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Verführerin. Kylie Minogue will immer nur das eine.
© William Baker

Neues Album von Kylie Minogue: Pack die Sexspielzeuge aus

Fanfaren, Funk und Tanzbodenkracher: Kylie Minogues knalliges Elektro-Pop-Album „Kiss Me Once“.

Mittwoch, der 26. Februar in Sydney. Eigentlich sollte es ein ganz gewöhnlicher Abend im Beresford Hotel werden, einer geräumigen Schwulenbar nahe der Oxford Street, wo in der ersten Etage manchmal Bands auftreten. Das Elektro-Duo The Presets stand auf dem Programm – in Australien schon sehr erfolgreich mit Tanzbodenkrachern wie „This Boy’s In Love“. Bier, Beats und Bärte, der stinknormale Homo-Wahnsinn nahm seinen Lauf.

Plötzlich betrat eine zierliche Person in blutrotem Lackkleid das Podest vor dem Samtvorhang, die Lippen kirschrot, die blonden Haare zum Brigitte-Bardot-Dutt zusammengesteckt. Kylie? Kylie! Noch mal zum Mitschreien: Kylie!!! Sie war heimgekommen, pünktlich zur Schwulenparade des Mardi Gras, aus London eingeflogen, stand sie vor ein paar Dutzend Muskelshirt-Trägern, die ihr Glück kaum fassen konnten.

Ein Lied sang sie, die neue Single „Into The Blue“, ein Disco-Pop-Knaller mit „Oh, oh, oh“-Hookline. Drei Minuten Playback, zwei Minuten Kreischen. „Ich wollte einfach mal vorbeischauen“, ruft sie. Noch mehr Getöse, ein Fan darf ein Selfie mit ihr am Mikrofon machen. Ein kräftiger Kerl, der nach der Aufnahme beinahe in Tränen ausbricht. „Are you alright?“, fragt Kylie Minogue skeptisch. Natürlich nicht, denn besser wird sein Leben nach diesem Moment nicht mehr. Dann verschwindet sie, ganz der bodenständige Star zum Anfassen.

Alle, die nicht bei diesem historischen Ereignis dabei waren, können die Begeisterung nun nachempfinden. Die besagte Single ist bereits erschienen, und diesen Freitag folgt „Kiss Me Once“. Es ist das zwölfte Album der 45-Jährigen und das erste neue Songmaterial, das die Australierin seit „Aphrodite“ vor vier Jahren veröffentlicht.

Vor einem Jahr trennte sich Minogue von ihrem Manager Terry Blamey, der sie 25 Jahre durch Image-Wechsel und Plattenvertragshandlungen begleitete. Sie ist nun beim mächtigen Management Roc Nation unter Vertrag. Gegründet hat die Agentur, die auch Stars wie Rihanna und Shakira betreut, der Hip-Hop-Mogul Jay-Z.

Gleich geblieben ist Kylie Minogues Vorliebe für viele verschiedene Produzenten. Diesmal sind unter anderem dabei: das norwegische Duo Stargate, das Hits für Rihanna und Beyoncé produziert hat, die Songwriterin Sia Fuller, die mit DJ David Guetta den Hit „Titanium“ hatte, und Pharrell Williams, der selbst gerade mit „Happy“ einen Superhit in den Charts hat.

Von Williams stammt das schmissige „I Was Gonna Cancel“. Der dritte Albumtrack beginnt mit dem typisch abgehackten Pharrell-Beat, es gibt flirrenden Daft- Punk-Funk, darüber singt Kylie eine eingängige Melodie, zu der man sich sehr schön vorstellen kann, wie die Sängerin laufend mit dem Kopf wackelt. Ein Höhepunkt des Albums ist der Titel „Feels So Good“, geschrieben und produziert von dem erst 19-jährigen Londoner Mnek, der in seiner Heimat schon seit drei Jahren die Pop-Szene beliefert. Der Soulsänger Tom Aspaul hat das Stück bereits unter dem Titel „Indiana“ gesungen, bei Kylie kommt es mit Trippelschritt-Synthies daher und baut sich zu einer hübschen Midtempo-Fanfare auf. Gerade weil nicht jede Sekunde mit krachigen Effekten vollgestellt ist – wie derzeit etwa bei Calvin Harris, Avicii oder David Guetta zu hören – zählt diese sparsame Nummer zu den Perlen der Platte. Zudem gibt es noch eine Ballade mit Enrique Iglesias. Der Gesang der beiden wird bei „Beautiful“ mal verzerrt und mal mit Hall-Effekten versehen. Stört nicht, kommt ja erst zum Schluss.

Abgeschmackt wirkt an diesem Elektro-Pop-Produkt nur die Sex-Obsession. Früher ging es bei Kylie mal um ewige Liebe, dass sie jemanden nicht mehr aus dem Kopf bekam und sich so lange einfach mal im Kreis drehte. Diesmal haben drei Songs den Geschlechtsverkehr im Titel. Macht Kylie hier die Madonna? Dabei war die Australierin gerade deshalb immer so sympathisch, weil ihr deren verbissener Ehrgeiz abging, unbedingt die Beste auf der Bühne und im Bett zu sein. Bleibt zu hoffen, dass Kylie ihren Hedonismus wieder in überdrehte Showkostüme steckt und die Finger von den Sexspielzeugen lässt. Ansonsten soll sie gerne so bleiben wie sie ist. Ach so, ein Selfie, das wäre noch was.

„Kiss Me Once“ erscheint am 14.4. bei Warner

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