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Mimi (Katharina Schüttler) und Johnny (Martin Feifel)
© X-Verleih

Dani Levys "Die Welt der Wunderlichs": Paare und andere Psychos

Erst das schönste Chaos, dann die Wiederherstellung der Ordnung: Dani Levys Familienkomödie „Die Welt der Wunderlichs“.

Klar, Familie ist die Katastrophe schlechthin, schon weil man sie sich nicht aussuchen kann. Ein einzige Achterbahn der Gefühle – und man kommt einfach nicht los voneinander. Auch das Genre ist nicht tot zu kriegen: Die „Familien und andere Katastrophen“-Komödien samt all ihrer Patchwork-, Kommunen- oder Regenbogen-Varianten hat sich schon deshalb bewährt, weil jeder Zuschauer ein Lied davon singen kann.

Womit wir bei der Musikfilm-Version wären, an der Dani Levy sich jetzt versucht. In „Die Welt der Wunderlichs“ dreht sich alles um Mimi (Katharina Schüttler), eine verkrachte Rocksängerin, alleinerziehende Mutter und einziger Normalmensch in einer Familie von Psychowracks. Der schweizerische Wahlberliner Levy gilt seit „Alles auf Zucker“ (2004) als der Familien-Experte unter den hiesigen Autorenfilmern; mit der herrlich unkoscheren „Hilfe, die koschere Verwandtschaft kommt zu Mamas Beerdigung“-Story reaktivierte er im deutschen Kino nicht zuletzt den von den Nazis vertriebenen jüdischen Humor. Der bei seiner Hitler-Satire „Mein Führer“ (2007) allerdings nicht zünden wollte. Spätestens seitdem weiß Levy wie kaum ein anderer hierzulande, wie schwer Komödie ist. Zwölf Drehbuchfassungen hat er für „Die Welt der Wunderlichs“ erstellt – und erstmal zahlreiche Absagen von Sendern und Fördergremien einstecken müssen.

Peter Simonischek als manischer Vater

Tempo kann Levy trotzdem. Ihm und seinen Filmen haftet das Zappelige eines Woody Allen an; die frühe WG-Turbogroteske „Robbykallepaul“ zog daraus ihren Elan. Auch die „Wunderlichs“ legen prestissimo los, gleich im Vorspann herrscht höchste Alarmstufe. Mimis hyperaktiver Sohn Felix hat die Lehrerin in den Schrank gesperrt, Mimi muss mitten in der Schicht in der CD-Abteilung eines Elektronikmarkts ihren Arbeitsplatz verlassen, ist prompt ihren Job los, überfährt in der Eile mit ihrem Nanni-Moretti- Roller einen etwas zu aufdringlichen Kunden (Steffen Groth) und wird obendrein von der Klinik kontaktiert, in der ihr manischer Vater (Peter Simonischek) Rabbatz macht.

Auf Mimis Ex, der im Hotel einen abgehalfterten Altrocker markiert (mutig: Martin Feifel), ist als Kinds-Wochenendvater wegen erhöhtem Alkoholkonsum ohnehin kein Verlass, Schwester Manu (Christiane Paul) weist jede Verantwortung für Daddy mittels Hysterieattacken weit von sich, und Mutter Liliane schwebt mal wieder in Suizidgefahr. Schön, Hannelore Elsner wiederzusehen; allein, wie sie kurz die Beine breit macht, um ihre Tochter den gebührenden Respekt vor mütterlichem Geburts- und Lebensschmerz zu lehren, zeugt von feinstem, bitterbösestem Witz.

Mimi bleibt nur die Flucht. Raus aus Mannheim (so ziemlich die unkomischste Stadt der Republik) Richtung Zürich, zur Castingshow „Second Chance“. Natürlich hat sie schon bei der Abreise die ganze liebe Verwandtschaft wieder im Schlepptau, Katharina Schüttler erweist sich trotzdem als großartige Singer-Songwriterin.

Schnelle, freche, billige Filme werden hierzulande ausgebremst

Komik geht nicht ohne Übertreibung. Warum also keine Familie, in der jeder heftige Störungen aufweist? Bipolar, depressiv, ADHS, Burn-out, das komplette Programm. „Wir sind nicht interessant, wir sind Psychos“, brüllt Mimi einmal. Nur hält sich das Steigerungspotential bei einer derart furiosen Ausgangslage nun mal in Grenzen. Beispiel: Peter Simonischek hochstapelt ganz hübsch, wenn er sich in der Autobahnraststätte als Vertreter der Lebensmittelprüfstelle ausgibt, macht aber im Vergleich zu seinen grandiosen Toni-Erdmann-Auftritten eine lediglich vertrottelte Figur. Auch der Spaß, am Ende echte Showstars sich selbst spielen zu sehen, von Arabella Kiesbauer bis Thomas Anders, verpufft recht schnell.

Vielleicht ist es ja doch so, dass schnelle, freche, billige Filme hierzulande systematisch ausgebremst werden. Oder es liegt an der seltsamen Ordnungsliebe, mit der Dani Levy seinen Film in eine befremdliche Hymne auf die Wiederherstellung konservativer Verhältnisse münden lässt. Alleinerziehend, getrennt, heimlich verliebt, am Anfang herrscht das übliche nervenaufreibende, herzerfrischende Chaos. Am Ende sind alle Beziehungen säuberlich sortiert, in althergebrachter Kleinfamilien-Paarung. Nicht mal einen Seitensprung gestattet Levy. Die gute alte Screwball-Komödie traute sich mehr.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Kant-Kino, Filmkunst 66, Kino in der Kulturbrauerei, Passage, Zoo-Palast

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