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Die beiden Rapper Xatar (links) und Haftbefehl (rechts) haben sich zum Duo Coup zusammengeschlossen.
© dpa

"Der Holland Job“ von Haftbefehl und Xatar: Partner in Crime

Höhen und Tiefen des Gangsterlebens: Die Rapper Haftbefehl und Xatar haben sich für das Album "Der Holland Job" erstmals zusammengetan.

„Das Geschäft mit Rap erinnert mich an das Geschäft mit Crack“, stellte der US-Rapper Nas 1994 prophetisch fest. Die Grenzen sind verwischt, fast inexistent, wenn man Straßenrappern aus den USA, Frankreich und Deutschland zuhört: Geld mit Musik, Geld mit Koks, im Grunde egal. Das Produkt kann dabei reiner als die reinen Steine oder verwässert wie Tütensuppe sein. Hauptsache, die Kundschaft zahlt und kommt wieder.

Die Rapper Haftbefehl und Xatar kennen sich mit beiden Geschäften aus. Sie haben jahrelang mit Drogen gehandelt. Haftbefehl in Offenbach und Frankfurt, Xatar in Bonn. Dann stiegen sie ins ähnlich lukrative, weniger gefährliche Musikgeschäft ein, sind der Straße thematisch aber treu geblieben. Ihr stark an französischen und amerikanischen Vorbildern orientierter polyglotter Straßenrap hat kommerziellen Erfolg, wird von Rap-Fans gefeiert und selbst im Feuilleton überraschend enthusiastisch diskutiert. Sie sind also ganz oben angekommen. Was macht man da? Urlaub in Holland.

Die Karrieren der beiden Rapper mit kurdischen Wurzeln und je eigenem Label sind durch Herkunft, Stoffauswahl und gemeinsamen Auftritten schon stark verbunden. Jetzt haben sie sich zu einem Duo namens Coup zusammengeschlossen und das Album „Der Holland Job“ veröffentlicht, mit dem sie jeweils an ihre erfolgreichen Vorgängeralben anschließen wollen. „Russisch Roulette“ von Haftbefehl und „Baba Aller Babas“ von Xatar galten sofort bei Erscheinen als Meilensteine des harten Straßenraps, der die Labyrinthe aus Gewalt, Geld und Geltungsdrang beschreibt und den man in dieser Qualität vorher nur aus den USA und vielleicht noch aus Frankreich kannte.

Auf „Der Holland Job“ gibt es 13 Stücke mit Schusswechseln und vielen Toten, in denen, bis auf ein paar Ausnahmen (die „nachdenklichen“ Nummern, so Haftbefehl) vor allem die Höhen und Tiefen des Gangsterlebens erkundet werden. Nicht in aufwendigen Narrativen, sondern in blutigen Wortwolken.

Im Feuilleton tauchen Haftbefehl und Xatar bislang vor allem wegen ihrer Texte auf. Sie verbinden deutsche Mundart, Namen von Luxusmarken und Straßenslang zu zwei ganz eigenen Flows, irgendwo zwischen Feridun Zaimoglus „Kanak Sprak“ und der „City Speak“ aus Blade Runner. Auf „Der Holland Job“ treten sie sehr überzeugend als Werbetexter für ihre eigene Murder Inc. auf: prägnanter als „Ich zahle gar nix“ und, noch simpler, als „Gib Geld“ kann man das falsche Gangster-Ethos nicht zusammenfassen.

Trotzdem: Wenn „Gib Geld“ als große Rap-Kunst gefeiert wird, dann nur augenrollend. Tatsächlich war die Begeisterung über Haftbefehl ein Hype, mit viel Projektion und schiefen Anschlüssen an die Hochkultur (Hafti als neuer Goethe), gefolgt vom Backlash, der den Hype zum Bürgerkind-Zoobesuch runterdimmt. Ansonsten wurden Haftbefehl und Xatar vor allem als Rap-Clowns betrachtet, die irgendwie lustig sprechen.

Der Dealer als Kosmopolit

Aber eine Zeile wie „Der Offenbacher macht tijara und verballert para in Tijuana und lässt die Kalash rauchen so wie Sigara" (Haftbefehl in dem Stück „Tach Tach“) ist keine zufällig entstandene Außenseiterkunst. Diese Post Babel-Sprache ist mehr als nur freie Wortassoziation. Dienstreisen nach La Paz und Rotterdam, zwischendurch Urlaub in Dubai, mit dem Herzen in Kurdistan und in den Problemvierteln deutscher Großstädte: der Dealer als Kosmopolit.

