mit dem immensen Potential der Sammlungen noch stärker nach außen wirken kann. Geld ist immer knapp, das ist nicht der zentrale Punkt. Wie aber entwickeln wir Ideen, wie begeistern wir mit Themen, wie finden wir Sponsoren dafür? Und es braucht langfristige Planungssicherheit.
Ein anderer Kritikpunkt, auch wenn ja jetzt wieder geschlossen werden muss: die langsamen Wiedereröffnungen nach dem Lockdown im Frühjahr, bis in den Oktober hinein.
Das hatte mehrere Gründe, und es lag sicherlich nicht nur an fehlenden Plexiglasscheiben: Die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeitenden und unserer Gäste hatte für uns immer oberste Priorität. Wir wollten Eröffnungen nur dann, wenn das gewährleistet werden kann.
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Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass es mit dem Verhältnis zwischen dem Stiftungspräsidenten und dem Generaldirektor nicht zum Besten steht. Alles Unsinn?
Zuviel Spekulation. Wir haben klar getrennte Aufgaben. Der Präsident vertritt die Stiftung nach außen und ist für alle Rechtsfragen, Bauherrenaufgaben, Restitutionen, kulturpolitische Grundsatzfragen zuständig, aber immer in Abstimmung mit den Einrichtungen. Der Generaldirektor ist der Chef der Museen.
Sich selbst reformieren, kann das funktionieren, Herr Parzinger?
Was Sie über den Reformprozess sagen, läuft darauf hinaus, dass die Stiftung und die Museen sich selbst reformieren sollen. Kann das funktionieren?
Die externe Analyse liegt auf dem Tisch. Jetzt sind wir aufgefordert, Lösungswege zu entwickeln. Deshalb habe ich eine Strategiekommission eingesetzt, in der neben dem Vizepräsidenten und mir die Leitungen der fünf Stiftungseinrichtungen sowie eine Vertreterin der Museumsdirektoren und einer der Abteilungsleiter der Staatsbibliothek sitzen. Hier entwickeln wir Vorschläge, die die Reformkommission aus Bund und Ländern dann bewerten wird. Es braucht Ideen von innen, wir können nicht einfach abwarten.
Und wie wird die Basis einbezogen, die Expertise der Mitarbeiter?
Wir haben die interne Kommunikation deutlich verstärkt: Nach jeder Sitzung der Strategiekommission gibt es zeitnah eine Online-Konferenz mit den Personalräten. Außerdem wollen wir Formate entwickeln, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseren internen Reformprozess reflektieren und kommentieren können. Es gibt einen internen Newsletter, alle Mitarbeiter können über ein internes Postfach ihre Fragen stellen – der Reformprozess wird intensiv kommuniziert. Er kann nur gelingen, wenn er von allen getragen wird. Die Stiftung sind wir alle gemeinsam.
Der Reformkommission gehören ausschließlich Personen an, die auch bisher für die Stiftung verantwortlich waren. Kulturpolitiker aus Bund und Ländern können nicht wissen, wie man ein gewaltiges Museumskonglomerat effizienter gestaltet. Warum keine Fachleute wie Marion Ackermann von den Dresdner Museen oder Philipp Demandt vom Frankfurter Städel?
Die Reformkommission wurde vom Stiftungsrat eingesetzt, sie setzt sich aus den politisch Verantwortlichen zusammen. Die Fachcommunity sitzt im Gesamtbeirat, der sich in eine Museums- und eine Bibliothekskommission gliedert. In diesen Gremien sind etliche hochrangige Kollegen aus deutschen Museen, Bibliotheken und Archiven vertreten, wie Marion Ackermann aus Dresden oder Bernhard Maaz aus München. Ihre Beratung spielt eine wichtige Rolle, in den letzten Wochen gab es bereits mehrere Online-Konferenzen.
Auch diese Beratungsgremien gibt es schon lange. Also doch: Wir reformieren uns selbst, mit den altbekannten Playern? Was ist mit der externen Beratung?
Die brauchen wir für die Durchführung von Organisationsveränderungen, etwa in Personal- und Haushaltsfragen. Doch zunächst muss die grundsätzliche Richtung erarbeitet werden.
Wie kann auch eine finanzielle Autonomie der Museen erreicht werden?
Der Etat für Ausstellungen ist gering und beträgt in diesem Jahr 4,6 Millionen für 19 Häuser. Wir alle wünschen uns, die Museen mit eigenen Budgets auszustatten, nur so kann Autonomie auch mit Leben erfüllt werden. Es wäre schon viel geholfen, wenn wir einen größeren Anteil der Eigeneinnahmen von bis zu 25 Millionen Euro im Jahr in die eigenen Programme investieren könnten. Im Moment fängt der Großteil der Einnahmen die jährlich steigenden Personal- und Betriebskosten auf, da bleibt zu wenig fürs Programm. Einzigartige Häuser, herausragende Sammlungen, aber kein eigenes Budget, das muss sich dringend ändern.
Es heißt oft, in der SPK gibt es zu viele Chefs. Braucht es einen Nachfolger von Udo Kittelmann, dem scheidenden Direktor der Nationalgalerie-Häuser?
Wir denken in der Tat neu darüber nach. Die drei Häuser Alte Nationalgalerie, Neue Nationalgalerie und Hamburger Bahnhof haben tolle Leitungen, warum sollen die Einrichtungen für das 19., 20. und 21. Jahrhundert nicht eigenständiger sein? Aber da ist noch nichts entschieden.
Drei bis fünf Jahre soll die Reform dauern. Was kann sich schneller ändern?
Vieles muss schneller klar sein. Bis Mitte 2021 wollen wir konkrete Vorstellungen zur Autonomie der Einrichtungen, aber auch zur Rolle der Stiftung insgesamt haben. . Das sind wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schuldig, sie brauchen Gewissheiten.
Von der Zerschlagung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist derzeit nicht mehr die Rede. Aber braucht die Dachorganisation einen neuen Namen?
Das finde ich sekundär. Ich hänge inzwischen schon an dem Namen. Er ist ein Bekenntnis zu unserer Herkunft, auch zum Humboldtschen Erbe. Man sollte die Geschichte nicht wegreformieren, sondern sich zu ihr bekennen. Eine Namensdiskussion wäre nötig, wenn die Stiftung als Dach-Marke stärker in den Vordergrund gerückt werden sollte. Aber wir wollen ja umgekehrt die einzelnen Einrichtungen und Häuser nach vorne bringen, mit ihnen identifizieren sich die Menschen, deshalb machen sie die Zukunftsfähigkeit der Stiftung aus.
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