Sabrina Sarabis Spielfilmdebüt „Prélude“: Partitur der Empfindsamkeit
Wer Solist werden will, braucht Nerven aus Stahl: Das zeigt Sabrina Sarabi in ihrem fiebrigen Spielfilmdebüt „Prélude“.
Kunst kommt manchmal von Stumpfsinn. Wer Pianist werden will, muss stur und stundenlang üben, Tag für Tag, Takt für Takt, bis dieser eine Triller, der nie klingt, wie er soll, einen schier in den Wahnsinn treibt. Der Nacken schmerzt, die Finger krampfen, das Metronom tickt im Kopf, es ist eine Qual.
Wer auf die großen Konzertpodien der Welt will, muss diese Qual ertragen. Viele Filme handeln davon, per aspera ad astra, vom Straßenmusiker zum Star, zuletzt zum Beispiel in „Der Klavierspieler vom Gare du Nord“. Die Geschichte verläuft meistens so, dass es spätestens im letzten Drittel steil bergauf geht. Erst der Fleiß, dann der Preis. Wobei die Darsteller oft nur markieren und auf andere Tasten drücken als auf jene, die tatsächlich erklingen. Kinder, Tiere und Musik entlarven seit jeher die Lüge des Kinos. Mit der Folge, dass Musiker-Biopics oft seltsam äußerlich bleiben.
Dass es auch anders geht, ehrlicher, unbarmherziger (und mit den richtigen Tasten!), beweist Sabrina Sarabi mit ihrem Spielfilmdebüt „Prélude“. Hier hört die Seelenqual im letzten Drittel eben nicht auf. Der hochbegabte David Berger – „Dark“-Serienstar Louis Hofmann hat für die Rolle heftig Klavier geübt – beginnt sein Studium im Konservatorium. Seine Lehrerin, Professor Matussek (Ursina Lardi), wandelt sich nicht wie strenge Musiklehrerinnen in anderen Filmen von der Domina zur wohlwollenden Förderin, sie bleibt unberechenbar. Mit stiller Perfidie spielt sie David und den lebenslustigen Walter (Johannes Nussbaum) beim Wettbewerb um das begehrte Juilliard-Stipendium gegeneinander aus; Demütigungen vor Publikum wechseln mit mysteriösen Spielanweisungen und willkürlichem Lob. Alles zu Übungszwecken? Wer Solist werden will, braucht Nerven aus Stahl.
Ein kühler, fiebriger Film
Auch die Beziehung des Neulings zu seinen Kommilitonen schwankt zwischen Komplizenschaft und Konkurrenz. Die zunächst schön gelassen gefilmte Ménage-à- trois zwischen David, Walter und der Gesangsstudentin Marie (Liv Lisa Fries) mündet in ein Eifersuchtsdrama. Seltsam antiquierte Konstellation: Die hübsche Marie bleibt Projektionsfläche für zwei sich bekriegende Jungs.
Auch wenn der fatalistisch Richtung Psychohorror driftende Plot (mit Jenny Schily und Saskia Rosendahl als Davids Mutter und Schwester) am Ende nicht überzeugt, so fasziniert doch die Textur von „Prélude“. Eine Partitur der Empfindsamkeit: Gesichter im Close-up und Helldunkel-Kontraste lassen die Einsamkeit des Protagonisten bei seinen Schubert- und Beethoven-Marathons erahnen.
[Cinemaxx Potsdamer Platz, Filmtheater am Friedrichshain, fsk, Kant Kino, Kulturbrauerei, Moviemento]
Das Instrumenten-Gesummse im Wohnheim, das Pingpong der Tischtennisplatte im Garten, ein subkutaner A-Capella-Chorgesang und nervtötende Motivrepetitionen fügen sich zum Soundtrack einer existentiellen, autoaggressiven Verstörung. Die Konservatoriumsszenen wurden im Berliner Funkhaus Nalepastraße mit seinen holzvertäfelten Sälen, der Foyer-Freitreppe und dem von Lisenen strukturierten Bogengang gedreht. So rhythmisiert das Bauhaus-Design von Franz Ehrlich die anfangs statischen, zunehmend zersplitternden Bilder.
Sabrina Sarabi, Jahrgang 1982, hat zuletzt an der Kölner Kunsthochschule für Medien studiert, nach Auslandsaufenthalten in Frankreich, den Niederlanden und den USA. Sie sieht sich einer Generation zugehörig, die von Rastlosigkeit und Erfolgsdruck geprägt ist, von dem Gefühl, „nicht gut genug zu sein“. Kühl und fiebrig, so ist auch ihr Film. Musiker müssen hypersensibel sein. Manchmal wird die Empfindsamkeit zum Verhängnis.
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