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Hip-Hop: Rapper Nas: Der schwarze Komplex

Obama sei Dank: Der New Yorker Rapper Nas hat dem Hip-Hop wieder ein politisches Album geschenkt. Und was für eins.

Der Zweifel schwingt mit. „But will he keep it real? When he wins – will he really care still?“, fragt der New Yorker Rapper Nas auf seinem neuen, unbetitelten Album (Def Jam/Universal) und meint den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama, dem er mit „Black President“ den letzten Song dieses Albums gewidmet hat. Darin drückt er zwar seine ganze Hoffnung auf einen schwarzen Präsidenten und einen Wechsel der amerikanischen Politik aus. Doch sind es vor allem die Zweifel, die das schleppende, von einem mächtig aufgepumpten Beat dominierte und einem elegischen Pianolauf begleitete Mitsingstück dominieren.

Kunstvoll lässt Nas Obamas Wahlkampslogan „Yes, we can“ als Refrain fünf Minuten lang in ein Wechselspiel treten mit einem Sample aus einem Track des toten Rappers 2Pac, in dem es heißt: „And though it seems heaven sent, we ain’t ready to see a black president.“ Sich einen schwarzen Präsidenten herbeizusehnen ist das eine. Nas aber weiß genauso gut, dass dieser Präsident eben nicht vom Himmel gesandt ist. Dass Barack Obama mit seiner Mischung aus kalkuliertem Intellektualismus und Populismus jedwede Vision immer hinter realpolitische Erwägungen stellt. Sei es, dass er die Todesstrafe potenziell befürwortet, sei es, dass er den Irakkrieg zwar irgendwie beenden, dafür aber die US-Truppen in Afghanistan verstärken will.

Nas beschließt mit „Black President“ ein Album, das eines der explizit politischsten der jüngeren Hip-Hop-Vergangenheit ist, gerade im Fachbereich Mainstream. Es ist vielleicht das politischste, seit Public Enemy mit Alben wie „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“ Hip-Hop zum vielzitierten „CNN der Schwarzen“ gemacht haben. Denn es ruft nicht nur die gewohnten Topoi des Genres ab, den alltäglichen Rassismus, Gewalt, Drogen, das Leben auf der Straße. Sondern Nas holt in einem Stück wie „America“ auch sehr weit aus, von der Ausrottung der Indianer über die Barbarei der Todesstrafe bis zur mangelnden Teilhabe der schwarzen Bevölkerung an Wissenschaft und Politik („too many rappers, athletes and actors, but not enough niggas in Nasa“). Und er begibt sich mit mehreren Stücken mitten in afroamerikanische Identitätsdiskurse. Nas bearbeitet das „posttraumatische Sklavensyndrom“ und analysiert den ebenso rassistischen wie von den Schwarzen selbst ganz selbstbewusst verwandten Begriff „Nigger“ von allen Seiten. Wobei Nas mit Letzterem bei der Produktion des Albums auch sehr praktische Probleme hatte. Eigentlich wollte er das Album „Nigger“ nennen. Das aber empfand seine Plattenfirma als zu provokativ und untersagte ihm diesen Titel. Nas wiederum konterte das Verbot, indem er das Album vielsagend unbetitelt ließ und die Problematik in seiner Danksagung kommentiert: „Wir sind komplizierter, schöner und intelligenter als jede Bezeichnung, die jemals für uns gefunden wurde. (...) Ni**er ist ein Wort, das vom afrikanisch-amerikanischen Sklavenhandel kommt. Dieser Sklavenhandel ist Teil der amerikanischen Geschichte, aber kein Mensch will davon mehr etwas wissen.“

Das Außergewöhnliche an Nas’ Album ist, dass er diese Inhalte in einem intellektuell doch eher heruntergekommenen Genre transportiert. Einem Genre, das von Gangster-Darstellern dominiert wird, die am liebsten große Muskeln, dicke Schlitten und schöne Gespielinnen zeigen. „Untitled“ gibt musikalisch dem Mainstream, was des Mainstreams ist, von Underground keine Spur. Die Produktion ist aufwendig und poppig, kaum ein Track, der nicht unter Chartverdacht steht. Und obwohl Nas die Tracks mit seinen sanft und elegant dahinfließenden Reimen bestimmt, trägt die für Produktionen dieser Art obligate Gästeliste einige illustre Namen: Keri Hilson, Busta Rhymes, Last Poets oder The Game.

Doch war es ja gerade auch Nas, der in seiner wechselvollen Karriere beide Seiten des Hip-Hop nur zu gut kennengelernt hat. Da schrieb sich der 1974 geborene Sohn des Jazz-Trompeters Olu Dara gleich mit seinem Debüt „Illmatic“ 1994 in die Hip-Hop-Geschichte ein, als er gekonnt-abgeklärt und vor dem Hintergrund einer minimalistischen Produktion von den Misshelligkeiten in seinem Viertel berichtete. Schon für sein zweites Album rissen sich Hip-Hop-Größen von Dr. Dre bis Lauryn Hill um eine Zusammenarbeit und wiesen ihm sogleich manchen Irrweg: Vom schlauen Consciousness-Rap zum nicht mehr ganz so schlauen und auch musikalisch belanglosen Angeber-Hip-Hop, mit dem einzigen Anspruch, einmal erlangten Ruhm zu verwalten und ein Großer der Unterhaltungsindustrie zu bleiben. Erst in den letzten drei, vier Jahren, nach dem Tod seiner Mutter und unter dem Einfluss seiner Lebensgefährtin, der R&B-Sängerin Kelis, ist Nas zu alter Form zurückgekehrt. Irritierte bei seinem 2005er-Album „Street Disciple“ noch so mancher nicht immer als komplexes Signifying zu verstehender Porno-Rap, so gab er sich vor einem Jahr mit dem Album „HipHop Is Dead“ demonstrativ als ultimatives Gewissen von Hip-Hop. Das hatte zwar auch was Wohlfeiles – den Tod des HipHop zu beklagen, ist ja ein Standard, um umso gutgelaunter weiterzumachen. Die Richtung aber stimmte schon.

Mag Nas jetzt vielleicht etwas dick auftragen, wenn er sich auf dem Cover nur mit dem Rücken zum Betrachter zeigt, auf dem tiefe Narben ein „N“ formen – auf jegliche weitere Selbstdarstellung aber hat er im Booklet dieses Albums verzichtet. Alles sehr glaubwürdig und musikalisch grundgut dazu: eingerahmt von dem traditionellen Black-Power-Statement „You can’t stop us now“, das Nas im zweiten Track mit dem Soul-Veteranen Eban Thomas anstimmt. Und eben jenem grandiosen „Black President“, in dem Nas dann auf die Frage, ob sich Obama denn auch nach einem möglichen Wahlsieg um die schwarze Bevölkerung Amerikas kümmern werde, mit einem langgezogenen „I feel ...“ antwortet.

Wohl wissend, dass Gefühle zwar Wahlen entscheiden können, aber keine Gewähr für eine bessere Politik darstellen.

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