Der ermordete US-Großrapper Biggie Smalls hat seinerzeit die Figur des Dealers mit Pathos angereichert („Ich will nur Geld verdienen, um Essen für meine Tochter kaufen zu können“), um gleich darauf wieder den eiskalten Psychopathen zu geben. Um die Antwort auf die Frage, welche Seite jetzt authentisch ist, wird sich gern gedrückt. Auch Haftbefehl und Xatar lösen diesen Widerspruch nicht auf, sondern treten selbstbewusst das komplexe Erbe von Biggie Smalls an. Letztlich ist „Gib Geld“ ja nichts anderes als eine Übersetzung von Smalls’ „Gimme the Loot“. Auf diesem Song musste Smalls noch die Stimme verstellen, um einen „partner in crime“ zu haben, Haftbefehl und Xatar haben einander. Im Gegensatz zu vielen solcher Kollabo-Alben ist „Der Holland Job“ tatsächlich das Ergebnis echter Zusammenarbeit. Haftbefehl ist der wilde, wütende, Xatar denkt lieber nach, um dann doch zu schießen. Haftbefehl ist Joe Pesci, Xatar ist Robert de Niro in „GoodFellas“. Am Ende treten beide auf ihr Opfer ein.

Klanglich ist „Der Holland Job“ eher ein Haftbefehl-Album. Xatar bevorzugt Neunziger-Jahre-Beats mit Westcoast-Anklängen, aber Haftbefehls Hausproduzenten Farhot und Bazzazian haben stattdessen grelle Trap-Monster gebaut, weniger düster, dafür panischer als die auf „Russisch Roulette“. Für das Album-Highlight „Gib Geld“ haben sie die selbst ernannte Trap Queen Haiyti aus Hamburg geholt und damit vielleicht einen Rap-Star geschaffen, so irre und richtig ist ihre gespuckte Hook „das hier wird ein rendez-vous, ra-ba-ba-bam!“.

Plädoyer gegen Rassismus

Xatar hat letztes Jahr ein sehr schönes Buch über seine Kindheit (seine Eltern sind politische Flüchtlinge aus dem Nordirak) und seine Zeit im Gefängnis wegen der Beteiligung am größten Raubüberfall in der Geschichte der BRD geschrieben. Er ist ein überlegter, studierter Mann, der Schostakowitsch mag und Wert auf die Momente des „Bruchs“ in seiner Musik legt, in denen die Straßenideologie sich als falsches Bewusstsein entpuppt. Auch Haftbefehl deutet das geliebte Geld als Teufel statt als Erlösung: „Warum bist du kriminell? Um Flaschen aufzumachen.“ Nach Party klingt das nicht.

Die ist sowieso mit dem Track „AfD“ vorbei. Haftbefehl und Xatar zählen gestörte Befindlichkeiten von verbrecherischen Kleinbürgern und kleinbürgerlichen Verbrechern in Deutschland auf (die Tochter macht Ärger, das Koks verkauft sich nicht), um dann zu erklären: Der Flüchtling ist daran schuld. Als Durchleuchtung von Rassismus und Plädoyer für Asylrecht überzeugt das mehr als jede „Laut-gegen-Nazis“-Phrase. Ob die Ähnlichkeit zum anti-antisemitischen Chanson „An allem sind die Juden schuld“ von 1931 intendiert ist, spielt dabei keine Rolle. So wird aus dem Album am Ende „Der Friedrich Hollaender Job“.

Der eigentliche Titel bezieht sich auf das recht lahme Video, das die Veröffentlichung begleitet. „Der Holland Job“ ist letztendlich solides Rap-Handwerk – Haftbefehl und Xatar aber schreiben weiter ihren Gangsterfilm. Hoffentlich folgt irgendwann ihr höchst eigenes „Carlito's Way“, das weisere Alterswerk. Bis es so weit ist, werden Flaschen aufgemacht.

„Der Holland Job“ von Coup erscheint am Freitag bei Four Music

Fabian Wolff

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